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Handyvideos in Volkmarsen: Fluch und Segen für die Polizei

Ein Polizist geht vor einer Sichtblende in Volkmarsen.

Ein Polizist geht vor einer Sichtblende in Volkmarsen.

Volkmarsen. Zwei Tage sind vergangen seit dem erschütternden Vorfall in Volkmarsen. Die Bilder von dem silbergrauen Mercedes, der auf die bunte Karnevalsmenge zurast und Dutzende Menschen umreißt, werden vielen noch lange im Gedächtnis bleiben. Schwer verletzte Kinder auf der Straße, panische Gesichter, Blaulicht überall. Bilder prägen sich ein, Bilder im Kopf werden oft zum Problem. Bilder auf dem Smartphone manchmal ebenso. Gafferaufnahmen sind inzwischen Alltag, auch das zeigt der Fall Volkmarsen.

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Dass jeder zu jeder Zeit sein Handy zückt und mehr filmt und fotografiert als hinschaut, kann nützlich sein. Nicht ohne Grund ruft die Polizei Nordhessen die Volkmarser am Mittwoch erneut dazu auf, Foto- und Filmaufnahmen zu dem Vorfall auf einem eigens dafür eingerichteten Onlineportal einzureichen. Jeder Schnipsel kann ein Hinweis auf den genauen Tatablauf sein, jedes Bild ein Puzzleteil im Rätsel um die Tat.

Noch immer ist das Motiv des 29-jährigen Volkmarsers unklar, die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt nach wie vor “in alle Richtungen” und weist am Mittwoch auf Nachfrage darauf hin, dass die “umfassenden Ermittlungen” wohl auch in den nächsten zwei Tagen nicht beendet sein würden. Ein politisches Motiv schließt sie aus.

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Gaffervideos kein Kavaliersdelikt

Auch zur zweiten Festnahme laufen die Ermittlungen noch. Ein zweiter Mann war am Montagnachmittag am Tatort vorläufig festgenommen worden, weil er ein “Gaffervideo” aufgenommen und sich damit der “Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen” strafbar gemacht hat. Was genau der 37-Jährige gefilmt hat, ob er ebenfalls aus Volkmarsen stammt, oder sonstige Angaben zu ihm machen Polizei und Staatsanwaltschaft wegen des laufenden Verfahrens nicht. Nur, dass er gestern wieder entlassen wurde.

Gaffervideos sind kein Kavaliersdelikt. Im November erst entschied das Bundeskabinett, härter gegen Schaulustige vorzugehen und “eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt”, als Straftat zu werten. Auch das Verbreiten solcher Aufnahmen ist strafbar. Gaffer müssen mit einer Geldstrafe von bis zu 1000 Euro oder einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren rechnen – auch der 37 Jahre alte Mann, der in Volkmarsen filmte. Doch ab wann machen sich filmende Menschen genau strafbar?

Videos von Unfällen sind ein Alltagsphänomen

“Es ist immer eine Einzelfallentscheidung”, sagt Oberstaatsanwalt Georg Ungefuk von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Es gehe immer um die Frage, ob die Hilflosigkeit einer Person zur Schau gestellt werde, ob eine Aufnahme zur eigenen Belustigung erstellt wurde – statt zu helfen. “Es ist ein Alltagsphänomen, dass alles mit dem Handy begleitet wird”, sagt Ungefuk. “Es sollte aber abgesehen von der Strafbarkeit jedem bewusst sein, dass die Rettung einer hilflosen Person immer vorgeht.” Trotzdem gebe es zahlreiche andere Beispiele:

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Der Lkw-Fahrer, der nach einem Unfall auf der Autobahn 5 in seinem Führerhaus verbrannte, während Gaffer filmten und Rettungskräfte bepöbelten. Der 17-Jährige, der starb, als er in der Frankfurter ­U-Bahn einen Obdachlosen aus dem Gleis retten wollte – und von anderen dabei gefilmt wurde. Oder der Rathausmitarbeiter aus NRW, dessen abgedeckte Leiche nach einem Autounfall Gaffer noch zu fotografieren versuchten.

Es mag irritierend klingen, dass die Polizei Nordhessen Aufnahmen aus Volkmarsen anfordert und zugleich gegen einen Handyfilmer ermittelt. Wer Großereignisse filmt, hat grundsätzlich nichts zu befürchten. Strafbar ist laut Paragraf 201a des Strafgesetzbuches “eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt”.

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