Dieser Rostocker Physiker plant das Kraftwerk der Zukunft
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Physiker Harald Weber, Uni Rostock, will das Kraftwerk der Zukunft bauen. Das sähe so aus wie das Rostocker Kohlekraftwerk – nur ohne Kühlturm.
© Quelle: Frank Söllner
Rostock. Innovation made in MV: Ein Wissenschaftler der Universität Rostock glaubt, die Antwort auf den wachsenden Energiehunger der Welt und die drohende Klimakrise gefunden zu haben. Prof. Harald Weber, Experte für Elektrische Energieversorgung, will ein Speicherkraftwerk auf Wasserstoffbasis schaffen, das die großen Kohlekraftwerke irgendwann entbehrlich machen könnte.
„Mit Wind und Solar allein kann man keine Energieversorgung erreichen“, sagt Weber. „Das Speicherkraftwerk wäre die Totalantwort.“ Das Besondere: Sein Kraftwerk könne erneuerbare Energien aus Wind und Sonne aufnehmen und den Wasserstoff-Speicher wieder aufladen.
Bislang ist dies das größte Problem bei der Nutzung regenerativer Energien. Zwar könnte MV theoretisch seinen Energiebedarf über Wind, Sonne und Biomasse bald decken. Laut Statistischem Amt wurden im Jahre 2017 rund 11,4 von 15,8 Terrawattstunden Energie aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt – gut 72 Prozent. Zum Vergleich: aus Steinkohle 19,6, aus Erdgas acht Prozent.
Pegel: Speicherung wichtigste Herausforderung für Energiewende
Doch bei Windflaute oder Bewölkung seien Kohlekraftwerke weiter unentbehrlich, sagen Experten. Bläst der Wind heftig in MV, mangelt es an Speicherkapazität für Energie, ein Überschuss geht verloren. "Die Möglichkeit, Energie zu speichern und in anderen Sektoren wie Mobilität oder Wärmegewinnung zu nutzen, ist eine der wichtigsten Herausforderungen, die es für ein Gelingen der Energiewende zu meistern gilt", sagt Energieminister Christian Pegel (SPD). In Schwerin fördert die Landesregierung den Ausbau eines Batteriespeichers des Energieversorgers Wemag. Gut, aber zu klein für das Gesamtproblem der Energieversorgung, so Weber.
Weber sitzt in seinem Büro Rostock und schwärmt von der Dampfmaschine von James Watt (1736 - 1819) aus dem 18. Jahrhundert, eine Erfindung, die die Welt verändert und die Bevölkerung rasant anwachsen lassen habe. Die Physiker sitzen in der Albert-Einstein-Straße – eine Adresse, die Anspruch formuliert.
Weber wirft mit einem Beamer einen Vortrag an die Wand, den er vor internationalen Experten gehalten hat. Darauf zu sehen sind die Kontinente bei Nacht. Nordamerika, Europa und Teile Asiens leuchten. Afrika und größtenteils Südamerika sind dunkel. Elektrische Energie sei der Lebenssaft der Menschheit. Die Nachfrage werde weiter steigen. Überall. Nur wie befriedigen, ohne Kohlekraftwerke, die das Klima schädliche Kohlendioxid in Massen verströmen und womöglich 2038 abgeschaltet werden? Und möglichst ohne Kernenergie, weil politisch so gewollt. „Wir sind abhängig geworden“, sagt der Physiker.
Wind und Sonne laden Wasserstoff-Speicher wieder auf
Weber arbeitet an einem Projekt, das regenerative Energie liefert und gleichzeitig speichert. In einigen Jahren könnte damit etwa das Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde/Lausitz ersetzt werden. Sein Kraftwerk brauche Wasserstoffspeicher, Brennstoffzelle, Batterie plus Super-Kondensator „und funktioniert auf leistungselektronischem Wege CO2-frei genau wie ein Kohlekraftwerk, welches aus Kohlehalde, Verbrennung, Dampfspeicher und rotierender Schwungmasse aus Turbine und Generator besteht“, erklärt der Physiker. Auf diese Weise sei Energieversorgung wie bei einem normalen Kraftwerk zu regeln, so Weber. Vorteil: Das Wasserstoff-Speicherkraftwerk lade bei einem Stromüberschuss aus Wind und Sonne seinen Wasserstoff-Speicher wieder auf.
Problem: Die Deutschen verbrauchten etwa 2500 Terrawattstunden Energie pro Jahr. Mit regenerativen Energien seien bei Vollausbau aber maximal 1000 abzudecken. Heißt: Für Strom würde es in Deutschland reichen, nicht aber auch noch für Wärme oder Verkehr. Ohne die Kohlekraftwerke wie etwa das in Rostock gehe es derzeit also nicht, so Weber. Gas und Öl werden in einigen Jahrzehnten aufgebraucht sein. „Wir brauchen Netzspeicherung daher sehr dringend.“
Weber verdeutlicht das Problem mit einer Grafik: In Spitzen erzeugen die Wasserkraft-, Wind- und Photovoltaikanlagen sogar mehr als den benötigten Strom in Deutschland, die meiste Zeit aber gelinge dies nicht annähernd. „Wir zahlen Frankreich dafür Geld, dass es uns unsere Energie abkauft“, so Weber. Das sei widersinnig. Ziel sei es, diese Lücke zu schließen. Der Überschuss müsse gespeichert und später verwendet werden.
Die Alternative: Alle Menschen müssten drastisch Energie sparen
Oder alle Menschen müssten drastisch Energie sparen. Wenn jeder nur noch ein Auto mit der Leistung eines Trabant führe, könnte die Energie reichen, verdeutlicht der Physiker. „Wir wollen aber ein größeres Rad drehen“, sagt Weber. Dabei blickt er auf eine Abbildung von Watts Dampfmaschine. Ein Kolben treibt ein Rad an, das Strom erzeugt. Immer noch eine geniale Idee, findet Weber. Er forscht an einem Kraftwerk mit riesiger Batterie, das Energie aus Wasserstoff bezieht – und dabei das Watt'sche Prinzip ausbaut. Geplant sei zunächst ein Prototyp von zehn Megawatt Leistung, später ein großes Kraftwerk.
Partner sei Technologie-Gigant Siemens. Das Unternehmen unterstütze „Real-Labore“, so Sprecher Alfons Benzinger. Diese böten die Möglichkeit, „unter realistischen Bedingungen bei der wissenschaftlichen Vorbereitung, der Errichtung und dem Betrieb von Anlagen, die für unser künftiges Energiesystem als möglich oder notwendig betrachtet werden, Erfahrungen zu sammeln“. Bei verschiedenen Projekten kooperierten Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen. „Siemens bringt seine Expertise nach inhaltlichen Schwerpunkten ein und arbeitet gleichermaßen mit allen Projektbeteiligten zusammen“, so Benzinger. Für weitere Informationen zum Speicherkraftwerk sei es noch zu früh.
Kraftwerk hat Vorteile bei Strom-Blackout
Auch die Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG), die die großen Braunkohle-Kraftwerke Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Boxberg betreibt, sitze mit im Boot. „Wir beteiligen uns an einer Machbarkeitsstudie“, sagt Unternehmenssprecher Steffen Herrmann. Standortoffen. Der Impuls dazu sei aus der Politik gekommen. Jörg Steinbach (SPD), Wirtschaftsminister des Landes Brandenburg, setzt auf den Bau eines Speicherkraftwerks. Dieses könne „einen echten Beitrag zur Energiewende leisten, denn da klemmt es ja gerade an fehlenden Speichern“. Auch andere Projekte sind dran am Energie-Thema der Zukunft.
Der Rostocker Physiker Weber sieht im Wasserstoff-Speicherkraftwerk auch die Antwort auf einen möglichen Strom-Blackout. Ein solches Werk wäre selbst in der Lage wieder hochzufahren, wenn der Strom flächendeckend ausfällt. In MV gebe es derzeit keinen überzeugenden Plan, wie das sonst zu leisten wäre. Das große Steinkohlekraftwerk in Rostock etwa könne dann nicht allein starten. Mit anderen Experten arbeitet Weber gerade an einem Konzept, wie über mehrere kleine Speicher im Land die Blackout-Folgen am besten abzufedern wären. Allerdings werde es nicht, wie erwartet, noch 2019 fertig sein.
Noch etwas treibt Prof. Harald Weber an. Die Weltbevölkerung sei kurz davor, die Mauer von acht Milliarden zu durchbrechen. Doch nur 14 Milliarden könne die Erde ernähren. Webers Expertise ist gefragt auch auf anderen Erdteilen, etwa in Indien. Der Energiehunger auf der Welt werde zu massiven Veränderungen kommen – so zu deutlich mehr Flüchtlingen aus Afrika gen Europa.
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Frank Pubantz