Tag 1 nach dem Klimanotstand - Was passiert nun?
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Proteste für mehr Klimaschutz vor der ersten Sitzung der Greifswalder Bürgerschaft
© Quelle: Martina Rathke
Greifswald. Die Greifswalder Bürgerschaft hat für die Hansestadt den Klimanotstand ausgerufen. Ein symbolischer Akt, der allerdings für die nächsten Wochen noch ohne Folgen bleibt. Die Bürgerschaft stimmte am Dienstagabend nach einer emotionalen Diskussion zwar mehrheitlich für die Resolution, die von SPD, Grünen, Linken und Tierschutzpartei eingebracht wurde. Die mit der Resolution verbundenen Maßnahmen wurden indes in den neugegründeten Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität verwiesen. Für besonderen Zündstoff sorgten Ideen wie die Forderung an die Stadtwerke, den Strommix auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzustellen, ohne die Bürger zu belasten sowie die Forderung nach einem kostenlosen Nahverkehr. „Es kann doch nicht sein, dass wir hier den Stadtwerken Maßnahmen vorschreiben. Wir in Greifswald können das Klima nicht retten“, kritisierte CDU-Mann Jürgen Liedtke in der Bürgerschaftsdebatte die Vorschläge.
Mit der Ausrufung des Klimanotstandes folgt Greifswald dem Beispiel anderer Kommunen wie Konstanz, Heidelberg und Münster. Damit erkennt die Bürgerschaft an, dass die Eindämmung der Klimakrise und der sich daraus ergebenden Folgen für Umwelt, Soziales und Wirtschaft als prioritäre Aufgaben angesehen werden. Die SPD-Politikerin Monique Wölk hatte für den Antrag geworben. „Wir sind kurz vor dem Erreichen der physikalischen Kipppunkte.“Es gebe zwar in Greifswald bereits viele Aktivitäten für den Klimaschutz. „Aber wir setzen die Maßnahmen nicht konsequent genug um.“ Mit den Stimmen von Grünen, SPD, Linken, Tierschutzpartei und Alternativer Liste, die eine knappe Mehrheit von 22 zu 21 Sitzen in der Bürgerschaft haben, wurde die Resolution beschlossen.
Stadtwerke reagieren verhalten
Aber was passiert nun? Die Stadtwerke reagierten verhalten auf den Beschluss. „Ich freue mich über die politische Entscheidung, mehr für den Klimaschutz zu tun“, sagte Geschäftsführer Thomas Prauße. Die daraus resultierenden Maßnahmen müssten aber mit Bedacht, fachlich und wirtschaftlich fundiert diskutiert werden und nicht unsachlich mit der Brechstange. „Die Stadtwerke stehen schon lange für Ökologie und Klimaschutz“, so Prauße. Er verwies auf den Masterplan Klimaschutz. Dort sei die wichtige Rolle der Stadtwerke bereits verankert, die nachhaltig auf Fernwärme und Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) setzt.
Der Stadtwerke-Chef erinnerte daran, dass der Aufsichtsrat erst 2018 den weiteren Ausbau der KWK beschlossen habe - eine Strategie, die für die nächsten 15 Jahre gilt. Gerade seien dafür die ersten Investitionen angeschoben worden, insgesamt bis zu 24 Millionen Euro, unter anderem in den Bau einer der größten Solarthermie-Anlagen für die Erzeugung von regenerativer Fernwärme. „Mit der KWK-Strategie werden wir Kohle und Kernenergie im Energiemix bis 2035 weiter zurückdrängen können, aber nicht vollständig auf Null.“ Doch genau diese Forderung an die Stadtwerke, vollständig aus Kohle und Kernenergie auszusteigen, ist ein Schwerpunkt des Maßnahmenpakets zum Klimanotstand.
Bürger sollen nicht belastet werden
Wölk findet es „schade“, dass die Resolution am Dienstagabend ohne konkrete Maßnahmen beschlossen wurde. „Wir verlieren jetzt drei Monate Zeit.“ Es müsse geprüft werden, welche haushaltsrechtlichen Folgen aus den Forderungen wie einem kostenlosen Nahverkehr resultieren. Um die Bürger nicht zu belasten, müsse geprüft werden, welche Quellen im Haushalt erschlossen werden können, ob die Mehreinnahmen durch den Finanzausgleich genutzt oder eine Senkung der Kreisumlage zur Gegenfinanzierung genutzt werden können, sagte sie.
CDU-Fraktionschef Axel Hochschild bezeichnete die Ausrufung des Klimanotstandes als „ideologisches Spielchen“. Er kündigte Widerstand an. „Alles was darauf hinausläuft, den Strom für die Bürger teuer zu machen, werden wir nicht mittragen“, sagte er. Die Stadtwerke hätten bereits ein Stromangebot, dass zu 100 Prozent aus Ökostrom besteht. „Wer das will, kann es nutzen.“ Vor Aktionismus warnte in der Bürgerschaftsdebatte auch FDP-Mann David Wulff. Statt der Ausrufung des Klimanotstandes hatte er für einen kompletten Verweis des Antrags in die Ausschüsse plädiert. „Regel Nummer 1 bei der Reise durch die Galaxie ist: Keine Panik!“, so Wulff.
Greifswald zahlt schon jetzt für die Klimakrise
Die Notwendigkeit, zügig zu handeln, sieht indes der Physiker Markus Münzenberg, der neu für die Grünen in der Bürgerschaft sitzt. Er verwies auf Rechenmodelle, denen zufolge mit dem derzeitigen CO2-Ausstoß nur noch 8 bis 9 Jahre bleiben, bis kritische Kipppunkte erreicht sind, die die Klimakrise beschleunigen, etwa das Schmelzen der Permafrostböden. „In Greifswald bezahlen wir schon jetzt konkret für die Klimakrise“, sagte Münzenberg. Als Beispiele nannte er die Anpassung der Küstenschutzanlagen an höhere Meeresspiegel oder die Ernteausfälle wegen der heißen Sommer.
Martina Rathke