Via Baltica in Vorpommern: Ehepaar baut alten Heuboden zur Pilger-Herberge um
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Frisch ausgebaut und renoviert: Pilger, Wanderer oder Radtouristenkönnen jetzt zu jeder Jahreszeit in der Herberge „Alter Heuboden Jager“ einkehren.
© Quelle: Christin Assmann
Jager. Wo früher die Hähne krähten, sollen sich jetzt Urlaubsgäste erholen. Aus einem alten Heuboden in Jager (Landkreis Vorpommern-Rügen) ist eine frische renovierte Herberge mit Einzel- und Doppelschlafkojen, Badezimmern und Küche mit Aufenthaltsraum geworden.
Barrierefrei, denn nicht nur auf dem früheren Heuboden können Gäste ihr Lager aufschlagen, auch im Erdgeschoss gibt es eine Kabine, in der genächtigt werden kann. „Heizung, Anschlüsse, Strom, Toiletten und mehr – das war schon viel Arbeit. Es war nicht geplant, dass die ganze Vorderseite des Gebäudes ersetzt werden muss. Die Überraschung zeigte sich erst später“, erzählt Herbergs-Betreiberin Sabine Petters.
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Seit 2019 bieten Olaf und Sabine Petters Pilgern einen Unterschlupf am Pilgerweg Via Baltica. Vor dem Umbau stand lediglich ein Schlafraum zur Verfügung. Eine Ferienwohnung wäre auch eine Alternative gewesen. Doch „die Herberge ist das ganze Jahr geöffnet, und die Gäste können auch im Winter Leute hier bleiben und mit Küche und Bad autark für sich sein.“ Wie die Eintragungen im Gästebuch zeigen, besteht Bedarf zu allen Jahreszeiten.
Die Via Baltica ist dem Ehepaar gut bekannt. In mehreren Etappen hat das Paar die Route bereits bis nach Wildeshausen hinter Bremen absolviert. „Für mich ist es besonders, dass wir als Paar zusammen pilgern können. Wir haben ein ähnliches Schritttempo, wir können zusammen schweigen und zusammen ausbaden, wenn wir den falschen Weg gegangen sind“, sagt Sabine Petters.
Vor der Haustür – die Via Baltica
Die Via Baltica, auch der Baltisch-Westfälische Weg genannt, ist die nördlichste und längste Ost-West-Verbindung im deutschen Jakobswegenetz. Der Weg beginnt auf der Insel Usedom an der Grenze von Polen und Deutschland zwischen Swinemünde und Kamminke. Er führt durch die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen, wo die Reise auf den westfälischen Jakobswegen nach Santiago de Compostela in Spanien fortgesetzt werden könnte.
Gemeinsam entschloss sich das Paar nun, Gleichgesinnten einen Platz zu bieten. „Wir waren ja selbst immer Gäste in Pilgerherbergen und nun liegen wir ja an der Via Baltica. Da haben wir gedacht, es wäre doch eigentlich schön, wenn wir auch Pilger aufnehmen könnten“, erinnert sich Sabine Petters. Komfortabel und gemütlich sollte es sein und nicht mit der Iso-Matte auf dem harten Boden. „Eine Matratze ist immer gut. Und ein Kissen hat einen ganz besonderen Wert, wenn man als Pilger nur mit Schlafsack unterwegs ist. Bei uns bekommt das jeder Gast für die Nacht.“
Nicht mehr nur eine Unterkunft für Pilger
Dabei soll die einzige Herberge dieser Art zwischen Grimmen und Greifswald künftig nicht nur Pilger beherbergen. Auch Wanderer oder Fahrradtouristen, die beispielsweise den europäischen Fernwanderweg von Portugal an der Küste bis ins Baltikum erkunden, kommen ebenfalls an der Kapelle Jager vorbei. „Wann ist man ein Pilger? Das ist sehr individuell und jeder kann das für sich bestimmen und festlegen“, erklärt die Wegpatin und Koordinatorin für die Via Baltica, die ebenfalls aktiv ist bei der Ökumenische Pilgerinitiative Vorpommern.
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Fast geschafft - am 1. April wird der neue „Alte Heuboden Jager“ nach umfangreichen Ausbau eingeweiht. Bis dahin haben Sabine und Ehemann Olaf Petters noch Zeit für die letzten Arbeiten
© Quelle: Christin Assmann
Das Feedback der Probeschläfer in der neuen Herberge in Jager war durchgängig gut. Die Saison kann also starten. Am kommenden Sonnabend, dem 1. April, wird die Pilger-Unterkunft mit einer Andacht von Marion von Brechan, Referentin Tourismuspastoral, feierlich eröffnet. „Den Segen wollen wir von der Kapelle in Jager bis zur Herberge und hinaus in die Welt tragen. Im Anschluss wird zusammen gegessen“, verrät sie.
Denn auch das Spirituelle gehört zum Pilgern dazu oder wie Sabine Petters meint: „Beten mit den Füßen. Das ist für mich eine andere Dimension der Sehnsucht nach Meditation und Stille in mir. Auch loszulassen und zu erfahren, was man zurücklässt und die Erwartungen fallen zu lassen und offen zu sein für Wunder und die Erfahrung, die auf jeden zukommt.“
Für das Paar aus Jager war der Weg selbst eine „geniale Erfahrung. Das was Pilgern bewirken kann – einen Perspektivwechsel, das kann man hier vor der Haustür krass erleben.“ Und genau dort beginnt das Pilgern ja bekanntlich.
OZ