Nimm den langen Weg zur Liebe! – Komödie „Sachertorte“ bei Amazon Prime Video
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Es braucht eine Wienerin, um eine Wienerin zu finden: Karl (Max Hubacher) und Miriam (Maeve Metelka) suchen beide die Liebe. Szene aus Tine Rogolls Film „Sachertorte“, der heute (18. November) bei Amazon Prime Video startet.
© Quelle: Amazon Prime Video
Wenn man in Berlin eine Currywurst isst, kann man zuweilen was erleben. Neulich etwa, dass sich der schottische Sänger Justin Currie vorm ersten Berliner Konzert seiner Band Del Amitri seit fast 20 Jahren beim Imbissstand Curry 36 am Mehringdamm tatsächlich für eine Currywurst anstellte. Der Quizfragenerfinder Karl nun trifft bei Konnopke unter der Hochbahn noch wen Unglaublicheren – die Liebe seines Lebens. Jedenfalls hält er die Wienerin Nini dafür, die sich nur noch mal kurz den Stadtteil Prenzlauer Berg anschauen will, dann in den Bus und zurück in die Heimat will.
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Aber gar zu gut scheinen sie zusammenzupassen, können sogar auswendig Ethan-Hawke-Julie-Delpy-Dialoge aus Richard Linklaters Wien-Lovestory „Before Sunrise“ aufsagen, Karls Lieblingsfilm. Als der Bus davonfährt, hat der wie vom Blitz Getroffene – ab jetzt wird man hier a bisserl arg dick bespoilert – ihre Telefonnummer im Display seines Handys blöderweise noch nicht abgespeichert. Sein Chef ruft an wegen neuer Quizfragen, schwuppdiwupp ist die Nummer verloren. Karl bekommt noch den Steward des Reisebusses dazu, eine Durchsage seiner Liebe in die Sitzreihen zu schicken, aber da hat Nini leider ihre Kopfhörer auf. Das einzige biografische Detail, das Karl von seiner Traumfrau hat, ist, dass sie jedes Jahr an ihrem Geburtstag um 15 Uhr im Wiener Hotel Sacher Kaffee und Kuchen goutiert.
Wenn man den Filmtitel „Sachertorte“ hört, dann fallen einem erst mal ganz alte Fernseh- und Kinonamen ein. Willy Birgel war 1939 in „Hotel Sacher“ in eine Spionagegeschichte im Ersten Weltkrieg verstrickt (böse Russen). Und Fritz Eckardt spielte in zwei Staffeln à 13 Folgen die Titelrolle in der ZDF-Serie „Hallo – Hotel Sacher … Portier!“ Ein öffentlich-rechtliches-Heidewitzka-Gefühl stellt sich ein – dass sich hinter dem Titel „Sachertorte“ nicht nur eine kalorienschwere Süßigkeit verbergen könnte, sondern auch ein ziemlich heimelig-träges, vielleicht sogar altbacken-langweiliges Filmereignis. Nun, da kann abgewunken werden – auch wenn es in die heimelige Richtung geht.
365 Tage Warten auf die Liebe - Karl ist ein Langstreckenromantiker
Ninis Geburtstagsdatum kennt Karl nicht. Deswegen fasst er einen Plan, den nur ein Extremromantiker ohne Arbeitsplatzbindung fassen kann. Täglich will er um 15 Uhr im Hotel Sacher aufschlagen und bei Melange und Sachertorte hoffen, dass Nini durch die Tür kommt – zur Not auch 365 Tage lang. Er trifft auf eine attraktive alte Dame (Krista Stadler), die ein Herz für aufrichtig Liebende hat und ihm fürderhin mit Rat, Tat und einem Smoking zur Seite steht.
Und er trifft auf einen ziemlich unwirschen Ober namens Schwartz (Karl Fischer), der ständig an dem mit österreichischen Begriffen und Manieren nicht vertrauten Deutschen herumkrittelt. Vor allem aber trifft er – auf der Suche nach WLAN – auf Miriam (die wunderbare Maeve Metelka), deren Hund Batschi er zufällig schon am Flughafen auf den Schwanz getreten ist. Zufälle gibt es hier einige, man muss sie im Dienste der Romantik zu Schicksal ernennen. Schon wird‘s dramatischer.
Die Komödie folgt einem gängigen Muster: Die Liebe wartet anderswo
Auch nicht allzu dramatisch. Nach ziemlich kurzer Zeit wird einem klar, dass hier alles auf „Der Spatz in der Hand ist besser als die verschwundene Taube“ hinausläuft. Natürlich ist Karl der Letzte, der rafft, dass die aparte Miriam, die mit ihm beharrlich auf die Suche nach Nini geht, mit der er im Prater und in der Oper und kreuz und quer durch Wien unterwegs ist, die eigentliche Lebensliebe ist. So schwer von Kapee ist der Piefke, dass der Knoten erst zu Weihnachten platzt und erst nach zahllosen Belehrungen, was Liebe alles ist und braucht („Man darf die Liebe nicht verpassen, wenn sie einem über den Weg läuft“).
Fast zu spät ist in deutschen Filmkomödien freilich niemals ganz zu spät. Am Ende läuft Karl im Trab seinem inzwischen mittelprächtig verstimmten Glück entgegen und man merkt, dass Regisseurin Tine Rogoll, langjährige Assistenzregisseurin von Detlev Buck (der hier einen Winzauftritt hat), offenbar gerne „Harry und Sally“ (1989) angeschaut hat. Harry lief damals auch, um seine Liebe noch rechtzeitig zum Jahresende einzufangen.
Warum können immer alle den kompletten Text eines Popsongs mitsingen?
Zwischenzeitlich hat man sich passabel unterhalten – trotz erlesen sinnfreier Sprüche wie „Es braucht eine Wienerin, um eine Wienerin zu finden“ und nerviger Hollywoodismen wie dem, dass jeder im Auto den Text eines Popsongs fehlerfrei mitsingen kann (in diesem Fall die Zeilen von „Show Me Heaven“, des fadsten Lieds von Maria McKee, der Sängerin der tollen US-Band Lone Justice).
Max Hubacher – er war der sehr eindrucksvolle Willi Herold in Robert Schwentkes KZ-Drama „Der Hauptmann“ (2017) – wandelt hier auf Matthias-Schweighöfer-Pfaden und arbeitet sich an klassischen romantischen Szenen ab: Balgerei im Schnee, Tränen bei „Tosca“, erstes Liebesgeständnis, das im Autolärm untergeht.
Dabei legen Rogoll und das Drehbuchduo Robin Getrost und Stephanie Leitl ihrem Helden eigentlich nur die eigene Begriffsstutzigkeit in den Weg. Jedes Problem löst sich in Wohlgefallen auf, jeder, den Karl trifft, will über kurz oder (im Fall des Grantlers Schwartz) lang nur sein Bestes, und selbst ein alternativer „love interest“ für Miriam, Karls WG-Mitbewohner Raul (Paul Basonga), erweist sich ganz schnell als nicht wirklich interessiert. Überhaupt sind alle Figuren Skizzen – außer Karl und Miriam und – dank Stadler – der alten Frau Fanny.
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Wie sich Karl dann am Ende doch noch in Miriams Herz schießt und ihr klar macht, wer sie für ihn ist? „Weil du bist du“, stammelt er auf einer Eisbahn, „das ist ansteckend. Mit dir bin ich nämlich auch ich. Wenn du mir ne Chance gibst …“
Das ist so herrlich balla, dass es schon wieder nett ist. Und da küsst sie ihn erst mal mitten im Satz, wohl um zu verhindern, dass dieser improvisierte Schmonz noch weitergeht und am Ende als vergeigteste Liebeserklärung der Filmgeschichte dasteht.
„Sachertorte“, Film, 112 Minuten, Regie: Tine Rogoll, mit Max Hubacher, Maeve Metelka, Krista Stadler, Karl Fischer, Samuel Koch, Sarah Elena Koch, Michaela Saba (ab November bei Amazon Prime Video)