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Aktivist kritisiert Katars WM-Botschafter

Mr Gay Germany: LGBTQ-Fans in Katar nicht mehr sicher

Benjamin Näßler (rechts) traf in Katar Fifa-Präsident Gianni Infantino (Mitte rechts), DFB-Präsident Bernd Neuendorf (Mitte links). Mit dabei bei den Treffen war auch Bern Reisiger von der Initiative „Liebe kennt keine Pause“.

Benjamin Näßler (rechts) traf in Katar Fifa-Präsident Gianni Infantino (Mitte rechts), DFB-Präsident Bernd Neuendorf (Mitte links). Mit dabei bei den Treffen war auch Bern Reisiger von der Initiative „Liebe kennt keine Pause“.

Benjamin Näßler, Träger des Titels Mr Gay Germany aus den Jahren 2020 und 2021, geht davon aus, dass die Sicherheitsgarantie für LGBTQ-Fans während der WM in Katar nicht gilt. Nach den jüngsten homophoben Aussagen des WM-Botschafters Khalid Salman sei sie obsolet, sagte Näßler im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das widerspricht allem, was wir vom Premier, vom WM-Organisationskomitee und der Fifa als Zugeständnis bekommen haben. Salman muss uns nicht lieben, aber zumindest als gleichwertig respektieren.“

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Die Garantie war Innenministerin Nancy Faeser vergangene Woche vom katarischen Premierminister Al-Thani gegeben worden. Näßler war Teil der Delegation, die Faeser für zwei Tage nach Katar begleitete.

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Regenbögen auf Fingernagel und Rucksack

Näßler hat sich während der Reise gegenüber den katarischen Funktionären so wie den Vertretern der Fifa offen zu seiner Homosexualität bekannt. Er trug einen lackierten Regenbogen auf einem Fingernagel sowie einen Rucksack mit einem Träger in Regenbogenfarben. „Man hat schon gemerkt, dass man als Regenbogenträger eine gewisse Aufmerksamkeit erregt hat. Gerade bei denen, denen ich die Hand gegeben habe – da wurde schon zweimal hingeschaut, als sie den Fingernagel gesehen haben.“

Bei einem Treffen mit der Fifa kam es auch zu einer Diskussion mit deren Präsident Gianni Infantino. „Ich habe deutlich gesagt: Ich bin mit einem Mann verheiratet, ich liebe Fußball als schwuler Mann. Was macht die Fifa, damit meine Familie keine Angst zu haben braucht, wenn ich zur WM fahren würde?“

Benjamin Näßler trug während der Reise in Katar einen Regenbogen auf dem Fingernagel

Benjamin Näßler trug während der Reise in Katar einen Regenbogen auf dem Fingernagel

Näßler fragte Infantino nach eigener Aussage unter anderem nach dem jüngsten Human-Rights-Watch-Bericht, der die Verfolgung von LGBTQ-Personen in Katar thematisiert. Infantino habe die Frage außen vor gelassen und den Menschenrechtsbeauftragten der Fifa antworten lassen. Dieser sagte, der Bericht sei noch nicht bearbeitet worden. „Da hätte ich mehr erwartet von jemandem, der sich im Grunde mit nichts anderem beschäftigt. Der Bericht war schon eine Woche alt“, sagt Näßler.

Näßler erlebte Infantino als einen „sehr zuvorkommenden Mann, der natürlich schon Antworten auf die kritischen Fragen hatte – es war nicht so, dass er vor Schreck vom Stuhl gefallen ist. Beim Thema Gastarbeiter hat er beispielsweise immer wieder wiederholt, dass es nur drei Todesopfer auf den WM-Baustellen gab. Wenn man bei ihm Punkt A drückt, kommt halt Antwort A von ihm. Es waren viele Standardphrasen dabei.“

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DFB-Präsident wiegelt Frage nach One-Love-Binde ab

Enttäuscht zeigte sich Näßler von DFB-Präsident Neuendorf, mit dem über das Design der One-Love-Kapitänsbinde diskutierte. „Da kam von ihm die Argumentation: Wir wollen innerhalb der UEFA alle unter einen Hut bringen, Kapitäne anderer Länder tragen auch genau diese Binde. Und die Niederländer nutzten das Design schon ewig, das sei dort sehr bekannt in der Gesellschaft. Gefühlt versucht man so beim DFB den Notausgang zu finden. So klang Neuendorf auch im Gespräch mit uns.“

Neuendorf habe gesagt, „nur in Deutschland hätten wir diese Diskussion, in anderen Ländern sei die gar nicht so groß. Was ich mir nicht vorstellen kann, weil ich immer wieder internationale Berichte zu diesem Thema sehe.“

Näßler wünscht sich dagegen eine Umgestaltung der Kapitänsbinde im Sinne der Regenbogenfarben. „Stattdessen sollen die Farben der Binde die panafrikanische und die pansexuelle Flagge repräsentieren. Da muss man sich schon sehr gut auskennen, damit man weiß, wofür die stehen.“

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Näßler würde auf Katar-Reise verzichten

Trotz allem hatte Näßler die Reise ursprünglich als Erfolg wahrgenommen: „Was wir vorher hatten, war eine Garantie für die Stadien: dass man dort Regenbogenfarben zeigen kann – aber nicht außerhalb der Arenen. Es war auch nicht die Rede davon, dass man Händchen halten darf, dass man sich in der Öffentlichkeit küssen darf. Das waren für uns neue Sachen.“

Aber auch dieser kleine Erfolg sei durch die Aussagen des WM-Botschafters nun zunichtegemacht worden. „Es fühlt sich an, als ob man gerade Fahrradfahren lernt und jemand schmeißt einen Stock zwischen die Räder. Man fällt so auf die Fresse, dass man sich denkt: Okay, was mache ich hier eigentlich?“

Näßler würde deshalb auf eine Reise zur Weltmeisterschaft verzichten. „Ich persönlich würde Stand heute nicht hinfahren. Weil ich nach der Aussage einfach Angst hätte, dass mir etwas passieren würde. Dass man vielleicht doch körperlich angegriffen wird, wenn man einen Regenbogen trägt und die Polizei wegguckt.“

Benjamin Näßler, 33, engagiert sich im Rahmen der Initiative „Liebe kennt keine Pause“ gegen Diskriminierung im Fußball. Im letzten Jahr startete er eine Petition gegen Homophobie in Katar. Vor allem wegen seines Engagements gewann er 2020 und 2021 den Titel Mr Gay Germany und repräsentiert seitdem die Community in Deutschland.

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