Greifswalder Studenten betreiben erfolgreiche Pizzeria
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Die besten Freunde Philipp Christ und Florian Heyer (beide 30) mit fertigen Pizzen.
© Quelle: Christopher Gottschalk
Greifswald. Florian Heyer geht im Herbst 2017 die Greifswalder Bachstraße entlang. Er kommt an dem Laden neben der Bar „Ravic“ vorbei. Überraschung: Die seit Jahren geschlossene Tür steht offen. Er geht rein und ändert damit sein Leben.
„Ich war neugierig, musste aber erst meinen inneren Schweinehund überwinden. Doch ich wollte herausfinden, was da los ist und bin dann einfach reingegangen“, erzählt er. Heyer ist begeisterter Koch, hatte eine Zeit im spanischen Restaurant „Campo Alegre“ an der Europakreuzung hinterm Herd gestanden. Wären an jenem Tag nicht die Eigentümer des Gebäudes mit dem Laden in der Bachstraße vor Ort gewesen und hätten sie die Tür nicht geöffnet und wäre Florian Heyer nicht zufällig genau dort vorbeigegangen – die kleine Pizzeria „Gestiefelter Kater“ gäbe es heute wohl nicht.
Doch es gibt sie. Und das kam ziemlich spontan: Heyer ruft seinen besten Freund Philipp Christ an, erzählt ihm von dem Laden, dass sie ihn mieten könnten. Die beiden kennen sich bereits seit der Grundschulzeit in Brandenburg. Beide studieren nun und leben in Greifswald. Philipp Christ sagt sofort ja. „Wir wussten aber zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal, was wir genau mit dem Laden machen wollen“, sagt Christ. Die Idee lautet schließlich: Pizza backen.
„Ohne Philipp wäre das alles nicht möglich gewesen“, sagt Heyer. „Und Flori ist ein kleiner liebenswerter Chaot. Kreative sind halt etwas chaotisch“, fügt Philipp Christ an. „Er ist derjenige, der zehn Stunden Texte über Mehl lesen kann und kulinarische Ideen hat.“ „Die ganz wichtigen Aufgaben übernimmt aber Philipp“, ergänzt Florian Heyer. Viele Behördengänge zum Beispiel. Das alles neben Heyers Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Deutsch als Fremdsprache und Christs Fernstudium zum Fitnesstrainer. Das unterbricht er im letzten Herbst auf unbestimmte Zeit und auch Heyer konzentriert sich voll auf den Laden. Den bauen sie größtenteils selbst aus. Nach langen Tagen kümmern sich ihre Partnerinnen um sie, Freunde helfen hier und da beim Umbau.
Die monatliche Miete, Pizzaofen, Theke, Tische und Stühle bezahlen die beiden von ihren Ersparnissen. „Am Anfang war es ein Überlebenskampf“, sagt Christ. Die Ersparnisse gingen gegen Null. „Hätten wir einen Monat später aufgemacht, wäre es knapp geworden.“ Sie streiten sich mal heftig, raufen sich aber wieder zusammen. Pausenlose Arbeit gehört auch dazu. „Als Flori einen Tag nicht konnte, war ich um 4 Uhr morgens da und konnte erst nach 24 Stunden nach Hause“, sagt Christ. Stress und Herzklopfen haben sich jedoch gelohnt. Seit der Eröffnung im Januar schreibt ihr Geschäft schwarze Zahlen, ein Festangesteller arbeitet dort. Acht Pizzen stehen auf der Karte. Sechs Tage in der Woche steht die Pizzeria offen, in der kaum mehr als zehn Gäste Platz finden. Einen Lieferservice haben sie nicht, viele Kunden kommen selbst zum Abholen vorbei.
Florian Heyer wirkt im Gespräch abwechselnd nachdenklich ernst, dann wieder fröhlich und gelöst mit einem Lächeln im Gesicht. Der Kreative. Philipp Christ scheint mehr in sich zu ruhen. Der Ordentliche. So sagen die beiden auch über sich: „Wir ergänzen uns perfekt.“
Nachdem sie nun nicht mehr jeden Tag im Laden stehen, wollen beide ihren Abschluss machen. Als Versicherung, falls es irgendwann doch nicht mehr mit dem Pizzabacken klappt. Philipp Christ würde sein als Fitnesstrainer verdientes Einkommen auch wieder in das Geschäft investieren. „Ich kann mir gut vorstellen, Stunden als Fitnesstrainer zu geben und das Geld zu nehmen, um zum Beispiel einen zweiten Mitarbeiter anzustellen.“ „Wir können bereits von dem Laden leben“, sagt er weiter. „Er ist eben unsere oberste Priorität.“ Zukunftspläne stehen auch schon fest: Wenn alles klappt, sollen weitere Läden folgen, gerne auch in anderen Städten.
Christopher Gottschalk
OZ