Das Comeback von Thomas G. Hornauer

Wie ein Esoterikguru auf Tiktok zum Teeniestar wird

Der Tiktok-Kanal von Thomas G. Hornauer hat inzwischen mehr als 300.000 Followerinnen und Follower.

Der Tiktok-Kanal von Thomas G. Hornauer hat inzwischen mehr als 300.000 Followerinnen und Follower.

Hannover. Wenn „König Thomas“ seinen Livestream beginnt, ist die Tiktok-Community kaum noch zu halten. Mit quietsch­buntem, regen­bogen­farbenem T‑Shirt sitzt der 62‑Jährige an einem Keyboard, vor ihm ein Mikrofon, hinter ihm ein Gemälde, das eine verschnörkelte Sonne zeigt. Der Mann trägt einen langen Zottelbart, manchmal Turban, manchmal Headset, aber stets das quietschbunte Shirt. Er wirft sein Keyboard an, spielt einen Depeche-Mode-ähnlichen Synth-Wave-Beat – und beginnt dann zu singen.

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Sonderlich ausgefeilt sind die Lyrics des nun folgenden musikalischen Werkes nicht – aber sie reichen für einen handfesten Ohrwurm. „Telemedial, Telemedial, Telemedial, Kanal“ singt „König Thomas“ immer nur auf einem Akkord, während im Splitscreen auf der Plattform Tiktok mehrere junge Menschen zu seiner Musik tanzen. Sie schwingen zunächst das eine, dann das andere Bein nach oben.

„TAM Dance“ heißt die Choreographie, die sich „König Thomas“ offenbar selbst ausgedacht hat. Stundenlang geht das so, Tausende schauen zu, auch bekannte Tiktok-Influencerinnen und ‑Influencer tanzen eifrig mit.

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„König Thomas“ und seine Untertanen

Unzählige Livestreams dieser Art hat „König Thomas“ in den vergangenen Wochen abgehalten. Der Account des skurrilen Gurus hat inzwischen mehr als 300.000 Followerinnen und Follower, seine nicht minder bizarren Kurzvideos werden teilweise millionenfach angesehen. Darin läuft „König Thomas“ etwa an alten Burgen vorbei und grüßt seine Untertanen im „Vereinten Heiligen Deutschen Königreich“.

Die vorwiegend junge Tiktok-Community liebt das – und das ist auch nicht verwunderlich. Je lauter, je lustiger, je quietschiger Videos auf der chinesischen Plattform sind, desto erfolgreicher sind sie. „König Thomas“ ist so etwas wie die Opaversion von Kultstar Jeremy Fragrance – nur noch ein bisschen durchgeknallter. Niemand weiß genau, was das alles soll – aber witzig ist es. „König Thomas“ hat nicht nur seinen eigenen Tanz, sondern sogar einen eigenen Gruß für seine Gefolgschaft: „Herz 5“.

Und doch gibt es ein Problem mit diesem neuen Tiktok-Hype. „König Thomas“ ist nicht die ironische Kunstfigur, für die ihn die Community hält. Der gefeierte Guru hat eine fragwürdige Vergangenheit.

Hornauers Motivationsrede

Rückblick auf einen Tag, der ziemlich genau 20 Jahre zurück liegt. Es ist der 18. Februar 2003, in einem Redaktionsbüro an der Grönestraße im baden-württembergischen Ludwigsburg steigt ein Mann auf den Tisch. Er hat lange, blonde, zottelige Haare, trägt einen grauen Anzug und eine getönte Brille. Er wolle „Millionen verdienen“ brüllt der Mann euphorisch. Er wolle keine „zahmen Küken“ als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern lieber „wilde Krieger“. Schluss sei es nun mit der „Weichspülerei“, jetzt sei Zeit fürs „Läbe“, ruft der Mann in starkem schwäbischen Dialekt.

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Die umstehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirken verwundert – andere regelrecht eingeschüchtert, ehe die skurrile Gestalt sie mit einem lila Mikrofon bedrängt. Der bizarre Auftritt endet erneut in lautem Geschrei: „Wollt ihr scheiß viel Geld mit mir verdienen?“ Einige der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bejahen schließlich zaghaft.

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Das, was an diesem 18. Februar in den Räumen des Fernsehsenders B.TV passiert, ist der Beginn der Medienkarriere von Thomas G. Hornauer – heute auch bekannt als „König Thomas“ auf Tiktok. Reich geworden zunächst mit fragwürdiger Telefon­sex­werbung, kauft der damals 42‑Jährige 2003 für stolze 1,6 Millionen Euro den insolventen Regionalsender in Baden-Württemberg – und baut ihn in der folgenden Jahre zu seinem ganz eigenen esoterischen Medienimperium um.

Hornauer-TV‑Sender: „Ein medienpolitisches Desaster“

Schon von Anfang an sorgt das für Kritik – und das hängt nicht nur mit dem fragwürdigen Motivationsvideo aus den Büroräumen zusammen, das Hornauer selbst auf die Website seines Senders stellen lässt. Der „Spiegel“ berichtet im März 2003, Hornauer habe Kontakte zur Wankmillersekte in Füssen – einer Gemeinschaft von etwa 130 Anhängern, die mit eigener Zeitrechnung, Währung und kruder Philosophie von freier Liebe leben. Hornauer gibt lose Kontakte später selbst während einer Fernsehsendung zu.

Zudem kommt der damals 42‑Jährige mit anrüchigen Geschäfts­modellen zu Reichtum. Die 0190-Werbungen im Privatfernsehen sollen ihm eine absurd teure Villa mit angeblich beheizbarer Auffahrt und mehrere luxuriöse Autos beschert haben, berichten Medien. Ein anderes Geschäftsfeld sind offenbar Porno­filmchen, bei denen Hornauer in mindestens einem Fall selbst mitwirkte. Im baden-württem­bergischen Landtag wird der Film im Jahr 2003 sogar öffentlich vorgeführt, weil sich die Parlamentarier ein Bild von Hornauers Vergangenheit machen wollen.

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Hornauers Vergangenheit sorgt auch bei den baden-württembergischen Medienwächtern immer wieder für Diskussionen. Der Vorstand der Landesanstalt für Kommunikation (LfK) macht dem fragwürdigen Medienmacher schon kurz nach der Übernahme des Senders harte Auflagen: Angehörige der Wankmillersekte dürften im Sender nicht beschäftigt werden, zudem müsse der neue Senderchef einen Jugend­schutz­beauftragten einstellen, ein Redaktionsstatut vorlegen und sich selbst aus dem Tagesgeschäft zurückziehen. Dass Hornauer überhaupt den Sender leiten darf, nennen die Grünen im Landtag ein „medienpolitisches Desaster“.

Hausdurchsuchung bei Hornauers Sender

Was Hornauer mit „scheiß viel Geld verdienen“ meint, wird derweil schon in den ersten Wochen nach der Übernahme des Senders deutlich. Immer mehr Call‑in-Sendungen mit kostenpflichtigen Telefonnummern finden den Weg ins Programm des Regionalsenders. Später wird das Programm vor allem mit Astrologie und Kartenleger­sendungen aufgestockt. Wahrsager und Schamanen können dann über eine kostenpflichtige Hotline angerufen werden – sie geben dann Beziehungs- und Lebenstipps.

Ende 2003 kommt es wegen der Call-in-Sendungen zu mehreren Anzeigen durch Zuschauerinnen und Zuschauer. Wegen des Verdachts auf strafbare Werbung wird in den Räumen des Senders am 22. Dezember eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Ein Hauptverfahren wird wegen Verjährung allerdings nie eröffnet.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen über sektenähnliche Zustände klagen, berichtet die „Welt“ im Sommer 2004. Hornauer greift, trotz Auflagen der LfK, immer wieder selbst ins Programm ein und lässt auch ein zweistündiges Interview mit sich selbst senden. Schließlich ernennt der Senderchef Thorsten Schmitt, den damaligen Chef eines Verlages, der Literatur zu Esoterik und Weltuntergang veröffentlicht, zum neuen Geschäftsführer.

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Erst Esoterik, dann Lizenzentzug

Die Medienwächter in Baden-Württemberg sind schließlich mit ihrer Geduld am Ende und entziehen B.TV die Lizenz. Weitersenden kann Hornauer trotzdem: Von der österreichischen Behörde Komm Austria erhält der Medienmacher nur zwei Jahre später die Genehmigung für den B.TV-Nachfolger Kanal Telemedial.

Hier sitzt Hornauer auch immer wieder selbst vor der Kamera. An seinem sogenannten Orange Table philosophiert der Esoterikguru mit Zuschauerinnen und Zuschauern über dies und das und jenes. Im Studio versammeln sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu esoterischen Tänzen um eine Pyramide, um „Energie zu sammeln“. Anruferinnen und Anrufer können kostenpflichtig mithilfe von Hornauer per Telefon einen sogenannten Energieausgleich machen lassen.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bezeichnet Kanal Telemedial 2007 als „ein einziges, mit Schicksalsglauben verbrämtes Abzockunternehmen“. Norbert Schneider, seinerzeit Chef der Landes­medien­anstalt Nordrhein-Westfalen, beschwert sich: „Geld dafür zu nehmen, dass Energien über den Bildschirm übertragen werden, stellt alles in den Schatten, was es bisher gegeben hat.“ Derartig hohe Telefongebühren seien zwar medienrechtlich nicht verboten, „doch der Eindruck drängt sich auf, dass Zuschauer hier für dubiose Angebote regelrecht ausgenommen werden.“ Auch bei der Zuständigen österreichischen Medien­aufsichts­behörde Komm Austria häufen sich die Beschwerden. Diese zieht Hornauers Fernsehkarriere schließlich im Jahr 2008 endgültig den Stecker.

Auftritt bei „Querdenkern“

Mit dem Ende von Kanal Telemedial verschwindet Hornauer weitestgehend von der Bildfläche. Die Ideologie des früheren Senderchefs allerdings bleibt. Hornauer bezeichnet sich selbst als Herrscher des „Vereinigten Deutschen Königreichs“, führt mit der „Deutschmarkt“ eine eigene Währung ein – und mit „Herz 5“ einen eigenen Gruß, eine Art Segnung. Auch eine „telemediale Weltzeit“ gibt es. Auf der Website seines Unternehmers Telekontor schlägt eine Uhr, die aufgebaut ist wie eine umgedrehte Pyramide. Laut der telemedialen „Weltzeit“ ist diese Woche die Woche 798 im Monat 200 und im Jahr 16.

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In Thailand baut Hornauer eine Art Wallfahrtsort namens „Paradise Valley“ auf. Auf seiner Website beschreibt der Guru sein Königreich als „Gegenbewegung zur professionellen Volks­verblödung“. Es sei eine „Lebensphilosophie, eine Lehre, speziell für die deutsche Mentalität entwickelt“. Er und seine „Telemedialen Freunde“ übernähmen für das „deutsche Volk die emotionale Verantwortung“.

Nach mehreren Versuchen, in mehreren baden-württembergischen Städten Bürgermeister zu werden, bandelt Hornauer in der Corona-Pandemie auch mit der „Querdenken“-Bewegung an. Für einen Auftritt auf einer Bühne zahlt der Medienmacher dessen Initiator Michael Ballweg 5000 Euro, wie das Portal „Netzpolitik.org“ und Jan Böhmermanns „ZDF Magazin“ recherchieren. Später distanziert er sich wieder von diesem. Er sei mit einigen Dingen, die auf der Veranstaltung passiert seien, nicht einverstanden gewesen und auf Distanz zu der Initiative gegangen, so Hornauer gegenüber „Netzpolitik.org“.

Kein Teenie kennt „König Thomas“

Das, was Hornauer da seit 20 Jahren macht, ist kein lustiger Tiktok-Witz. „König Thomas“, wie sich der frühere Senderchef heute nennt, scheint das alles ziemlich ernst zu meinen – zumindest verdient Hornauer seit 20 Jahren sein Geld mit diesen Aktivitäten. Das „Vereinigte Heilige Deutsche Königreich“ klingt stark nach Sekte, nach einer Parallel­gesellschaft, wie etwa die rechtsextreme „Reichsbürger“-Bewegung, die den deutschen Staat ablehnt. Von diesen jedoch distanziert sich Hornauer. Sein „Königreich“ sei eine „Weltanschauung“ und erhebe keinen territorialen Anspruch, so der frühere Senderchef auf einer Podiumsveranstaltung des Zeitungsverlags Waiblingen.

Dass das Comeback des umstrittenen Esoterikgurus ausgerechnet auf Tiktok stattfindet, ist kein Zufall. An kaum einer anderen Stelle des Internets verbreiten sich skurrile Inhalte so leicht und so rasant wie hier. Privatpersonen können hier mit nur einem überraschenden Video über Nacht Berühmtheit erlangen. Tiktok und sein Algorithmus spielen Hornauer bei der Verbreitung seiner Inhalte bestens in die Karten.

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Hornauers bizarre Ideologie fällt zudem auf fruchtbaren Boden. Das Tiktok-Publikum ist jung. Zu jung, um Hornauers Medienkarriere, seinen Kanal Telemedial oder sein „Vereinigtes Deutsches Königreich“ zu kennen. Der Esoteriker wird abgekultet, als wäre er eine Art Comedycharakter.

Gutes Geld durch Tiktok-Streams

Viel wichtiger für „König Thomas“ ist aber wahrscheinlich der finanzielle Aspekt. Auf der Plattform Tiktok boomt seit einigen Monaten das Geschäft mit der Livestreamfunktion. Über kleine virtuelle Geschenke können Fans ihrem Lieblingsinfluencer Geld zukommen lassen, was teilweise zu bizarren Aktionen und Wettbewerben vor der Kamera führt. Auch Thomas Hornauer mischt kräftig mit. Zuschauerinnen und Zuschauer senden ihm Spenden zu, um die Aufmerksamkeit zu erhöhen – damit „König Thomas“ sie schließlich in ihren Livestream mittanzen lässt.

Dass irgendetwas mit „König Thomas“ nicht in Ordnung ist, hat inzwischen aber auch die Tiktok-Community bemerkt. Mehrere Youtuber hatten in den vergangenen Wochen in Videos über die Vergangenheit des neuen Tiktok-Stars berichtet, darunter etwa die Meinungsblogger Klengan und Kyzer sowie das öffentlich-rechtliche Format „Walulis Daily“. Auch in den Tiktok-Kommentarspalten finden sich inzwischen Kommentare, die vor den Machenschaften Hornauers warnen – in Tanzstreams wird er inzwischen immer öfter von Teilnehmerinnen und Teilnehmern veräppelt.

Immer wieder reagiert Hornauer darauf verärgert. Einige seiner Livestreams bestehen inzwischen aus kruden Wortgefechten mit Kritikerinnen und Kritikern. Hornauer schwurbelt dann alles Mögliche, etwa, dass er angeblich im Fokus der Geheimdienste stehe. Gespräche wie diese sind altbekannt: Auch im Kanal Telemedial lieferte sich der frühere Senderchef legendäre Gespräche mit kritischen Zuschauern, die heute noch auf Youtube zu sehen sind.

Wie gefährlich ist „König Thomas“?

Ganz ungefährlich dürfte die Prominenz des Esoterikgurus trotzdem nicht sein. Dass Menschen für die Ideen des früheren Senderchefs empfänglich sind, hat der Erfolg des Kanal Telemedial gezeigt. Unzählige Zuschauerinnen und Zuschauer waren seinerzeit bereit, Geld für einen Anruf aus dem Fenster zu werfen. Und auch die sonst so aufgeklärte Generation Z, die mit dem Wahnsinn des Internets aufgewachsen ist, scheint „König Thomas“ noch nicht endgültig durchdrungen zu haben.

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Hornauer selbst übrigens schweigt zu seiner neuen Prominenz auf der Plattform Tiktok. Eine E‑Mail-Anfrage des RND an seine Firma Telekontor blieb bislang unbeantwortet.

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