Archäologe geht Stadtmauer auf den Grund
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Diese Zeichnung wurde nach einem Kupferstich von M. Merian angefertigt, der 1645 entstand. Die Stadtmauer entlang der heutigen Straße am Fischmarkt ist deutlich zu erkennen. Auch der Mauerturm, dessen Fundamente 2018 ausgegraben wurden, ist zu sehen.
© Quelle: Sammlung Tom Schröter
Wolgast. Die 2018 vorgenommenen Ausgrabungen an der Straße Am Fischmarkt in Wolgast erbrachten mehrere spannende Ergebnisse. „Der Grabungsbericht ist inzwischen fertig und in der internen Prüfung“, berichtet Archäologe Peter Kaute. Der 51-Jährige, der im vergangenen Sommer im Auftrag des Landesamtes für Kultur- und Denkmalpflege MV den 5. Straßenausbau-Abschnitt aus Sicht der Landesarchäologie begleitete, kann nun konkrete Aussagen zur Bauzeit und Gründung der einstigen Stadtmauer entlang des Schlossgrabens treffen.
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Archäologe Peter Kaute fasste jetzt die Ergebnisse der 2018 am Wolgaster Fischmarkt erfolgten Ausgrabung zusammen.
© Quelle: Tom Schröter
Wie bereits während der vorherigen Bauabschnitte, traten auch im Zuge der Tiefbauarbeiten zwischen den Einmündungen Swinkestraße und An der Stadtmauer auf der gesamten Länge wieder die massiven Fundamente der ehemaligen städtischen Wehranlage zu Tage. Auf Höhe der Straße An der Stadtmauer machte die Mauer einen Knick und verlief nun in südwestlicher Richtung weiter. „An dieser Ecke konnten wir die Fundamente eines Mauerturms nachweisen, der auch in den schwedischen Matrikeln von 1708 erwähnt wird“, so Kaute.
Das Gelände, auf dem heute die Straße Am Fischmarkt verläuft, wurde einst aufgeschüttet. „Um hier eine tragfähige Gründung für die Stadtmauer zu erreichen, wurde zunächst eine aus Eichenstämmen bestehende hölzerne Substruktion gebaut“, erklärt der Fachmann. Der eichene Holzrost, auf dem einige Lagen Feldsteine und dann die aufgehende, aus Klosterformatsteinen bestehende Mauer ruhten, ist noch sehr gut erhalten, was sich nun als Glücksfall für die Archäologie erwies: „Im Bereich des Mauerturms musste aus bautechnischen Gründen ein Teil der hölzernen Unterkonstruktion entfernt werden. Dendrochronologische Untersuchungen des Holzes“, so berichtet Peter Kaute, „ergaben als Fälljahre 1361 und 1362.“
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Im Einmündungsbereich zur Straße An der Stadtmauer stieß der Archäologe auf die Fundamente eines einstigen Mauerturms.
© Quelle: LAKD-MV/Landesarchäologie
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Das Bild zeigt die aus Eichenpfählen bestehende Unterkonstruktion, die als Basis für die Stadtmauer im Bereich des Fischmarktes diente.
© Quelle: LAKD-MV/Landesarchäologie
Im weiteren Verlauf der Mauer in Richtung Abzweig Swinkestraße sind die für den Holzrost verwandten Eichenstämme etwas jünger. „Hier wurden als Fälljahre 1387 und 1388 ermittelt, wobei die Bäume vermutlich im Jahr 1388 verbaut wurden“, so Kaute. Frühere Untersuchungen im Bereich der in Richtung Kolbergbrücke verlaufenen Stadtmauer hatten als Baujahre 1391 bis 1393 ergeben. „Wir können also nachweisen, dass der wasserseitige Ausbau der Stadtmauer in mehreren Abschnitten nach 1361 bis zum Jahr 1393 erfolgt ist“, schlussfolgert Kaute. Und: Offenbar sei zunächst die landseitige Stadtflanke mittels Mauer gesichert worden, bevor man sich der Wasserseite zuwandte.
In unmittelbarer Nähe des Mauerturms stieß Kaute im Untergrund zudem auf die Reste dreier Holzfässer. Untersuchungen hätten ergeben, dass es sich hierbei um Kiefernholz handelt, das 1622 und 1631 in Norwegen eingeschlagen wurde. „In Wolgast wurden die Fässer, die ursprünglich wohl als Transportbehälter dienten, als Gerberbottiche genutzt“, erläutert Kaute, der darauf verweist, dass sich am Fischmarkt schon vor langer Zeit ein Schuhmacher- und Gerberhof befand, der auch zu Zeiten der schwedischen Landesaufnahme 1708 Erwähnung fand.
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Dieses seltene Pilgerzeichen aus dem 15. Jahrhundert zeigt eine Mariendarstellung.
© Quelle: LAKD-MV/Landesarchäologie
Interessante Gegenstände barg auch das unmittelbare Grabungsumfeld. Hier wurde zum Beispiel ein seltenes Pilgerzeichen aus dem 15. Jahrhundert gefunden, das eine Mariendarstellung zeigt und wahrscheinlich aus Kenz bei Barth stammt. Ziel der Wallfahrt nach Kenz war seinerzeit die Maria Pomerana, die sich der Legende nach in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts dort gezeigt habe. Auch eiserne Kanonen- und bleierne Musketenkugeln kamen ans Tageslicht, ebenso ein 72 Millimeter langer Armbrustbolzen, Schnallenrahmen, Knöpfe, Keramik, eine Warenplombe aus Blei sowie mehrere Münzen, wie zum Beispiel ein 48-tel Silbertaler aus Schwedisch-Pommern von 1763 und eine preußische 2-Pfennig-Kupfermünze von 1821.
Sämtliche Fundstücke lagern laut Kaute in Schwerin. Das Interesse der Wolgaster an ihrem geschichtlichen Erbe ist groß. Wenn in der Vergangenheit nach dem Abschluss und erfolgter wissenschaftlicher Auswertung die Ergebnisse von Grabungsprojekten in der Stadt öffentlich vorgestellt wurden, kam jedesmal zahlreiches Publikum. Das wäre sicher auch diesmal wieder der Fall.
Wolgast: Grober Umgang mit steinernem Erbe
Exkursion in das herzogliche Wolgast
Tom Schröter