Kraftwerk Rostock: Das bedeutet der Kohleausstieg für den Standort
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Das Steinkohlekraftwerk im Seehafen mit dem 141,5 Meter hohen Kühlturm, der auch als Schornstein dient. Das Kraftwerk wurde 1994 in Betrieb genommen und verbrennt Steinkohle, die über den Seehafen angeliefert wird.
© Quelle: Bernd Wüstneck/dpa
Rostock. Kapitäne wissen den Kühlturm des Rostocker Kraftwerks als Landmarke durchaus zu schätzen. Das 141 Meter hohe Bauwerk ist über die Ostsee hinweg selbst vom rund 50 Kilometer entfernten dänischen Gedser zu sehen. Der Turm misst nur 16 Meter weniger als der Kölner Dom. „Allerdings wird der lange noch stehen, wenn der Kühlturm schon längst nicht mehr da ist“, vermutet Kraftwerkschef Axel Becker wohl nicht ganz zu Unrecht. Der 62-jährige Ingenieur für Kraftwerkstechnik kennt den Standort am Warnow-Ostufer im Rostocker Überseehafen noch als grüne Wiese und ungenutzten Acker.
Betreiber ist von Anfang die Kraftwerks- und Netzgesellschaft mbH (KNG), die in den letzten Monaten der DDR am 23. März 1990 noch als deutsch-deutsches Unternehmen gegründet wurde. Nach mehreren Wechseln gibt es heute zwei Gesellschafter: die EnBW Energie Baden-Württemberg AG hält 50,38 Prozent der Anteile, die RheinEnergie AG 49,62 Prozent. Das Kraftwerk produziert über die Hälfte der in MV erzeugten elektrischen Energie und deckt etwa ein Drittel des Strombedarfs im Bundesland. Der Strom wird ins überregionale Netz eingespeist und kann zu jedem Kunden fließen, den Takt gibt auch die Strombörse vor.
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Axel Becker, Kraftwerksleiter, steht vor dem Steinkohlekraftwerk im Seehafen. Das Kraftwerk mit dem 141,5 Meter hohen Kühlturm wurde 1994 in Betrieb genommen und verbrennt Steinkohle, die über den Seehafen angeliefert wird.
© Quelle: Bernd Wüstneck/dpa
„Das Kraftwerk Rostock ist, wie alle anderen Kohlekraftwerke, vom Kohleausstiegsgesetz betroffen“, sagt Rainer Allmannsdörfer, der bei EnBW den Bereich Asset Management Erzeugung leitet. Die Kohlekraftwerke gehen schrittweise vom Netz. Bis 2038 soll das Kapitel Geschichte sein in Deutschland. Die meisten Steinkohlekraftwerke werden schon weit vorher abgeschaltet sein. Ob es nach der kommerziellen Stilllegung möglicherweise eine Zukunft als Reservekraftwerk gibt, hängt vom Verlauf der Energiewende, der Bedarfsprognose und vor allem dem Übertragungsnetzbetreiber ab. Geeignet wäre das Kraftwerk, denn es könne schnell, in nur ein bis zwei Stunden hochgefahren werden.
Eine Million Tonne Steinkohle werden in Rostock zu Strom
Für die ostdeutsche Energiewirtschaft begann am 1. Oktober 1994 ein neuer Abschnitt, schrieb Becker schon vor rund 20 Jahren 2004 in einem Geleitwort für einen Zehn-Jahres-Rückblick. Die Investitionssumme von einer Milliarde D-Mark war gewaltig. Es gab und gibt ein Vorlage: das Schwesterwerk „Staudinger 5“ im hessischen Großkrotzenburg bei Frankfurt am Main. Es ging zwei Jahre früher ans Netz. In Rostock werden pro Jahr etwa eine Million Tonnen Steinkohle verstromt. Zudem werden zahlreiche Haushalte mit Fernwärme über das Werk versorgt.
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Im Steinkohlekraftwerk im Seehafen schaut Holger Kirsche, Produktionsleiter, in den Feuerraum des Kessels, wo die Steinkohle bei etwa 1200 Grad verbrennt.
© Quelle: Bernd Wüstneck/dpa
Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und das EU-Kohleembargo hat sich der Herkunft des Rohstoffs geändert. Noch 2021 war Russland das primäre Kohleexportland für Westeuropa. „Im Jahr 2022 haben wir keine neuen Verträge mit russischen Kohleproduzenten abgeschlossen“, so Allmannsdörfer. „Somit wurde die russische Kohle im Wesentlichen durch kolumbianische und US-Kohle ersetzt. Dabei stammen rund zwei Drittel der vertraglich gesicherten Kohlemenge aus Kolumbien und ein Drittel stammt aus den USA.“ Die gesamte Kohle wird per Schiff angelandet und dann über 1,2 Kilometer lange Förderbänder ins Werk transportiert.
Der Kampf gegen den Klimawandel hat die Zukunft der Kohlekraftwerke langfristig besiegelt, denn deren klimaschädlicher CO2-Ausstoß ist groß. Allein das Rostocker Kraftwerk emittiert jährlich rund zwei Millionen Tonnen CO2. In der Rostocker CO2-Bilanz finden sich nur die Emissionen für den Anteil der in der Hansestadt genutzten Abwärme, weil der erzeugte Strom ins überregionale Hochspannungsnetz eingespeist wird. Zum Vergleich: Rostock weist laut Stadtverwaltung für 2021 Gesamt-CO2-Emissionen von insgesamt 714 000 Tonnen aus.
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Andere Nutzungen des Standortes Rostock denkbar
Über die Zukunft des Kraftwerkes wollen RheinEnergie und EnBW gemeinsam entscheiden. An dem Standort sind künftig auch ganz andere Technologien als Folgenutzung vorstellbar. Langfristig bieten sich aus Sicht von EnBW gute Chancen für eine Wasserstoffproduktion, auch wenn in diesem Bereich noch viel Pionierarbeit zu leisten sei.
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Das Steinkohlekraftwerk im Seehafen mit dem 141,5 Meter hohen Kühlturm (l), der auch als Schornstein dient.
© Quelle: Bernd Wüstneck/dpa
Innerhalb der nächsten vier Jahre soll im Überseehafen Rostock auf dem Gelände des Steinkohlekraftwerks eine 100-Megawatt- Produktionsanlage für die Erzeugung von grünem Wasserstoff entstehen. Entsprechende Förderanträge im Rahmen des europäischen Förderprogramms IPCEI seien gestellt, so Allmannsdörfer. „Ein deutlich größerer Ausbau ist denkbar.“