TV-Doku zeigt: So verschmutzen Kreuzfahrtschiffe die Luft in Warnemünde
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Fünffach-Anlauf in Warnemünde Mitte Juli 2019: Auf der Ostsee vor Warnemünde nehmen die Kreuzfahrtschiffe "Costa Favolosa" (l-r), "Viking Sea" und "Aidamar" Kurs auf die Einfahrt zum Seekanal.
© Quelle: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/
Warnemünde/Hamburg. Die Kreuzfahrtbranche ist im Aufwind. Immer mehr Gäste wollen mit einem Kreuzfahrtschiff die Welt erkunden. Die Deutschen sind in Europa die Kreuzfahrtnation Nummer eins. Doch der Boom hat auch negative Folgen.
Die Schiffe stoßen Abgase aus und verschmutzen die Luft, klagen Anwohner in Hafenstädten. Wie gefährlich Stickoxide, Schwefel und vor allem der Ultrafeinstaub sind, hat die ARD in ihrer Doku "Dreckige Brise: Traumschiffe als Luftverschmutzer?" thematisiert.
Dreck der Schiffe lagert sich auf dem Balkon ab
Ein Protagonist des Films ist Jürgen Brandt, der eine Leidenschaft für Schiffe hat. Der ehemalige Elektroingenieur zog als Rentner an die Ostsee, genauer gesagt nach Warnemünde. Von seiner Wohnung aus kann er die Kreuzfahrtschiffe sogar beobachten. Doch die Begeisterung für die Meeresriesen hat mittlerweile nachgelassen. Denn dem Anwohner stinkt es. „Keine Spur von einer frischen Brise“, sagt er. Die Luftverschmutzung sei ein schleichender Prozess, meint er. „Es ist langfristig einfach unangenehm. Man bekommt Kopfschmerzen“, sagt er. Der Dreck der Schiffe setze sich zudem überall ab – er sei auch auf seinem Balkon sichtbar. In Hamburg arbeiten Anwohner mit den Naturschützern vom Nabu zusammen. Sie haben Messgeräte angebracht, trauen den Ergebnissen der Behörden nicht.
Bildergalerie: Alle Schiffe und Anläufe in MV im Jahr 2019
Feinstaub gelangt bis in die Blutbahn
Die Messverfahren kritisiert in dem ARD-Film auch Axel Friedrich, Experte für Luftverschmutzung und ehemaliger Abteilungsleiter im Umweltbundesamt. „Es wäre besser, die Anzahl der Partikel zu messen und nicht das Gewicht“, erklärt er. Denn gerade die besonders für den Menschen gefährlichen Ultrafeinstaubpartikel würden fast nichts wiegen. Sie setzten sich aber in der Lunge ab, könnten sogar in die Blutbahnen oder ins Gehirn gelangen. Sie können Entzündungen auslösen und die Gefahr von Asthma erhöhen.
Bei einer Messung in Warnemünde stellte Axel Friedrich Erschreckendes fest. Ende Mai registrierte sein Messgerät bis zu 85 000 der Partikel pro Kubikzentimeter Luft, als ein Kreuzfahrtschiff in den Hafen einfuhr. In der Fußgängerzone im Ort ergab das Gerät noch immer 43 000 Partikel pro Kubikzentimeter. Der Normalwert liege bei 1500. Der Feinstaub ist nur einer von mehreren Schadstoffen, die die Schiffe ausstoßen. Dazu gehören auch Kohlendioxid, Schwefel und Stickoxide.
Schadstoffe sind auch im Landesinneren messbar
Experten vom Helmholtz-Zentrum, wie Prof. Ralf Zimmermann, bestätigen die Beobachtungen von Axel Friedrich. Es müsse aber zwischen Umwelt- und Gesundheitseffekten unterschieden werden, so Zimmermann. Er und seine Mitarbeiter untersuchen am Institut in München und an der Uni Rostock die Auswirkungen der Schadstoffe auf die Gesundheit der Menschen. Die Emissionen sind nicht nur direkt in Wassernähe spür- und messbar – die Schadstoffe lassen sich auch weithin im Landesinneren nachweisen.
Reedereien wollen auf weniger schädliche Technik umrüsten
Die Reedereien reagieren auf die vermehrte Kritik und geben an, umzurüsten und vermehrt auf Umweltschutz zu achten. So wurden Filter, sogenannte Scrubber, eingebaut. Sie sollen den Schwefel aus den Abgasen herauswaschen. Der Schadstoff habe generell nur wenige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, so Zimmermann. Ob die Filter auch die anderen Ausstöße verringern, bleibt offen. Dazu kommt, dass es für den Ultrafeinstaub nicht einmal Grenzwerte für die Kreuzliner gebe.
Eine Alternative zu Schweröl und Diesel ist Flüssiggas. Hier ist Aida Cruises Vorreiter. Das Schiff Aida Nova kann mit herkömmlichem Kraftstoff, aber auch mit Flüssiggas betrieben werden. Doch nicht überall in den Häfen ist das verfügbar. So müssen Tankschiffe oftmals weite Strecken zurücklegen, um den Kreuzfahrtriesen zu versorgen.
Landstrom wird noch zu selten genutzt
Nicht nur während der Fahrt, auch im Hafen, stoßen die Schiffe Schadstoffe aus. Denn um den nötigen Strom zu erzeugen, wird ebenfalls Kraftstoff benötigt. Die Schiffe können in einigen Häfen auch auf Landstrom zurückgreifen. Doch das Angebot wird eher selten genutzt, wie die Recherche von ARD und NDR zeigt. In Hamburg wurde ein Terminal damit ausgestattet. Aida hat dieses genutzt – wenn auch nicht rund um die Uhr. 90 Prozent der Schiffe verzichteten aber lieber darauf. Ein Grund: Kraftstoff für die Stromproduktion zu verwenden, ist günstiger, als Landstrom einzukaufen.
Trotzdem ist den Häfen, Behörden, Reedereien und der Bundesregierung daran gelegen, die Luftverschmutzung zu reduzieren. In Rostock soll ein zweistelliger Millionenbetrag investiert werden, um in Warnemünde eine Landstromanlage für zwei Anleger einzurichten, sagt Rostocks Finanzsenator Chris Müller-von Wrycz Rekowski. Damit will die Hansestadt einen Anfang schaffen – ob die Reedereien den Landstrom aber nutzen, bleibt ihnen überlassen.
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Manuela Wilk
OZ