Bergen gestern & heute

Von Zünften und Zunftzeichen – Teil 2

Haus des Korbmachermeisters Wolle in der Bahnhofstraße, erbaut Anfang 20. Jahrhundert mit Jugendstilelementen.

Haus des Korbmachermeisters Wolle in der Bahnhofstraße, erbaut Anfang 20. Jahrhundert mit Jugendstilelementen.

Bergen. Bergen leistete sich zu dieser Zeit ein städtisches „deutschnationales Museum“ im 2. Rathaus am Markt. Die Stadt kaufte die Insignien, wie den großen Willkommen und die Innungspokale für 50 Mark und stellte sie im damaligen Museum aus. Über eine eigenständige Innungszugehörigkeit der „Schlächter“ zu Bergen ist nichts bekannt. Von den vier Schlächtern gibt es zu berichten, dass sie um 1500 ihr Schlachtvieh nur auf dem Bergener Markt oder außerhalb des Bergener Kirchspiels aufkaufen durften. Um 1550 gab die Gesetzgebung, der wendisch-rügensche Landgebrauch, Auskunft, „dass es in Bergen erer viele gab und se dhon sich und der Meinheit Schaden”. Über die Existenz einer Bergener Schmiedeinnung gab es bereits im 16. Jahrhundert Nachricht. Auch hier vernichtete ein Stadtbrand 1621 die Zunftlade samt Inhalt. Eine neue Amtsrolle wurde ihnen am 14. Juni 1626 durch Herzog Bogislaw XIV. bestätigt, nachdem zehn Meister diese ins Werk gesetzt hatten. Sie stifteten ihrer Kirche einen großen Leuchter aus Messing. Ein Schild benennt die Stifter und die Rückseite ziert das Wappen der Innung. So offenbart sich St. Marien nicht nur als ein Gotteshaus, sondern durch die Stiftungen der einzelnen Zünfte über die Jahrhunderte lebt das Handwerk und das Zunftwesen hier weiter. Viele Menschen des 21. Jahrhunderts erfreuen sich an diesen Kunstwerken aber sie erkennen die symbolische Kraft und Aussage dieser Zeitzeugnisse nicht mehr.

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Seit 1647 existierte die Zunft der Brauer

In einer Bestätigungsrolle von 1665 wurde die Innung als „vereinigte Schmiede- und Schlosserinnung“ geführt. Neben den Kaufleuten gab es in Bergen die Kleinkaufleute oder auch Krämer genannt. Diese haben sich wohl im 17. Jahrhundert zu einer eigenen Innung zusammengeschlossen. Aus dem Jahre 1621 ist uns folgendes Geschehen bekannt: Einige der Innungsmitglieder reisten zur Messe nach Leipzig. Sie kauften dort Ware ein und trafen am 7. Mai wieder in Stralsund ein. Da sie ihre Waren hier nicht verzollten, wurden die Bergener Kaufleute durch den Zöllner und Brüggenkiper daselbst arretiert. Der Bürgermeister legte dagegen Protest ein. Wie dieses Geschehen endete, wurde nicht schriftlich festgehalten. Jedoch kann angenommen werden, dass nach Zahlung einer Summe X die Bergener wieder daheim gelandet sind. Bierbrauereien hatten stets ein gutes Fundament. Schließlich war über Jahrhunderte Bier reiner als Wasser! Braugerechtigkeit gab es ebenfalls in Bergen. 1540 sprach man von vier Braupfannen und Brauwerken. Seit 1647 existierte die Zunft der Brauer. Es wirtschafteten 14 Brauhäuser. Eine angedachte Reduzierung auf 10 brachte jedoch einer Vermehrung auf 16 Brauereien. Bereits 1627 approbierte der Magistrat die Amtsrolle und diese wurde 1681 und nochmals 1725 bestätigt.

Bäckerzunft seit 1613

Nach 1613 gründete sich die Bäckerzunft in Bergen. Die Amtsrolle bestätigte Herzog Bogislaw XIV. am 18.August 1630. 1632 führte die Zunft Klage, da sich durch kaiserliche Einquartierungen Einwohner dazu aufgeschwungen hätten für diese zu backen und dieses nach deren Abzug weiter gewerblich betrieben. Die Bäcker nannten sie „Plickbäcker“ und hier fand besondere Erwähnung ein Bartholomäus Witten. Aus dem Jahre 1611 war Adam Gampe der erste namentlich bekannte Bergener Goldschmied . Schon der Landvogt Matthäus von Normann beklagte 1540 den Zustand im rügenschen Handwerk und besonders in Bergen. Es gäbe viel zu viele Amtsleute mehr als ihnen gut ist. „Die jungen Meister werden, wenn sie ins Amt kommen wollen über alles Maß beschnitten, wenn sie aber im Amte sind legen sie sich so viele Högen( Antrittsschmausereien) und andere Unkostigen auf, dass sie nichts übrig behalten, nicht einmal die für die Arbeit nötige Zeit“.

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Die Entwicklung zum Ackerbürgerstädtchen vollzog sich von der Taberne auf Gora, über das Forum Prizipale, Villa Montis, über Berghe bis zu unserem heutigen Bergen. Vergessen wollen wir nicht die slawische Fischersiedlung Gora (trübes Wasser) an der Sohle des Berges. Während die Handwerker der Bauhütte der Jaromarschen Palastkirche ab 1170 ständig vor Ort wirkten, siedelten sich nach und nach Handwerker und Kaufleute um den Marktflecken an. Grund und Boden mussten sie vom Kloster käuflich erwerben oder pachten. Ebenso lag die niedere Rechtssprechung beim Kloster. Es ist bekannt, dass beim Hausverkauf eine Auflassungsgebühr von vier Mark sundischer Prägung an das Kloster fällig wurde. Der Konvent hatte reichliche Einnahmen durch zahlreiche Abgaben der Bürger. So entwickelte sich am frühmittelalterlichen Krug das sogenannte Koophus der Gewandschneider und Tuchhändler. Die erste urkundliche Erwähnung dieses Gewerkes stammt von 1408. Wohl die schwindende fürstliche Macht führte zum Machtgewinn des Klosters zu Bergen, das sich viele Rechte erwarb. Das bezeugten die zahlreichen Zunftprivilegien durch das Kloster. Die Bergener Zünfte fanden Anerkennung gerade durch die starken Stralsunder Zünfte und es bildete sich eine Zunftverwandtschaft. Belegt ist, dass sich die Bergener Schuhmacher 1533 in Wismar den Beschlüssen der sechs wendischen Städte über das Halten von Gesellen anschloss.

Es gab drei Bergener Jahrmärkte

Dass Bergen eine selbstbewusste Handwerkerschaft besaß, bescheinigte bereits der Stralsunder Chronist Thomas von Kantzow (1505 –1542) : „Rügen hat etzliche offene flecke, unter welchen das fürnehmiste Bergen ist, das doch nicht über drei oder vierhundert bürger hat...“. Im Wendisch – Rügianischen Landgebrauch fand die Bergener Schützengilde „De Schütting“ Erwähnung. Diese existierte bereits im 16. Jahrhundert und wurde durch die wehrhaften Zünfte gefördert, deren Handwerker selbst Mitglieder waren.

Wir wissen heute von drei Bergener Jahrmärkten, die großen Zulauf fanden die sogenannten „Kerckmissen – Dage“. Sie fanden zu Palmavendt, Pfingstavend und Nativitatis Mariä im Herveste statt. Tragende Bedeutung für die Zünfte hatte die Zunftlade. Sie war das zu beschützende Heiligtum. In ihr wurden alle wichtigen Dokumente und Siegel aufbewahrt. Vor geöffneter Zunftlade wurden Lehrlinge angenommen, Gesellen freigesprochen und Meister erhoben. Erworbene Fertigkeiten und anvertraute Geheimnisse durften Unbefugten nicht weitererzählt werden. Mit dem Niedergang von Ritterschaft und Patriziertum bündelten die handwerklichen Zünfte, Bruderschaften oder Gilden ihre Kräfte bis hin zu den Wehren und eigenen Wappen.

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Wahlspruch hat Jahrhunderte überdauert

Dabei spielten die Schutzpartone eine wichtige Rolle. Es waren christliche Heilige, die die einzelnen Gewerke beschützten. Über allen stand Gottvater als Weltenbaumeister, oft mit dem Zirkel in der Hand dargestellt. Das Aufblühen des 3. Standes des freien Handwerks im 13. Jahrhundert fand seinen Höhepunkt im Schutz- und Trutzbund der Hanse. Erst mit der Industrialisierung und dem Aufweichen der Zwangs-Innungen verloren die Rituale ihre Bedeutung. Vielseitig haben Handwerk, Kaufmannschaft und Gastwirte unser Bergen geprägt. Und so ist es einfach würdevoll diesem Wirken ein Denkmal in der Bahnhofstraße, „Der Straße Zünfte“ zu setzten. Stellvertretend für die Vielzahl verschwundener und noch existierender Gewerke liegen hier die steinernen Zunftzeichen der Sattler, der Drechsler, der Schuhmacher, der Gewandschneider, der Steinmetze, der Kürschner, der Böttcher und der Bäcker für heute und zukünftige Generationen.

Lehrling ist jedermann! Geselle ist wer was kann! Meister ist wer was ersann! Dieser Wahlspruch hat die Jahrhunderte überdauert und symbolisiert Hierachie aber auch handwerklichen Beistand und Geschlossenheit.

Uwe Hinz

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