Geschichte

Ausgräber sind Greifswalder Handwerk auf der Spur

Das Grabungsteam Ecke Lange Straße/Kapaunenstraße

Das Grabungsteam Ecke Lange Straße/Kapaunenstraße

Greifswald. Die Hansestädter des Mittelalters hatten es nicht so mit der sachgerechten Entsorgung wie heutige Zeitgenossen. Das wird auch auf dem Gelände Ecke Lange Straße/Kapaunenstraße wieder überdeutlich. „Zwei Drittel unserer Funde sind Handwerkerabfall“, informiert Gianina Schindler, die gemeinsam mit Martina Manske die Ausgrabungen im Auftrag des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege leitet. Sie gehörten beispielsweise Schmieden, Schustern und Grapengießern. Eine Werkstatt konnten die Archäologen bisher nicht nachweisen.

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Falschgeld im Boden

Am 13. Mai wurde noch eine größere Menge Kacheln gefunden. Allerdings stehe noch eine Auswertung und Datierung des Materials aus. Nachgewiesen wurde eine mittelalterliche Steinmauer, die zu einem Gebäude gehört haben muss. Es ist keine Brandmauer, wie sie das Lübische Recht zwischen zwei Gebäuden forderte und damit schon etwas Ungewöhnliches. Gut nachweisbar ist auch, dass sich die Vorderfronten der mittelalterlichen Gebäude ein Stück weiter Richtung Süden befanden, als die zuletzt hier stehenden Gebäude. Zu diesen gehörten relativ kleine Höfe. Das Quartier war nicht die bevorzugte Gegend vermögender Hansestädter. Dazu passt auch, dass es nur wenige Münzen, zum Beispiel ein gefälschter mittelalterlicher Pfennig, im Boden gefunden wurden.

„Hier befand sich ein Handwerkerviertel“, fasst Schindler zusammen. Das lasse sich durch die Schriftquellen bestätigen. Die mittelalterlichen Gebäude seien wahrscheinlich im Dreißigjährigen Krieg zerstört worden. Die soziale Charakterisierung als Handwerkerviertel blieb in den folgenden Jahrhunderten bestehen.

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Skelette des Jacobifriedhofs

Die Fassaden der zuletzt an der Langen Straße stehenden Gebäude stammten aus der Barockzeit und wurden großteils im 19. Jahrhundert umgebaut. Deren Eigentümer ließen Keller anlegen. Zwei Latrinen – sehr häufig Garanten für interessante Funde – waren gewissermaßen leer. Sie stammten ebenfalls erst aus der Neuzeit. Die schmale Straße an der Jacoibikirche wurde erst damals angelegt. In diesem Bereich legten die Archäologen im Zuge der Ausgrabungen einige Skelette des vor über zwei Jahrhunderten aufgegebenen Jacobikirchhofes frei (die OZ berichtete). Die Knochen befinden sich jetzt im Landesamt, sollen aber wieder bestattet werden.

Noch im Mai wird das Grabungsteam das Baustellengelände verlassen. Der Investor, die Greifswalder Quartier Am Ryck GbR, möchte dann später einige Funde an Ort und Stelle präsentieren. Das sollte auch in gemeinsamer Absprache mit dem Landesamt möglich sein, schätzt Schindler ein.

Wie der Sprecher der Investoren sagte, wolle man weiter versuchen, den Zeitplan für die Bebauung einzuhalten. Details dazu nannte er nicht. 32 Wohnungen und einige Gewerberäume im Untergeschoss sollen nach den Vorstellungen der GbR im „Jacobiquartier“ entstehen. Geplant ist zunächst der Bau eine Tiefgarage. Damit es zu keinen Schäden an Nachbargebäuden wie dem ,Pariser’ kommt, wurden bereits Bohrpfähle gesetzt.

Abriss erst nach Wiedervereinigung

Die Fassade des geplanten Baukörpers wird unterbrochen, sodass es von außen so aussehen wird, als ob an der Langen Straße drei Häuser stehen. Das entspricht dem historischen Bild. Denn es handelt sich um drei Grundstücke. Die ursprünglichen Gebäude hatten auch die Wende, also den DDR-Flächenabriss, überlebt. Erst vor zwei Jahrzehnten folgte die Beseitigung der leer stehenden Gebäude. Es heißt, dass nach der Wende mehr Häuser abgerissen wurden als vor 1990. Auf dem Gelände an der Langen Straße entstand ein kleiner Wald.

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Innenstadtgrundstücke sind in Greifswald sehr begehrt. Wo nicht investiert wird, liegt das in der Regel an den Eigentümern der Grundstücke. Diese drei Grundstücke gehörten nach der Wende dem Greifswalder Immobilienunternehmer Torsten Abs. Seine Pläne für ein Kaufhaus oder betreutes Wohnen nahe der Jacobikirche blieben Ankündigungen. Wegen der hohen Kreditbelastungen seiner Grundstücke waren sie indes mit sehr hohen Krediten belastet. Es gab in der Folge mehrere Zwangsversteigerungen. Das erste Grundstück wechselte schließlich 2012 den Besitzer, das zweite und das dritte erst 2016.

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Knochenfund in Greifswalder Innenstadt

Ehemaliges Abs-Grundstück: Berühmter Schandfleck verschwindet

Eckhard Oberdörfer

OZ

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