Auf den Spuren Fontanes in Swinemünde
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Das Hotel „Drei Kronen“, der frühere Olthoffsche Gasthof, um 1900
© Quelle: Archiv Erwin Rosenthal
Vorpommern. In Jahre 2019 feiern wir den 200. Geburtstag Theodor Fontanes. Das Land Brandenburg plant unter dem Motto „fontane.200“ ein ganzes Theodor-Fontane-Jahr. Mit seinem mehrbändigen Werk „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ hat der Schriftsteller dem Land ein literarisches Denkmal gesetzt und damit dessen Identität geprägt wie kein anderer Autor. Auch mit seinen Bestsellern „Frau Jenny Treibel“, „Der Stechlin“ und dem bereits dreimal verfilmten Roman „Effi Briest“ schrieb Fontane Literaturgeschichte. Mitnichten bleibt Fontane ein Schriftsteller Brandenburgs. Vielmehr gilt sein Werk als literarischer Spiegel Preußens. Auch die Pommern haben allen Grund zum Feiern. Es überrascht nicht, dass Fontane bei der Beschreibung des in der Märkischen Schweiz gelegenen kleinen Tornowsee den Vergleich mit dem Jordansee auf der Insel Wollin sucht: „Das Wasser ist schwarz, dunkle Baumgruppen schließen es ein, breite Teichrosenblätter bilden einen Uferkranz und die Oberfläche bleibt spiegelglatt, auch wenn der Wind durch die Bäume zieht“, schreibt er über den See in Brandenburg. Und er fügt hinzu, dass der Jordansee auf der Insel Wollin der vielleicht schönste derartige See im nördlichen Deutschland ist. In seinem Buch „Meine Kinderjahre“ beschreibt Fontane anschaulich seine Kindheit in Swinemünde, wo sein Vater, Louis Henri Fontane, die Adler-Apotheke gekauft hatte. „Swinemünde war, als wir Sommer 1827 dort einzogen, ein unschönes Nest, aber zugleich ein Ort von besonderem Reiz. Wählte man als Beobachtungsposten den Kirchenplatz, zu dessen einschließenden Häusern auch unsere Apotheke gehörte, so ließ sich, obschon hier die Hauptstraße vorüberführte, wenig Gutes sagen, gab man aber die Innenstadt auf und begab sich an den ‚Strom‘, wie die Swine genannt wurde, so verkehrte sich die bis dahin ungünstige Meinung in ihr Gegenteil.“ Zunächst besuchte Fontane die Swinemünder Schule. Als seine Mutter, die einige Monate später anreiste, ihren Sohn gemeinsam mit den „Holzpantoffeljungen“ aus der Schule kommen sah, meldete sie ihn unverzüglich ab. Den Unterricht übernahmen nun zunächst die Eltern. Sie konnten nicht ahnen, dass ab 1924 das Swinemünder Oberlyzeum den Namen Fontane-Schule tragen würde.
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Die Adler-Apotheke in Swinemünde um 1890
© Quelle: Archiv Erwin Rosenthal
Sehr ausführlich berichtet Fontane über ein Ereignis im April 1827: Um seine Spielschulden zu begleichen, hatte der Leichterschiffer und Kleinhändler Mohr gemeinsam mit seiner Ehefrau die Witwe Wergin (bei Fontane Lassahn) und deren Nichte ermordet und beraubt. Nach ihrer Festnahme warteten die Delinquenten im Rathauskeller in Ketten auf ihre Hinrichtung. Als das Ehepaar ein Jahr später unter dem Gefolge der Bürgerschaft zur Exekution in die Nähe von Ahlbeck geführt wurde, marschierte Vater Fontane als großer stattlicher Mann und 1813er an der Spitze der Bürgerschaft. Als Ratsherr war ihm das Kommando über die Hinrichtung übertragen worden. Seinen Kopf zierte ein mit einer Feder geschmückter Hut, an seiner Seite prangte - wie seinerzeit bei Offizieren üblich - ein großer Krummsäbel. Seine Aufgabe war es, das Schafott mit seinen Leuten kreisförmig zu umstellen. Jeder Swinemünder kannte später die recht lange Moritat vom Mörder Mohr. Ihr Anfang: „Sechzehn Verse will ich dichten von zwei großen Bösewichten, eine Frau mit ihrem Mann, die einen großen Mord begann.“ Das Haus am Rathausplatz, in dem der Mord geschehen war, erfüllte den neunjährigen Fontane stets mit einer gewissen Scheu. Auch jene ferne Stätte, an der Mohr und seine Frau hingerichtet und eingescharrt worden waren, ließ ihn erschauern. Später wich das Grab dem Swinemünder Sportplatz. Es gilt als sicher, dass Mohrs Schicksal in „Effi Briest“ in Form der Geschichte vom Grab des Chinesen Eingang gefunden hat. Innstetten hatte diese Spukgeschichte bewusst als „Erziehungsmittel“ für Effi eingesetzt. Auch der Schotte MacDonald, der die Swine mit seinem von einer englischen Dampfmaschine getriebenen Bagger vertiefte und dabei von Theodor Fontane bewundert wurde, findet nicht nur in die Kindheitserinnerungen Eingang, sondern auch in „Effi Briest“. Erinnerungen weckten bei Fontane auch das Gesellschaftshaus und der Olthoffsche Gasthof. Das Gesellschaftshaus war das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens für die Badegäste, denn das Kurviertel gab es zu dieser Zeit noch nicht. Vater Fontane zog vor allem ein naher kleiner Pavillon an, in dem ein ausgedienter Major in einem tadellos sitzenden blauen Frack „eine kleine Bank auflegte“. Fontane berichtet, dass vielleicht keiner hier öfter zu Stelle war als sein Vater.
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Das Swinemünder Rathaus, in dessen Keller das Ehepaar Mohr in Ketten lag.
© Quelle: Erwin Rosenthal
Im Unterschied zum Gesellschaftshaus existiert das Hotel Drei Kronen - am Rathausplatz gelegen - noch heute, allerdings fehlt der polygonale Eckturm. Es handelt sich bei dem Hotel um den mehrfach umgebauten früheren Olthoffschen Gasthof, den Fontane Ressourcensaal genannt hatte. In dem Gasthof hatte er als 14jähriger Junge „angethan mit einem blauen Bastard von Frack und Jacke“ getanzt. Von den Honoratioren der Stadt beeindruckte Fontane insbesondere der Geheime Kommerzienrat und Senator Friedrich Wilhelm Krause. Man nannte ihn wegen seines Reichtums auch den König von Swinemünde. Fontane, der mit dem Sohn Krauses befreundet war, bestaunte die große Bibliothek sowie das physikalische Kabinett und das chemische Laboratorium des bildungshungrigen Senators. In dem in Kessin (Swinemünde) spielenden Teil von „Effi Briest“ findet der Leser zahlreiche Namen von Swinemünder Honoratioren, so etwa Thomson, Utpatel, Fleming, Grützmacher, Hannemann, Kirstein, Hoppensack, Fraude und Gadebusch. Hingegen trägt der Sekundant des Majors Crampas, Buddenbrook, einen ortsfremden Namen. Ganz offensichtlich hat Thomas Mann, der Fontane sehr schätzte diesen Namen für seinen großen Gesellschaftsroman übernommen.
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Die Gedenktafel für Fontane in Swinemünde. Jozef Pluciński hat sie dort anbringen lassen, wo früher die Adler-Apotheke stand, die 1955 abgerissen wurde.
© Quelle: Erwin Rosenthal
Als Wohnung Innstettens hatte Fontane das Haus des Swinemünder Landrates Flemming ausgewählt, Hauptmann Crampas wohnte gegenüber im Haus des Bürgermeisters. Die Ausritte Effis mit dem Major führten auch an den Gothensee und den Schloonsee (bei Heringsdorf bzw. Bansin). Vineta - der Sage nach vor Koserow versunken - kommt im Buch ebenso vor wie Saßnitz und der Herthasee mit seinen Opfersteinen. Der Ortskundige errät sehr schnell den Ort des Duells: Der Weg dorthin führte Innstetten durch die Plantage (den Kurpark) vorbei an seiner alten Wohnung, der Mole und dem Herrenbad und schließlich zu einer Senke zwischen den ersten beiden Dünenreihen westlich der Kessine (Swine). Weiter heißt es: „Innstetten und Wüllersdorf gingen die Sandschlucht hinauf, Buddenbrook kam ihnen entgegen. Man begrüßte sich, worauf beide Sekundanten beiseite traten, um noch ein kurzes sachliches Gespräch zu führen. Es lief darauf hinaus, daß man à tempo avancieren und auf zehn Schritt Distanz feuern solle. Dann kehrte Buddenbrook an seinen Platz zurück; alles erledigte sich rasch; und die Schüsse fielen. Crampas stürzte“. Innstetten war nun kein Hahnrei mehr, sondern wieder ein Mann von Ehre.
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Am Jordansee weilte Fontane mehrmals. Mit einer kleinen, über eine Brücke erreichbaren Insel, einer Gaststätte und dem nahen Forsthaus war der See, der heute zum Nationalpark Wollin gehört, früher ein beliebtes Ausflugsziel. Heute ist er Teil eines eingezäunten Ferienobjekt
© Quelle: Erwin Rosenthal
Erwin Rosenthal
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