Güstrow

Freiwild in Güstrow

Karen Larisch hat Strafanzeigen und Korrespondenz mit Polizei und Staatsanwaltschaft aufgehoben. Mehrfach gab es Angriffe auf die Linke-Politikerin, fast alle Ermittlungsverfahren sind jedoch eingestellt.

Karen Larisch hat Strafanzeigen und Korrespondenz mit Polizei und Staatsanwaltschaft aufgehoben. Mehrfach gab es Angriffe auf die Linke-Politikerin, fast alle Ermittlungsverfahren sind jedoch eingestellt.

Güstrow. Hat der Innenminister nicht die Wahrheit gesagt? Oder weiß er gar nicht, was in Sachen politisch motivierter Kriminalität im Land los ist? Karen Larisch (48) fordert Antworten. Sie will wissen, warum Lorenz Caffier (CDU) behauptet, es habe 2017 fast nur Anschläge auf Parteibüros der AfD gegeben. Nachdem sich Larisch darüber empörte, weil auch sie, die linke Landtagsabgeordnete aus Güstrow, Opfer politischer Gewalt wurde, hieß es aus dem Ministerium: Laut Statistik habe es „keine Straftaten zum Nachteil von Frau Larisch“ gegeben. Die Kritik der Linken sei „Falschbehauptung“ und „Begleitmusik“. Für Larisch ist klar: Dann stimmt die Statistik nicht. „Ich erwarte, dass der Minister mir erklärt, was hier abgeht.“

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Begleitmusik. Larisch kann es nicht fassen. Immer wieder murmelt sie das Wort, das ihr die Glaubwürdigkeit nimmt. Sie sitzt in der „Villa Kunterbündnis“ in Güstrow, einem soziokulturellen Zentrum, das sie selbst aufgebaut hat – vor sich einen Ordner mit Strafanzeigen. Nach den Äußerungen aus dem Ministerium fühle sie sich wie „Freiwild“. Denn seit Jahren wird sie aus der rechten Szene attackiert, bedroht, eingeschüchtert, beleidigt. Auch 2017. „Jetzt ist Schluss“, sagt die zierliche Frau trotzig. „So funktioniert es nicht.“

Karen Larisch ist in Güstrow so etwas wie die linke Reizfigur für die Neonaziszene. Die SPD-Landtagsfraktion hat ihr 2015 fürs Engagement gegen Rechtsextremismus den Johannes-Stelling-Preis verliehen. Larisch eckt an. Sie sagt, was sie denkt. Das sorgt für Spannungen – auch gegenüber Behörden. Und vielleicht fängt hier ein Teil der Erklärung dazu an, warum Minister Lorenz Caffier zur Kriminalitätsstatistik etwas vorträgt, das die Güstrower Realität nicht spiegelt. Denn ja, Larisch war 2017 Opfer politisch motivierter Gewalt. Am 1. Januar ging ein Sprengsatz an der Tür der Villa hoch. Sie sei vorher von einem Unbekannten dorthin gelotst worden. Larisch erstattete Strafanzeige wegen Sachbeschädigung und fahrlässiger Körperverletzung. Der Staatsschutz ermittelte. Ein Mitarbeiter fragte gar bei ihr an, ob er mit ihr über die erwähnten Morddrohungen reden könne, die sie erhalte (Anfrage liegt der OZ vor). Wenig später wird das Verfahren jedoch eingestellt. Von Körperverletzung oder Morddrohungen ist keine Rede mehr. Auch die Staatsanwaltschaft Rostock kennt nur das Thema Sachbeschädigung. Wird hier etwas vertuscht?

Kein Einzelfall, so Larisch. Sie legt mehrere Strafanzeigen aus früheren Jahren vor. Auch zum Anschlag auf ihr Wahlkreisbüro in der Nacht vom 5. zum 6. April 2017. Aufkleber und Hakenkreuze habe ihr Mitarbeiter damals entdeckt. Und den Schriftzug: „Wir kriegen euch“. Er erstattete Anzeige bei der Polizei. Im Juni kam die Nachricht: Einstellung des Verfahrens. Absender: Abteilung 4 der Kripo Rostock, Staatsschutz.

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Keine Straftaten? Das Innenministerium hat die Fälle nach OZ-Anfrage noch einmal untersucht. Der Anschlag auf das Wahlkreisbüro sei als extremistische Straftat eingestuft, sagt eine Sprecherin. Da es sich um ein Gemeinschaftsbüro der Linken handele, sei Larisch nicht als Betroffene erfasst. Der Sprengsatz an der Villa sei dagegen in der Kategorie Silvester-Knallerei eingeordnet. „Ich fasse es nicht“, reagiert Larisch.

So recht mag sie nicht daran glauben, dass sich etwas ändert. In Vorjahren sei auch ihre Tochter bedroht worden, Unbekannte seien in die Villa eingebrochen. Dort habe sie das Handy eines Güstrower Neonazis gefunden. Es gibt noch viele Fälle mehr. „Ich fühle mich nicht geschützt“, so Larisch. Auch andere Kritiker zweifeln die Statistik zur politisch motivierten Gewalt im Land an. Der Verein Lobbi, eine Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, zählte im Vorjahr 109 Angriffe – das Ministerium 84.

Pubantz Frank

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