Digitale Teilhabe im Alter: „WLAN muss es in jeder Wohnung geben“

Immer mehr ältere Menschen nutzen mobile Endgeräte – doch vielen bleibt der Zugang zur digitalen Welt versperrt.

Immer mehr ältere Menschen nutzen mobile Endgeräte – doch vielen bleibt der Zugang zur digitalen Welt versperrt.

Immer mehr Menschen in Deutschland nutzen täglich das Internet. Das liegt mitunter auch daran, dass vor allem die ältere Generation vermehrt zu Smartphone, Tablet und Computer greift, wie die aktuelle Onlinestudie von ARD und ZDF zeigt. Der Kontakt zur Familie, eine Bestellung im Onlinehandel oder eine Telesprechstunde beim Hausarzt – digitale Teilhabe ist für ältere Menschen nicht erst seit der Corona-Krise ein wichtiges Thema. Und doch haben die Pandemie und resultierende Maßnahmen den Wunsch vieler Senioren nach einem Zugang zu digitalen Medien verstärkt. Denn gerade in Zeiten der Einsamkeit können Konferenzen, Videogespräche und Unterhaltungsangebote im Internet eine Alternative zu Alltagsaktivitäten schaffen, die aufgrund der Beschränkungen ausfallen mussten.

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Allerdings gibt es auf dem Weg ins Netz nach wie vor eine Vielzahl an Hürden zu überwinden. Neben einer entsprechenden Ausrüstung mit der benötigten Hardware, wird auch eine funktionierende Internetverbindung benötigt, die längst nicht in jedem Seniorenhaushalt gegeben ist. Wege aus der Einsamkeit heißt ein Verein, der dies ändern will und ältere Internetnutzer, auch Silver Surfer genannt, bei den Herausforderungen unterstützt. Die Vorsitzende Dagmar Hirche hat den Verein vor 13 Jahren gegründet, um ältere Menschen zu vernetzen. „Damals haben wir noch überhaupt nicht an Digitalisierung gedacht, das war gar kein Thema. Das Thema hat uns gefunden, weil wir gesehen haben, wie digital die Welt wird. Wir haben uns dann hingesetzt und überlegt, was wir im Kleinen tun können“, sagt Hirche im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

In Hamburg hat der Verein damit begonnen, analoge Schulungen und Gesprächsrunden für ältere Menschen zu veranstalten und ihnen das digitale Leben näherzubringen. Mit viel Geduld und Hingabe bringen die Ehrenamtlichen Interessierten bei, wie sie Ihre Einkäufe online erledigen, wie sie eine Webcam installieren oder an einer Videokonferenz teilnehmen. „Die Nachfrage hat uns wie ein ICE überrollt“, sagt Hirche.

Dagmar Hirche, Gründerin des Vereins Wege aus der Einsamkeit

Dagmar Hirche, Gründerin des Vereins Wege aus der Einsamkeit

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Sitzyoga und Spielerunden vor dem Bildschirm

Seit einigen Monaten finden die Gesprächsrunden nun vor allem digital statt, was den Verein zunächst vor neue Herausforderungen stellte. „Da ging der Ton nicht, da ging das Video nicht, alle haben sie durcheinandergeredet – das war das totale Chaos“, erzählt Hirche. Kurzfristig hat ihr Verein einen telefonischen Support eingerichtet, an den sich die Teilnehmer mit ihren Fragen wenden konnten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten wurde das Programm von vielen Menschen positiv angenommen. Täglich kam die Gruppe digital zusammen, gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern veranstalte Hirche Sitzyoga, Musikerlebnisse, Spielerunden und lud Gäste ein. Experten der Polizei informierten die Senioren über neueste Betrugsmaschen im Internet, eine Bank stellte ihr Onlineangebot vor und eine Krankenkasse lieferte Informationen zum Thema Gesundheitsapps und Telemedizin. Zusätzlich haben Dagmar Hirche und ihr Team Dutzende Youtube-Videos produziert, in denen sie über Bezahldienste, die Corona-Warn-App, Sicherheitsupdates und die Möglichkeit, online Lebensmittel zu bestellen, informieren.

„Aufgrund von Corona ist das Thema natürlich noch einmal viel wichtiger und relevanter geworden“, so Hirche. Lobend erwähnt sie auch das Angebot zahlreicher Theater, Museen und Konzerthäuser, die ihr Angebot ins Internet verlagert haben. Doch wer das Programm online verfolgen will, benötigt neben einem Endgerät auch eine geeignete Internetverbindung. Um Senioren nicht nur in Pandemiezeiten mit einem Zugang zur digitalen Welt zu versorgen, fordert Wege aus der Einsamkeit schon seit Längerem flächendeckendes WLAN in Altersheimen und Seniorenwohnanlangen.

Neun Millionen ältere Menschen ausgeschlossen

Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e. V. (BAGSO) ruft die Politik zum Handeln auf. „Wer Zugang zur digitalen Welt hat und sich darin kompetent bewegen kann, hatte auch während der Corona-Pandemie mehr Möglichkeiten, Kontakte aufrechtzuerhalten, Dinge des täglichen Bedarfs zu besorgen, gut informiert zu bleiben und zu Hause für Abwechslung zu sorgen“, heißt es in einem Positionspapier der Organisation. Doch noch immer seien rund neun Millionen ältere Menschen von den diesen Chancen der Digitalisierung ausgeschlossen. Vor allem Hochaltrige, Frauen, Alleinlebende, Menschen mit geringen finanziellen Mitteln, geringer Bildung oder mit Migrationshintergrund bleibe die digitale Teilhabe oftmals verwehrt.

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Die BAGSO fordert neben einer digitalen Grundversorgung in allen Wohnformen älterer Menschen auch flächendeckenden Breitbandausbau, die Bereitstellung von Internetanschlüssen und die Ausstattung einkommensschwacher Personen mit Geräten und Zugang zu Lerngelegenheiten und Ansprechpartnern. Auch sei es essentiell, entsprechende Kompetenzen zu fördern und niedrigschwellige Lern- und Übungsangebote für ältere Menschen bereitzustellen. In Anlehnung an den Digitalpakt Schule fordert die BAGSO einen Digitalpakt Alter.

Expertenbericht warnt vor digitaler Spaltung

Der achte Altersbericht der Bundesregierung rückt das Thema Digitalisierung ebenfalls in den Fokus. „Aufgrund der demografischen Entwicklung wird der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten deutlich steigen. Für diesen Personenkreis bieten der (bessere) Zugang zu digitalen Angeboten und die Kompetenz zu ihrer Nutzung besondere Chancen für mehr Teilhabe, Lebensqualität und Sicherheit“, heißt es in dem Bericht. „Die aktuelle Krisensituation hat deutlich gemacht, wie wichtig das Internet für Kommunikation, Austausch und Teilhabe ist. Die vielfältigen Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens erweisen sich als Testlauf für viele Anwendungen. Sie können der weiteren Technikentwicklung und der Motivation zur stärkeren Nutzung eine eigene Dynamik verleihen.“

Allerdings warnt der Bericht vor einer digitalen Spaltung. „Der Zugang zu und die Nutzung von digitalen Angeboten sind innerhalb der Gruppe der älteren Menschen je nach Bildungsstand und Einkommen ungleich verteilt – deutlich ungleicher als zwischen jüngeren Menschen“, heißt es. Bei der Vorstellung des Berichts forderte auch Familienministerin Franziska Giffey (SPD), dass die „digitale Kluft“, die in der älteren Generation herrsche, weiter abgebaut werde. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Seniorinnen und Senioren abgehängt werden, dass ihnen der Zugang zu digitalen Angeboten und damit auch zur Teilhabe versperrt ist.“

„WLAN wie Strom und Wasser“

Für Dagmar Hirche gibt es seit der Coronavirus-Pandemie ein weiteres Ziel, für das sie mit ihrer Arbeit einsteht: „Es muss WLAN wie Strom und Wasser in jeder Wohnung geben. Denn das Thema ist nicht nur bei den alten Menschen aufgetaucht, sondern auch in den Familien, die wenig Geld zur Verfügung haben. Sie haben zu Hause keine drei Laptops parat, an denen die Kinder parallel arbeiten können. Auch ausreichendes WLAN ist nicht immer verfügbar. Da muss die Regierung dringend was tun, wenn sie alles immer digitaler macht. Wenn Corona noch länger unser Leben bestimmen wird, wovon wir ausgehen müssen, dann müssen wir aber auch die technische Infrastruktur schaffen, dass Menschen digital teilnehmen können und nicht von anderen abhängig sind.“

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RND



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