Zehn wenig bekannte Fakten über die Zeitumstellung
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Medfield (USA): Ein Techniker bewegt die Uhrzeiger einer 500 kg schweren Uhr mit einem Durchmesser von mehr als 3,5 Metern.
© Quelle: Elise Amendola/AP/dpa
Die Menschen in Deutschland haben Samstagnacht wegen der Zeitumstellung eine Stunde Schlaf verloren. Pünktlich um 2.00 Uhr am frühen Sonntagmorgen wurde der Zeiger auf 3.00 Uhr gerückt. Bis Ende Oktober gilt dann die Sommerzeit. Die Folge: Frühaufsteher müssen morgens länger auf die ersten Sonnenstrahlen warten, abends ist es dafür länger hell. Zehn wenig bekannte Fakten über die Zeitumstellung:
1. Der Erfinder ist ein Brite: Als Erfinder der Sommerzeit gilt der Brite William Willet – der Ururgroßvater von Coldplay-Sänger Chris Martin. Er prägte den Begriff der „Daylight Saving Time”, als er 1907 vorschlug, die Uhren im Frühjahr um eine Stunde vorzustellen. So könne man das Tageslicht am Abend länger nutzen. Die Idee kam ihm angeblich am frühen Morgen beim Reiten, als er bemerkte, dass an sämtlichen Häusern die Rollläden noch geschlossen waren. Das empfand er als Lichtverschwendung. Winston Churchill gefiel die Idee, aber Willett starb 1915 an Influenza. Ein Jahr später wurde die Sommerzeit zunächst in Deutschland und etwas später in Großbritannien eingeführt.
2. Braunschweig gibt den Takt vor: Seit 1978 legt die Physikalisch-Technische Anstalt in Braunschweig mit ihrer Atomuhr die genaue Uhrzeit fest und verbreitet sie über den Langwellensender DCF77. Die Atomuhr unterliegt nur einer Gangabweichung von einer bis drei milliardstel Sekunden pro Tag. Die automatische Umstellung gilt jedoch natürlich nur für Uhren, die das Funksignal der Atomuhr empfangen können. Ausnahmen bildeten beispielsweise historische Kirchturmuhren. Wenige Kilometer Luftlinie von der Braunschweiger Bundesanstalt entfernt muss etwa in Wolfenbüttel-Ahlem die Uhr der St. Marienkirche noch per Hand vom Küster gestellt werden.
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In der Nacht zum Sonntag werden die Uhren um 2 Uhr um eine Stunde auf 3 Uhr vorgestellt: das Kunstwerk "Zeitfeld" von Klaus Rinke im Volksgarten in Düsseldorf.
© Quelle: Fabian Strauch/dpa
3. Putin missfiel die Sommerzeit: In Russland hatte 2011 der damalige Präsident Dimitri Medwedew die Zeitumstellung aus Sorge um den menschlichen Biorhythmus abgeschafft. Er setzte eine permanente Sommerzeit durch und reduzierte die Zeitzonen von elf auf neun – sehr zum Missfallen von Wladimir Putin, der drei Jahre später die Sommerzeit wieder abschaffte, ganzjährig Winterzeit befahl und die elf Zeitzonen wiederherstellte. Das missfällt mehreren Regionen. Sie wechselten kurzerhand in eine andere Zeitzone, damit es bei ihnen abends länger hell bleibt.
4. Jüngere leiden mehr: Vor allem Jugendlichen macht die Zeitumstellung zu schaffen. Forschern zufolge brauchen Zwölf- bis 18-Jährige bis zu drei Wochen, um sich an die neue Zeit zu gewöhnen. Chronobiologen warnen ohnehin vor einem zu frühen Schulbeginn, wie er in Deutschland üblich ist: Ein Schulstart um 8 Uhr morgens sei für den kindlichen Biorhythmus vergleichbar mit einem Arbeitsbeginn um 4 Uhr bei Erwachsenen. Dennoch hält sich hierzulande hartnäckig der Mythos, nur Frühaufsteher seien leistungsbereit.
5. Wechselspiel in Deutschland: Mitten im Ersten Weltkrieg gab es bereits die Sommerzeit. Sie wurde 1916 im Deutschen Kaiserreich eingeführt, weil das Land seine Kohle für die Kriegsproduktion brauchte und von Petroleum- und Paraffin-Importen abgeschnitten war. Nach Kriegsende jedoch wurde sie in der Weimarer Republik im Jahr 1919 schon wieder abgeschafft. Im Dritten Reich galt die “Normalzeit” weiter, aber nur bis 1940. Nach Kriegsbeginn wurde die Sommerzeit wieder eingeführt, damit den Rüstungsbetrieben eine zusätzliche Tageslichtstunde für die Arbeit zur Verfügung stand. Nach 1945 herrscht auch, was die Zeit angeht, Durcheinander. In Berlin etwa galt unter russischer Besatzung zunächst Moskauer Zeit. Die Stadt war dem Rest des Landes also zwei Stunden voraus.
6. Zeitansage bleibt gefragt: Auch in Zeiten, in denen dank Smartphones fast jeder die genaue Uhrzeit in der Hosentasche herum trägt, ist die telefonische Zeitansage der Telekom weiter gefragt. An normalen Tagen werde die Nummer „viele hundertmal” angerufen, sagte ein Sprecher. Besonders gefragt sei der Service an Silvester, wenn die Menschen exakt wissen möchten, wann die Uhr auf das neue Jahr umspringt. Auch die beiden Nächte Ende März sowie Oktober, in denen die Uhr um eine Stunde umgestellt wird, gehörten zu den Spitzenzeiten, zu denen so viele Anrufe eingingen wie sonst etwa in einem Monat. Unter der Nummer 0180 4100100 sagt im Auftrag der Telekom eine automatisierte weibliche Stimme in sekündlichen Abständen die aktuelle Uhrzeit an.
7. Etwa 25 Prozent der Deutschen leiden: Jeder vierte Mensch in Deutschland über 14 Jahren hat gesundheitliche Probleme durch die Zeitumstellung. Dies ergab eine repräsentative Umfrage der Krankenkasse DAK. Die meisten davon klagten allgemein über Müdigkeit. Mehr als die Hälfte der Betroffenen erklärte, sie leide unter Schlafproblemen. Ferner klagten die Befragten auch über Konzentrationsprobleme und depressive Verstimmungen in Folge der Zeitumstellung. Der Umfrage zufolge gaben Frauen häufiger als Männer an, schon einmal Probleme mit der Zeitumstellung gehabt zu haben. 74 Prozent seien der Überzeugung, die Umstellung sei überflüssig und gehöre abgeschafft.
8. Es gab sogar eine Hochsommerzeit: Zwischen 1947 und 1949 – vor der Gründung der beiden deutschen Staaten – gab es eine Hochsommerzeit: Jeweils vom 11. Mai bis zum 29. Juni wurden die Uhren um eine weitere Stunde vorgestellt. Abends war es also noch länger hell. 1950 wurde die Zeitumstellung in Deutschland wieder abgeschafft. Erst seit dem Jahr 1980 werden wieder alle sechs Monate die Uhren umgestellt.
9. Eselsbrücken helfen: Um sich zu merken, wann die Uhren vor- und wann sie zurückgestellt werden, gibt es mehrere Eselsbrücken. Eine davon: „Zeitumstellung funktioniert wie das Thermometer”: Im Frühjahr plus (also eine Stunde zusätzlich) und im Winter minus (also eine Stunde weniger). Dazu gibt es noch die Gartenmöbel-Analogie: „Im Frühling stellen wir die Gartenmöbel vor die Tür, im Herbst stellen wir sie zurück.”
10. Die EU ist uneins: 2018 haben in einer EU-Umfrage 84 Prozent der Teilnehmer für eine Abschaffung der Zeitumstellung gestimmt. Die EU-Kommission schlug deshalb vor, die Zeitumstellung abzuschaffen. Die Länder waren sich schon damals uneinig: Würden wir nach der Abschaffung immer in der Winterzeit leben? Oder lieber in der Sommerzeit? Ob und wann der Plan umgesetzt wird, ist unklar: Erst war davon die Rede, 2019 zum letzten Mal in der Zeit zu springen, dann hieß es 2021 soll Schluss sein mit dem Drehen an dem Zeiger. Und jetzt liegt der Ball bei den 27 EU-Mitgliedstaaten. Sie müssen sich einigen, ob sie dauerhaft Sommer- oder Winterzeit wollen. Aber bislang gibt es zu der Frage keine Fortschritte. Ob und wenn ja wann die Zeitumstellung abgeschafft wird, ist derzeit ungewiss.
RND/gri/dpa