Mecklenburger verrät: Ich bin Millionär – und nicht mal seine Kinder wissen es
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10000 Euro Sofortrente –von diesem Geldregen träumen viele.
© Quelle: Archiv
Wismar. Hans Müller* ist das geglückt, wovon die meisten Menschen träumen: Er wird Millionär. Nicht auf einen Schlag, dafür in lukrativen Raten. Müller hat in der Rentenlotterie der NKL gewonnen. 10 000 Euro bekommt er monatlich und steuerfrei – zehn Jahre lang. 1,2 Millionen Euro werden nach Ablauf der Dekade auf Müllers Konto stehen. Von seinem plötzlichen Reichtum weiß niemand. Nicht seine Nachbarn, nicht seine Freunde, noch nicht einmal seine Kinder. Warum diese Geheimniskrämerei? Und macht Geld wirklich glücklich? Eine Spurensuche.
Der Glückspilz lebt im Plattenbau, irgendwo in Wismar. Luxus? Fehlanzeige. Statt Prunk und Protz gibt's Ostalgie. Seit DDR-Zeiten haben sich die Wohnblöcke kaum verändert. Auch in Hans Müllers vier Wänden hat einiges die Wende miterlebt. Die Schrankwand etwa steht schon seit Anfang der 70er Jahre hier. Einbauküche und Couchgarnitur haben mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel. "Ist doch alles noch gut. Warum sollte ich das rausschmeißen?" Sinnlos Geld verprassen – das liegt Hans Müller nicht.
Dabei könnte er sich das spätestens seit dem 28. September 2014 leisten. Es ist der Tag, an dem ihn das Losglück trifft. Seit gerade mal vier Monaten spielt Hans Müller zu diesem Zeitpunkt bei der Rentenlotterie mit. "Ich wollte eigentlich schon wieder kündigen."
Einer spontanen Laune folgend überlegt er es sich anders – und wird prompt belohnt: Hans Müllers sieben Ziffern – sein Geburtsdatum gefolgt von einer Null – werden ausgelost. Dann kommt das Glückwunschschreiben, das ihn gewissermaßen zum Millionär machen wird. "Ich bin nicht gleich umgefallen, aber die Freude war schon groß."
Während manch einer die Sektkorken knallen lassen und sein Glück in die Welt hinausschreien würde, freut Hans Müller sich lieber im Stillen. Er ist ein eher bescheidener Mann. Aber davon, jeden Monat einfach so und ohne einen Handschlag einen Batzen Geld überwiesen zu bekommen, davon habe er schon geträumt, gesteht er. Sein Wunsch wird Wirklichkeit. Dabei stehen die Chancen auf die Sofortrente bei 1 zu 2,1 Millionen.
Nötig hat Hans Müller die monatlichen 10 000 Euro eigentlich nicht. Sein Berufsleben lang hat der Ingenieur gut verdient. Heute bekommt er eine Rente, von der viele nur träumen können. Genau das ist der Punkt, warum Müller mit niemanden über seine Million spricht. Er habe in seinem Job Neid und Missgunst kennengelernt. Beides will er sich ersparen. "Ich weiß aus Erfahrung, dass bei Geld die Freundschaft aufhört."
Warum aber weiht er nicht wenigstens seine Kinder ein? "Ich habe sie zur Sparsamkeit erzogen. Sie sollen nicht plötzlich denken: Oh, da muss 'ne Goldgrube sein", sagt Müller. Er habe sie schon immer unterstützt, wo er kann – tatkräftig und auch finanziell. Wenn sie von seinem Gewinn wüssten, würden sie das womöglich nicht mehr zu schätzen wissen, mutmaßt Müller. "Dann sagen sie vielleicht: ,Mensch, das Geschenk hätte doch größer sein können.' Jetzt freuen sie sich über jede Kleinigkeit." Vom Reichtum ihres Vaters werden die Kinder wohl erst aus dessen Testament erfahren.
Kleinere Gewinne – ein Fahrrad beim Preisausschreiben, eine Reisetasche – hat Hans Müller schon mal abgeräumt. Doch monatlich 10 000 Euro, das ist doch eine andere Hausnummer. Als Quasimillionär muss Müller es doch wissen: Macht Geld glücklich? "Das nicht, aber es beruhigt ein bisschen."
Seinen allergrößten Glückstreffer habe er ohnehin schon mehr als 60 Jahre vor dem Lotteriegewinn gelandet: Damals will Hans Müller mit einem Kumpel ins Kino. Kurz davor wirft er gedankenlos ein Bonbonpapier weg – und trifft damit die Liebe seines Lebens am Hinterkopf. "Von diesem Augenblick an waren wir nicht einen Tag getrennt", verrät Müllers Frau und lacht. Sie ist die Einzige, die sein Geheimnis kennt.
Die Müllers sind beide über 80, aber noch topfit. Sie haben Enkel und Urenkel, viele Hobbys, reisen gern. Gibt es Wünsche, die sie sich noch erfüllen möchten? Eine Kreuzfahrt, das wäre noch was, sagen sie.
Das Rentenlotterielos mit seinen Geburtsdaten und der Null spielt Hans Müller übrigens immer noch. Nur so zum Spaß. "An unserer Lebenseinstellung hat sich rein gar nichts geändert." Der Großteil der monatlichen 10 000 Euro geht auf ein Tageskonto. Luxusauto, Designerkleidung, Juwelen – das alles brauchen die Müllers nicht. Für das Paar ist etwas anderes viel wertvoller. Die beiden schätzen es, jeden Tag miteinander zu verbringen. Am liebsten in ihrem Schrebergarten.
Und wenn sie dort auf ihrer Hollywoodschaukel so nebeneinander sitzen, dann flüstert Hans Müller manchmal seiner Liebsten, seiner einzigen Mitwisserin, scherzhaft ins Ohr: "Na, magst du deinen Millionär noch?" Und natürlich antwortet seine Frau immer mit "ja". Glück im Spiel und in der Liebe – das nennt man wohl Hauptgewinn.
*Name von der Redaktion geändert
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