Fusion von ARD und ZDF? Eine populistische Luftnummer
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Eine medienpolitische Luftnummer: Fernsehmikrofone mit den Logos von ARD und ZDF.
© Quelle: picture alliance / Peter Kneffel/dpa
Die CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung hat einen staubigen Klassiker aus der medienpolitischen Mottenkiste geholt: Sie schlägt vor, ARD und ZDF zu fusionieren. Ein Sender für alle.
Dieser deutlich billigere Einheitskanal solle sich dann auf die angeblichen Kernaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konzentrieren: Information, Kultur und Bildung. Die Entlohnung der Führungskräfte solle dabei dem Modell des öffentlichen Dienstes folgen, weite Teile des Programms sollten den Privatsendern überlassen werden: Unterhaltung, Sport, Kinderfernsehen, Entertainment.
Es ist die alte Leier, die auch aus den Reihen der FDP immer mal hochblubbert und kurzfristig für Aufmerksamkeit und Abwehrreflexe sorgt: Warum braucht das Land zwei öffentlich-rechtliche Systeme? Warum sollen auch diejenigen bezahlen, die ARD und ZDF gar nicht nutzen? Warum leisten sich die öffentlichen Sender mehr als 70 Radioprogramme?
Auch Unterhaltung kann Bildung sein
Die Antwort lautet: Weil ein unabhängiger, von der breiten Gesellschaft kontrollierter, keiner politischen Richtung verpflichteter, möglichst pluralistischer und solidarisch finanzierter Rundfunk eine heilsame Wirkung auf das öffentliche Leben einer Demokratie hat.
Unter Gärtnern gibt es den Begriff des „Erziehungsschnitts“: Obstbäume werden radikal zusammengeschnitten, um die Wuchsrichtung in die gewünschte Form zu zwingen. Die Folgen eines solchen medialen „Erziehungsschnitts“ sind etwa in Italien zu betrachten: Tralalafernsehen, politische Aggressivierung, schwache Kontrolle des Staates.
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Laut gesetzlichem Auftrag dienen die Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio der Information, der Bildung, der Beratung und der Unterhaltung. Neben den Hauptprogrammen bieten die Sender zahlreiche Spartenprogramme an. Die Abkürzung ARD steht für „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“; sie wurde 1950 gegründet. Zu dieser Arbeitsgemeinschaft gehören heute neun selbstständige Landesrundfunkanstalten, die Programme in Fernsehen und Hörfunk sowie im Internet anbieten. Zehntes Mitglied der ARD ist der Auslandssender Deutsche Welle (DW). Das ZDF ist seit dem Sendebeginn am 1. April 1963 das zweite Fernsehprogramm. ARD und ZDF betreiben gemeinsam den Kinderkanal Kika und den Dokumentationskanal Phoenix sowie das deutschsprachige Fernsehkulturprogramm 3sat (mit Partnern aus der Schweiz und Österreich), das deutsch-französische Kulturprogramm Arte und das Onlineangebot funk für junge Hörer. Finanziert wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Wesentlichen durch einen monatlichen Rundfunkbeitrag. Grafik: Karen Losacker, Redaktion: Wolfgang Fink, Datenerhebung: Stand Ende 2020
© Quelle: dpa-infografik GmbH
Wer ernsthaft vorschlägt, das Feld der Unterhaltung den Privatsendern zu überlassen, hat entweder länger kein Privatfernsehen gesehen oder ist nicht in der Lage, familienfreundliche Shows von aggressivem Quatsch zu unterscheiden.
Und wer dem populären Irrtum unterliegt, der Auftrag von ARD und ZDF sehe nicht auch qualitative Unterhaltung vor, hat entweder den Rundfunkstaatsvertrag nicht gelesen oder ignoriert bewusst die Tatsache, dass auch Unterhaltung Bildung und auch Bildung Unterhaltung sein kann.
Es droht eine Verödung der Vielfalt
Tatsache ist, dass ARD und ZDF dringend reformbedürftig sind, dass sie allzu oft den grellen Formaten des Privatfernsehens hinterherhecheln, sich im Digitalen noch immer allzu rücksichtslos austoben und die bisherigen Spar- und Umgestaltungsbemühungen nicht genügen.
Tatsache ist aber auch, dass ein Zusammenlegen von ARD und ZDF die politische Kultur im Land und die Vielfalt der Stimmen radikal veröden würde. Man kommt nicht umhin anzunehmen, dass genau das das eigentliche Ziel ihrer schärfsten Kritiker ist.
Es ist dasselbe Horn, in das seit Jahren die AfD stößt. Prompt sekundierte AfD-Fraktionschef Alexander Gauland: Es sei gut, dass die Haltung der AfD zu ARD und ZDF „nun auch in den Reihen von CDU/CSU angekommen ist”, ließ er mitteilen.
Dabei geht es beim lauten Pöbeln und Poltern der politischen Holzhacker vom rechten Rand nur vordergründig um die „Zwangsgebühren“. In Wahrheit stört sich die Partei inhaltlich an Ton und Themen der redaktionellen Inhalte.
Es ist die alte Leier: Die linksgrünen Meinungsmacher unterdrückten Gegenpositionen, ein imaginärer „linker Mainstream“ dominiere die Berichterstattung, Alternativen würden „mundtot“ gemacht. Schon vor Jahrzehnten klagten Unionspolitiker über den „Rotfunk“ aus Mainz, Köln und Hamburg.
Wer so denkt, unterliegt gleich zwei Irrtümern: Er verwechselt „öffentlich-rechtlichen“ Rundfunk mit Staatsfunk und legitime Kritik mit Zensur.
Ein seltsames Verständnis von „Neutralität“
Der laute Schrei nach politischer „Neutralität“ kann nicht kaschieren, dass die AfD ein seltsames Verständnis von Neutralität hat: Was in ihrem Sinne ist, hält sie für politisch neutral und korrekt – jede Kritik aber verteufelt sie als politisch gefärbte Gegenpropaganda. Im Geheimen wünscht sie sich also, was sie in jedem missliebigen Kommentar vermutet: Zensur.
Es ist kein Zufall, dass Radikalmaßnahmen gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor allem in Ländern mit populistischen Regierungen Konjunktur haben. Boris Johnson will der BBC ans Leder, Donald Trump träumte von Pressezensur, Victor Orbàn gestaltet die ungarische Medienwelt in seinem Sinne um.
Es wäre ein fataler politischer Irrweg, wenn zunehmend auch Unionspolitiker sich derlei Unfug zu eigen machen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Vorstoß der Medienpolitiker aus der Mittelstandsunion, die das Kind mit dem Bade ausschütten wollen, eine Luftnummer bleiben wird.
ARD und ZDF müssen ernst machen mit der Reform
Aber: Es wird dringend Zeit, dass ARD und ZDF die Zeichen der Zeit erkennen und ernst machen mit der Reform ihrer selbst. Nicht nur, um ihren überdrehten Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sondern auch, um ihr Image als nimmersatte, von den Realitäten entkoppelte, sich selbst totverwaltende Medienbehörden zu korrigieren. Dafür braucht es aber keine billigen, von der AfD beklatschten Schnellschüsse.