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TV-Kritik “Polizeiruf 110 – Heilig sollt ihr sein“: Ein finsterer Schocker

Ojemine! Wer in diesen anstrengenden Tagen vor dem Fernseher ein wenig Ablenkung sucht, der sollte am Sonntagabend diesen „Polizeiruf 110 – Heilig sollt ihr sein“ (Sonntag, 3. Mai, 20.15 Uhr in der ARD; Regie: Rainer Kaufmann, Drehbuch: Hendrik Hölzemann) besser meiden. Er ist nichts für zarte Gemüter – so heftig, so deprimierend und so elendig geht es in ihm zu, dass er streckenweise kaum zu ertragen ist.

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Leider ist vieles auch noch völlig unglaubwürdig, während vermeintlich Unerklärliches bis zum Ende des Films einfach im Unbegreiflichen belassen wird. Die Stimmung, die dieser Krimi verbreitet, ist entsprechend düster und bedrohlich. Man braucht also wirklich viel Gottvertrauen, um diesen Film bis zu seinem finsteren Finale durchzustehen.

Ein entsetzlicher Anfang

Schon der Anfang ist so entsetzlich, dass er die Grenze des noch Zumutbaren fast sprengt. Schauplatz ist das deutsch-polnische Grenzgebiet bei Frankfurt/Oder. Eine junge Frau, die 16-jährige Larissa (Paraschiva Dragus), ist ungewollt schwanger. Ihre Eltern reagieren hilflos. Und als die Ärzte dann auch noch eine Trisomie 18 diagnostizieren, beschließt sie, das Kind abzutreiben.

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Das verweigern jedoch aus religiösen Gründen ihre polnischen Ärzte. Larissa ist daraufhin so verzweifelt, dass sie beschließt, sich von einer Brücke in die Tiefe zu stürzen. Doch dann kommt ein junger Mann, Jonas (Tom Gronau), der sich selber nach einem Propheten Elias nennt, auf sie zu und überredet sie, weiterzuleben.

Zeitsprung von einer Woche

Der Film macht dann einen Zeitsprung von einer Woche. Und man sieht Larissa in einem Operationssaal einer deutschen Klink, wo ein Spätabbruch der Schwangerschaft durchgeführt werden soll. Doch ein Feueralarm unterbricht die Vorbereitungen, stattdessen schleicht sich der besagte Jonas in den Raum, fesselt Larissa und schneidet ihr bei vollem Bewusstsein das Baby aus dem Bauch. Das Ganze filmt er mit seiner Handykamera. Und begleitet den Eingriff mit vermeintlich frommen Sprüchen, um danach spurlos zu verschwinden.

Wie durch ein Wunder, und davon gibt es gleich eine ganze Reihe in diesem Film, überlebt Larissa. Und das Baby ist kerngesund und keinesfalls irgendwie behindert. Der Glaube versetzt vielleicht eben doch manchmal Berge, aber nur scheinbar – wie sich dann im weiteren Verlauf auf tragische Weise zeigen wird.

Geschockt von der grausigen Tat

Als die deutsche Kommissarin Olga Lenski (Maria Simon) und ihr polnischer Kollege Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) geschockt von dieser grausigen Tat in der Klinik erscheinen, schwebt die junge Mutter jedenfalls in Lebensgefahr. Und dank der allgegenwärtigen Videoüberwachung können sie den Täter schnell identifizieren und später auch festnehmen.

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Der Fall ist also schnell gelöst. Stattdessen taucht der Film tief ein in ein Milieu, das von einem erzkonservativen Katholizismus geprägt ist, wie er offenbar in Teilen Polens noch stark verbreitet ist. Da wird Abtreibung als Teufelswerk bekämpft, alle Mittel dazu scheinen heilig zu sein. Es wird von einem regelmäßig durchgeführten Exorzismus erzählt, von einem starken Glauben an Wunder, von einer unbefleckten Empfängnis, von einem tragischen Selbstmord. Und was dem ungläubigen Betrachter in diesem Reigen eigentlich nur noch fehlt, ist eine zünftige Hexenverbrennung. Die bleibt einem jedenfalls – oh Wunder – erspart.

Thematisch überfrachtet

Aber auch so wirkt der Film thematisch völlig überfrachtet. Und es kommt tatsächlich noch heftiger: In einer Nebenhandlung taucht plötzlich Adams Mutter (Malgorzata Zajaczkowska) auf, fünf Jahre haben die beiden sich nicht gesehen und nun ist die tiefreligiöse Frau an Darmkrebs erkrankt. Adam ist durch ihr Kommen völlig von der Rolle, eigentlich auch nicht mehr dienstfähig, und versucht seine Mutter zu überreden, in ein Krankenhaus zu gegen. Wogegen sie sich allerdings gottergeben sträubt.

Und so erfährt man nun auch noch allerlei Unschönes aus der Kindheit des Kommissars. Das ist zwar nur ein Nebenkriegsschauplatz in diesem Film, der jedoch Folgen hat. Genau übrigens wie die kleine Episode mit einer arg wirr erscheinenden jungen Frau (Kyra Sophia Kahre), die so durchgeknallt handelt, dass es gleich für zwei Psychodramen gereicht hätte. Aber immerhin gelingt diesem Wirrkopf das Kunststück einer Geiselnahme mit einer Zahnbürste. Und so verzettelt sich dieser Film nicht nur in zahllosen Problemen, Krisen und Katastrophen, sondern manche Dinge sind sogar ziemlich lächerlich. Anders gesagt: Ojemine!

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