Ungewöhnliches Stück Fernsehgeschichte

Skandale und Sendeverbote: Was ist eigentlich die Deutsche Welle?

Der Deutschen Welle droht die Abschaltung ihres Internetangebots in der Türkei.

Der Deutschen Welle droht die Abschaltung ihres Internetangebots in der Türkei.

Hannover. Ein deutscher TV-Sender sorgt regelmäßig für Schlagzeilen – und das, obwohl er vielen Deutschen möglicherweise völlig unbekannt ist. Die Rede ist vom Auslandsfernsehen der Bundesrepublik, der Deutschen Welle.

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Die aktuellsten Schlagzeilen kommen aus der Türkei: Die türkische Medienregulierungsbehörde RTÜK hatte den Sender am Montag aufgefordert, innerhalb von 72 Stunden eine Lizenz für das Onlineangebot dw.com zu beantragen. Andernfalls werde das Internetangebot im Land abgeschaltet.

DW-Intendant Peter Limbourg sieht in dem Schritt einen Versuch, die Berichterstattung des Senders in der Türkei zu behindern. „Nachdem die lokalen Medien in der Türkei bereits einer umfassenden Regulierung unterliegen, folgt nun der Versuch, internationale Medien in ihrer Berichterstattung einzuschränken“, so Limbourg in einer Stellungnahme.

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Entzug der Sendelizenzen in Russland

Es ist bereits der zweite große Schlag gegen die Arbeit der Deutschen Welle innerhalb nur weniger Wochen. Erst Anfang des Monats hatte Russland dem deutschen Auslandsfernsehen faktisch ein Sendeverbot erteilt.

Das russische Außenministerium in Moskau ordnete die Schließung des DW-Korrespondentenbüros in der Hauptstadt und den Entzug der Akkreditierungen der DW-Journalistinnen und -Journalisten an. Zudem wurden die Sendelizenzen für die TV-Kanäle der DW in Russland entzogen.

Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, verurteilte den Schritt scharf und wertete ihn als Gegenreaktion auf die Entscheidung der Landesmedienanstalten, die Verbreitung des russischen Staatssenders RT DE zu untersagen. Die Deutsche Welle hatte seit 2005 Sendelizenzen in Russland – nun wurde die Arbeit vor Ort von einem auf den anderen Tag eingestellt.

Sexismus und Antisemitismusvorwürfe

Aber auch im Inland sorgt das deutsche Auslandsfernsehen immer mal wieder für Schlagzeilen: Zuletzt wurden etwa Vorwürfe von Sexismus in eigenen Reihen laut, im Februar dieses Jahres trennte sich die DW nach Antisemitismusvorwürfen von fünf Mitarbeitern.

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Was steckt hinter dem Sender, der immer wieder für Diskussionen sorgt?

Tatsächlich handelt es sich bei der Deutschen Welle um ein echtes Stück deutscher Fernsehgeschichte – und ein ziemlich ungewöhnliches noch dazu.

Start als Radioprogramm

Gegründet wird die Anstalt bereits im Jahre 1953 – und hat damals bereits den selben Auftrag wie auch heute: Das Programm soll Deutschland im Ausland repräsentieren. Dies jedoch nicht als Werbekanal und als Sprachrohr der Bundesregierung – sondern mit den Mitteln des unabhängigen Journalismus.

Am 3. Mai 1953 um 11.30 Uhr begrüßt der Sender erstmals als Radioangebot auf Kurzwelle seine Hörerinnen und Hörer – auf Deutsch, Englisch und Französisch. Zunächst werden täglich drei Stunden Programm produziert, Nachrichten und Berichte aus dem Alltag werden untermalt von Musik von Tanz- und Unterhaltungsorchestern.

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Schon ein Jahr später wird das Programm der Deutschen Welle deutlich ausgeweitet: Fortan sind Radiosendungen in Spanisch, Portugiesisch, Englisch und Französisch zu hören. Bis 1975 wächst die Zahl der Sprachen gar auf 34 an, darunter sind auch Hindi, Urdu, Paschtu und Kisuaheli.

Internetangebot in 30 Sprachen

Die inhaltliche Verantwortung liegt zunächst beim Vorgänger von NDR und WDR, dem NWDR – später dann beim WDR. 1960 wird die Deutsche Welle schließlich zu einer eigenständigen Anstalt mit eigenem Intendanten.

Inzwischen sendet die Deutsche Welle nicht nur im Radio, sondern trimedial. Neben Fernsehsendern in deutscher, englischer, spanischer, und arabischer Sprache, die in vielen Ländern über Satellit empfangen werden können, ist das Internetportal dw.com in 30 Sprachen verfügbar. In der 69-jährigen Geschichte der Anstalt wurden über die Jahre immer wieder Neuausrichtungen durchgeführt. Ein Radioangebot in deutscher Sprache gibt es seit 2011 beispielsweise nicht mehr, während das Programm in anderen Sprachen deutlich ausgeweitet wurde.

Die in der deutschen Rundfunklandschaft einzigartige Aufgabe der Deutschen Welle ist derweil fest in einem Gesetz verankert, dem sogenannten Deutsche-Welle-Gesetz. Darin heißt es, der Sender habe die Aufgabe, „Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat zu vermitteln“.

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Vom Staat bezahlt, aber kein Staatsfunk

Die Deutsche Welle soll „deutschen und anderen Sichtweisen zu wesentlichen Themen vor allem der Politik, Kultur und Wirtschaft sowohl in Europa wie in anderen Kontinenten ein Forum geben mit dem Ziel, das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern“, heißt es weiter.

Zwar ist die Deutsche-Welle ein öffentlich-rechtliches Angebot – anders als ARD und ZDF wird sie aber nicht aus Rundfunkgebühren finanziert, sondern direkt aus Steuergeldern. Damit untersteht die Anstalt auch der Aufsicht durch die Bundesregierung, die über die Höhe des Etats entscheidet. Zugleich versteht sie das Programm als Instrument deutscher Außenpolitik.

Als Staatsfunk versteht der Sender seine Arbeit jedoch keineswegs. So wurde beispielsweise per Gesetz eine staatliche Fachaufsicht ausgeschlossen, um die journalistische Eigenständigkeit der Anstalt zu sichern. Die Politik hat demnach keinen direkten Einfluss auf die Inhalte der Redaktion.

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Ausgewogene Berichterstattung ist Pflicht

Paragraph 5 des Deutsche-Welle-Gesetztes verpflichtet den Sender zudem, eine unabhängige Meinungsbildung zu ermöglichen. Die Sendungen „dürfen nicht einseitig eine Partei oder sonstige politische Vereinigung, eine Religionsgemeinschaft, einen Berufsstand oder eine Interessengemeinschaft unterstützen“, heißt es da etwa. Zudem müsse die Berichterstattung „umfassend, wahrheitsgetreu und sachlich sein sowie in dem Bewusstsein erfolgen, dass die Sendungen der Deutschen Welle die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu ausländischen Staaten berühren“.

Auch im Konflikt mit Russland machte Intendant Peter Limbourg den Unterschied zwischen der Deutschen Welle und einem Staatssender wie etwa dem russischen RT deutlich: „Das eine ist ein staatsgelenkter Rundfunk aus Moskau (...) und wir sind eine öffentlich-rechtliche vom Staat unabhängige Sendeanstalt“, sagte er in einem Interview mit seinem eigenen Sender.

Auch die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, betonte in dem Zusammenhang, die Deutsche Welle sei staatsfern organisiert. Der deutsche Staat nehme keinen Einfluss auf die Programmgestaltung der Anstalt.

Immer wieder Attacken auf die Pressefreiheit

Attacken wie etwa aus Russland oder der Türkei sind für den deutschen Auslandsfunk derweil keine Seltenheit, sondern haben vielmehr eine lange Tradition. Schon im Kalten Krieg spielte der Sender eine wichtige Rolle. Seinerzeit galt das Programm bei vielen Osteuropäern als alternative Informationsquelle hinter dem Eisernen Vorhang. Nicht zuletzt deshalb wurde das russische Programm durch die sowjetische Staatsführung häufig massiv gestört oder zeitweise ganz abgeschaltet.

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Im Dezember 2009, zur Zeit der Proteste von Oppositionellen im Iran, wurde der auch von der Deutschen Welle genutzte Transponder auf Hotbird 8 durch einen Störsender gestört – offenbar um das Programm der Anstalt an der Verbreitung zu hindern. Der Satellitenbetreiber versuchte seinerzeit durch Hochfahren der Sendeleistung den störungsfreien Empfang zu ermöglichen – doch das Störsignal wurde daraufhin ebenfalls verstärkt.

Auch Konflikte mit der Türkei und Russland gab es bereits vor einigen Jahren. 2018 wurde mitunter der Deutschen Welle in einem 202 Seiten langen Bericht einer türkischen regierungsnahem Denkfabrik vorgeworfen, „regierungsfeindlich“ und einseitig zu berichten. Die Anstalt beschwerte sich über den Bericht bei der türkischen Regierung.

2019 beschwerte sich das russische Außenministerium über die Anstalt. Der Sender habe sich mit seinen Berichten über die Massenproteste in Moskau in die inneren Verhältnisse Russlands eingemischt, so die Vorwürfe. Der Sender wies das zurück.

Interne Konflikte und Skandale

Doch nicht nur im Ausland steht die Deutsche Welle gelegentlich im Fokus der Kritik. 2008 wurde hierzulande etwa die Chinaberichterstattung der Anstalt kritisiert. In einem Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hieß es damals, das chinesische Programm der Deutschen Welle wirke „als Vervielfältiger der Propaganda der chinesischen Führung“.

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Und auch intern hat die Anstalt immer wieder mit Skandalen zu kämpfen. In einem Bericht des britischen „Guardian“ erhoben Whistleblower im Frühjahr 2020 schwere Vorwürfe gegen die Deutsche Welle. Die Rede war von Rassismus, Mobbing und systematischer Unterdrückung von Kritik. Mitarbeiter, die die Zustände nicht hinnehmen wollten, seien ignoriert oder zum Schweigen gebracht worden.

Ein Mitarbeiter bezeichnete die Anstalt als „Sumpf“: „Die Probleme sind systemisch – sowohl auf journalistischer, politischer als auch auf menschlicher Ebene. Es gibt keine Möglichkeit, dieses System von innen zu reparieren.“ Die deutsche Regierung müsse Verantwortung übernehmen und untersuchen, was passiere. Die DW erklärte, dass die beschriebenen Fälle alle mindestens 18 Monate zurücklägen und der Sender in jedem Fall aktiv geworden sei. Die Verursacher der Vorfälle seien nicht mehr beschäftigt.

Antisemitismusvorwürfe in der Arabisch-Redaktion

Bereits 2019 war bekannt geworden, dass ein „Starmoderator“ des Senders Frauen sexuell bedrängt haben soll. Eine Gutachterin stellte fest: „Jenseits der geschilderten Übergriffe/Belästigungen scheinen arbeitsrechtliche Vorgaben missachtet zu werden, und es scheint sich eine Art ‚Parallelstruktur‘ entwickelt zu haben, die nach eigenen Regeln funktioniert, an den Vorgaben des Hauses vorbei.“ Diese Darstellung wurde von der Deutschen Welle bestritten.

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Im Februar 2022 trennte sich die Anstalt wegen Antisemitismusvorwürfen von fünf Mitarbeitern. Hintergrund war eine vom Sender angestoßene externe Untersuchung gegen einige Mitarbeiter der Arabisch-Redaktion sowie freischaffende Mitarbeiter der DW im Ausland. Zuvor hatte die „Süddeutschen Zeitung“ über Antisemitismusvorwürfe innerhalb der Redaktion berichtet.

Das Ergebnis der Untersuchung wurde später von Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und dem Psychologe Ahmad Mansour vorgestellt. Sie betonten, dass es sich um punktuelles Fehlverhalten gehandelt habe. Ein struktureller Antisemitismus in der arabischen Redaktion sei nicht festgestellt worden.

DW will gegen Türkei-Entscheidung vorgehen

Und nun also die Sache mit der Türkei. Die aktuellste Maßnahme gegen den deutschen Auslandsfunk stützt sich auf einen drei Jahre alten Erlass des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Dieser hatte seinerzeit der Medienbehörde RTÜK die Kompetenz erteilt, auch digitale Medien zu kontrollieren – nachdem die traditionellen Medien bereits größtenteils unter seiner Kontrolle waren.

Betroffen von dem Schritt sind auch zwei weitere Sender aus dem Ausland, Euronews und Voice of America. Würden die Stationen tatsächlich wie gewünscht eine Lizenz beantragen, würden sie Erdoğans Grenzen anerkennen – sie könnten damit nicht mehr über türkische Probleme wie etwa Menschenrechte oder die Wirtschaftskrise berichten.

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Dass das deutsche Auslandsfernsehen diesen Schritt gehen wird, ist unwahrscheinlich. DW-Intendant Peter Limbourg widersprach den Forderungen der türkischen Behörden entschlossen. Die Maßnahme gäbe den türkischen Behörden die Möglichkeit, aufgrund einzelner, kritischer Berichte das gesamte Angebot zu sperren, wenn diese Berichte nicht gelöscht würden. „Damit würde die Möglichkeit einer Zensur eröffnet. Wir werden dagegen Widerspruch einlegen und vor türkischen Gerichten den Rechtsweg beschreiten.“

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