Jahrelange Wartezeiten durch Corona: Bleibt eine Generation Nichtschwimmer?

Aufgrund von Corona konnte lange kein Schwimmunterricht stattfinden. Nun gibt es jahrelange Wartelisten für Schwimmkurse.

Aufgrund von Corona konnte lange kein Schwimmunterricht stattfinden. Nun gibt es jahrelange Wartelisten für Schwimmkurse.

In Mecklenburg-Vorpommern spricht man von einer Generation von Nichtschwimmern. Wie die „Ostsee-Zeitung” (OZ) berichtet, seien Schwimmkurse bereits zwei bis drei Jahre im Voraus ausgebucht. Ähnlich sei die Situation auch in Sachsen, wie die „Dresdner Neuesten Nachrichten” (DNN) schreiben, und Niedersachsen. In Hannover warten über 1000 Nichtschwimmer auf den Start der Kurse, berichtet die „Hannoversche Allgemeine Zeitung” (HAZ). Kein Wunder, denn die Kurse, die durch die Pandemie eineinhalb Jahre lang ausfielen, müssen nun nachgeholt werden. Bundesweit müssten Eltern und Kinder mit langen Wartezeiten rechnen, sagt Achim Wiese, Pressesprecher der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG).

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Drei Millionen Kinder warten auf Schwimmunterricht

Die ausgefallenen Stunden nachholen? „Das ist nicht möglich, der Stau ist zu groß”, sagt auch Alexander Gallitz, Präsident des deutschen Schwimmlehrerverbandes. Insgesamt betreffe es etwa drei Millionen Kinder in Deutschland, die aufgrund der Corona-Pandemie nicht den Schwimmunterricht besuchen könnten. Auch jetzt hätten viele öffentliche Bäder noch extreme Beschränkungen, noch komplizierter sei es bei privaten Schwimmhallen. „Es wird mindestens fünf Jahre dauern, um die ausgefallenen Schwimmstunden nachzuholen”, erwähnt Gallitz besorgt. Eine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass Kinder im Normalfall zwischen vier und sechs Jahren schwimmen lernen.

Große Sorgen macht sich Gallitz vor allem, wenn die Nichtschwimmerinnen und -schwimmer in das Jugendalter kommen. „Mit 14 Jahren am See könnte das wirklich gefährlich sein.” Effekte wie Gruppenzwang oder jugendlicher Übermut würden die Gefahr für Schwimmunfälle erhöhen.

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DLRG: Mehr Kinder 2021 ertrunken

Das zeigte auch die Zwischenbilanz der DLRG. In den ersten sieben Monaten diesen Jahres seien mindestens 14 Kinder (bis zu 15 Jahren) ertrunken – sechs mehr als im Vorjahreszeitraum. Bei den Sechs- bis Zehnjährigen stieg die Zahl von drei auf neun, bei den Elf- bis 15-Jährigen sogar von eins auf neun. „Wenn wir nicht massiv dagegen wirken, erwarten wir einen weiteren Anstieg”, warnt Wiese. „Deutschland entwickelt sich Schritt für Schritt zum Land der Nichtschwimmer.”

Mit Schwimmcrashkursen in den Ferien versucht die DLRG, das Schwimmdefizit bei Kindern zu verringern. Auch für nächstes Jahr seien die Kurse geplant. Über 450 örtliche Vereine der DLRG beteiligten sich an der Kampagne und führten Kurse in Hallenbädern durch. In Berlin würden die Hallen kostenlos zur Verfügung gestellt, doch das sei nicht überall der Fall. Die DLRG forderte die Kommunen auf, Schwimmzeiten für die Crashkurse unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Auch Bund und Länder versuchen, mit Fördermitteln und besonderen Angeboten Hilfe zu leisten. In Sachsen werden beispielsweise Gutscheine für Schwimmkurse verteilt, Mecklenburg-Vorpommern bietet in den Ferien kostenlose Schwimmkurse an. Laut Wiese seien die Fördermittel aber nicht ausreichend. „Ein großer Teil geht an kulturelle Einrichtungen, für die Schwimmbäder bleibt oft nicht viel über.”

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Personal und Wasserflächen fehlen

Doch nicht nur wegen der hohen Nachfrage warten die Kinder derzeit lange auf die Schwimmstunden. Denn in der Praxis fehlt auch das Personal – Schwimmlehrerinnen und -lehrer und Badeaufsichten. Aufgrund der geschlossenen Hallen mussten Schulungen und Ausbildungen ausfallen. „Viele meiner Kollegen haben sich umschulen lassen”, bemerkt Gallitz. Teilweise wurden die Lizenzen der Schwimmlehrer verlängert, die Prüfungen wurden verschoben. Bis wieder Nachwuchs kommt, dauert es aber. „Es werden viele nachkommen, aber die Ausbildung dauert auch ein halbes Jahr.”

Ein weiteres Problem sei der fehlende Platz. „Es braucht mehr Wasserfläche”, sagt Gallitz. Dabei prangert er besonders die Unflexibilität der Gemeinden an. Zuletzt habe er ein Schwimmtraining für 180 Kinder im Freibad im fränkischen Lauf geleitet. „Es hatte gerade einmal zwischen 16 und 18 Grad, das fiel den Kindern wirklich nicht leicht.” Danach habe er erfahren, dass das Hallenbad seit sechs Wochen geschlossen sei – wegen fehlenden Bademeistern. Das Problem existiere somit nicht nur im Herbst und Winter. Denn Deutschland mangele es generell an Schwimmflächen, betont auch Wiese. Die langen Wartezeiten für Schwimmkurse gab es bei manchen Ortsgruppen deshalb auch schon vorher.

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