Landesarchiv Greifswald in Not
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Archivar Uwe Malz zeigt historische Akten aus dem Bestand des Provinzialkonservators von Pommern, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges an das Landesarchiv Greifswald übergingen. Das Konvolut umfasst Aufnahmen von bedeutenden Gebäuden Pommerns in den 1930-er Jahren.
© Quelle: Martina Rathke
Greifswald. Schimmelakten, immer weniger Personal - das Landesarchiv am Greifswalder Nexöplatz hat in den letzten Jahren immer wieder für unrühmliche Schlagzeilen gesorgt. Der Jubel in Vorpommern, dass eine völlige Verlagerung nach Schwerin verhindert und ein neuer Aktenspeicher gebaut werden soll, war verfrüht.
Denn der Niedergang geht weiter. Im Januar und Februar dieses Jahres blieb der Lesesaal geschlossen. „Das bedeutet das Ende der Landesgeschichtsforschung“, kommentiert Felix Schönrock. Der Greifswalder ist einer der produktivsten Historiker mit Schwerpunkt Pommern. Aktuell arbeitet er an der Geschichte des bedeutenden Wasserschlosses Divitz bei Barth, das saniert werden soll.
Öffnungszeiten wie bis Ende 2018 wird es nach jetzigem Stand nicht wieder geben. Das machte der fürs Archivwesen zuständige Leiter des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege, Michael Bednorz, deutlich. „Die Entscheidungen zum Personal wurden vor zehn Jahren getroffen“, wies Bednorz im Gespräch mit der OZ auf das damals beschlossene Landespersonalkonzept hin. Statt der einst 14 Kollegen sind in Greifswald, Teil des Landesarchivs in Schwerin, noch vier Kollegen tätig. Jetzt geht der Magazinmeister, der für die Bereitstellung der Unterlagen sorgt, in Rente.
Der CDU-Landtagsabgeordnete Egbert Liskow befürchtet angesichts der seit Jahren vorangetriebenen Stellenabschmelzung, dass im Landesarchiv Greifswald künftig nur noch Vergangenheit verwaltet, aber nicht mehr erforscht werden kann. „Wir haben erfolgreich dafür gekämpft, das der Standort erhalten bleibt. Aber mit dem jetzigen Personalstand scheint eine aktive Aufarbeitung des Bestandes nicht mehr leistbar zu sein“, sagt er. Es sei zudem nicht zu verstehen, dass es so gut wie keine Neuaufnahmen mehr in Greifswald gebe. Auch die Archivalien nach 1990, die Vorpommern betreffen sollten, in der Region gelagert werden. „Mir ist wichtig, dass die volle Zugänglichkeit des Archivs für Wissenschaftler und Bürger gewährleistet ist“, so Liskow.
„Kein Landespersonalkonzept ist so gut, dass man es nicht ändern kann“, sagt Nils Jörn, Stadtarchivar in Wismar und stellvertretender Vorsitzender der Historischen Kommission für Pommern. Greifswald müsste dringend mehr Mitarbeiter bekommen. Landesamtschef Bednorz schätzt dagegen ein, dass eine wissenschaftliche Betreuung auch von Schwerin aus möglich sei. Nach seiner Ansicht würden künftig sogar nur zwei Kollegen in Greifswald reichen. Denn im geplanten Archivzentrum an der Straße An den Wurthen hätten das Greifswalder Stadtarchiv und das Landesarchiv einen gemeinsamen Benutzerraum. Die Stadt baut derzeit. Ihr Aktenspeicher soll im nächsten Jahr fertig sein. Für das neue Landesarchiv gibt es aber noch keinen Plan.
Die Schließung des Lesesaals sollte für März verlängert werden, auch für die Zeit danach wurden Schließungen angekündigt. Dann kam Bednorz, und es gab zumindest vorübergehend Zeiten, in denen das Archiv geöffnet wurde. Schönrock profitierte. Aber nicht jeder kann so flexibel planen. In der Folge sinkt die Zahl der Benutzer. Ob das gewollt sei, um den Abbau zu begründen, darf man schon fragen
Der aus Anklam stammende Pommernforscher David Krüger hat inzwischen wegen der angespannten Personalsituation eine Petition beim Petitionsausschuss des Landtages eingereicht. „Ich hoffe, das ist ein Impuls an die Ministerien, sich mit der Situation im Archiv zu befassen“, sagt er. Ein Neubau des Landesarchivs löse nicht das Problem der fehlenden Stellen.
Der Wismarer Stadtarchivar Nils Jörn kommentiert die Entwicklung so: „Der Landesteil Vorpommern wird in einer Weise benachteiligt, wie es sie in Deutschland kein zweites Mal gibt.“ Er kämpft wie der Vorsitzende der Historischen Kommission für Pommern, Haik Thomas Porada, seit Jahren für eine auskömmliche Ausstattung des Archivs. In anderen Bindestrichländern wie Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sei ein Umgang wie der mit Vorpommern völlig undenkbar.
Jörns Schlussfolgerung: In Greifswald müssen Wissenschaftler an der Erschließung arbeiten, um sinnvolle Schwerpunkte bei der Digitalisierung der Bestände setzen zu können. „Der Kreislauf – zu wenig Personal für die Erschließung, keine Nutzer, noch weniger Personal, noch weniger Nutzer -muss durchbrochen werden“, sagt Jörn. Und der Stadt Greifswald nun die Lasten des Landes für die Nutzung des Archivs aufzubürden, ginge gar nicht.
Eckhard Oberdörfer und Martina Rathke