Für den Fall der Pandemie

Ärztepräsident Reinhardt kritisiert Triage-Gesetz der Ampelkoalition als unzureichend

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt.

Ärztepräsident Klaus Reinhardt hat die von der Ampelkoalition geplanten Triage-Regelungen zur Verteilung von Intensivbetten bei knappen Behandlungskapazitäten, die am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden sollen, als unzureichend kritisiert. Für die Ärztinnen und Ärzte sei es unabdingbar, dass sie sich keinen rechtlichen Risiken aussetzten, wenn sie in einer extrem schwierigen Situation eine Entscheidung über die Behandlungsreihenfolge träfen, sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Verunsicherung der Ärzte

Deshalb hätte in dem Gesetz neben dem Kriterium der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patientinnen und Patienten auch die ärztliche Indikation und der Patientenwille verankert werden müssen, so Reinhardt. Das sei aber nicht geschehen. „Ohne eine solche Klarstellung wird der Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass die Letztverantwortung für die Beurteilung medizinischer Sachverhalte bei den Ärztinnen und Ärzten liegt, diese eher noch weiter verunsichern“, beklagte er. Vor diesem Hintergrund sei es gut, dass es eine Überprüfung der Triage-Regelungen geben solle, um die Auswirkungen auf die medizinische Praxis zu überprüfen, betonte der Ärztepräsident.

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Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) ausgearbeitete Gesetzesänderung sieht als Entscheidungskriterium für die Behandlungsreihenfolge die sogenannte kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit vor. Ausdrücklich verboten wird eine Benachteiligung zum Beispiel wegen einer Behinderung oder wegen des Alters. Zu einer gesetzlichen Regelung, die eine Diskriminierung verhindert, war die Regierung vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert worden.

„Die fittesten Patienten und Patientinnen werden gerettet“

Kritik kam auch von der für die Behindertenpolitik zuständigen Grünen-Bundestagsabgeordneten Corinna Rüffer. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Triage-Beschluss festgestellt, dass der Staat dazu verpflichtet sei, behinderte Menschen in einem pandemiebedingten Triage-Fall wirksam vor einer Diskriminierung zu schützen. „Das löst der Gesetzentwurf nicht ein“, beklagte sie. „Das im Gesetz gewählte Kriterium der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit wirkt immanent diskriminierend, weil es nicht dazu dient, die schwachen Patientinnen und Patienten zu schützen, sondern im Gegenteil darauf gerichtet ist, die ‚fittesten‘ zu retten“, beklagte sie.

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Rüffer sagte, sie gehe davon aus, dass die Triage-Regelung weit über die Pandemie hinaus eine extreme Relevanz haben werde. So sei die Versorgungslage im Gesundheitswesen aufgrund der Ökonomisierung bereits heute schwierig. Zudem stehe die Gesellschaft am Beginn einer radikalen demografischen Veränderung. Daher werde es in Zukunft immer mehr alte, behinderte und chronisch kranke Menschen geben. „Gerade in dieser Situation sollten wir uns davor hüten, das ‚Überleben des Stärkeren‘ in Gesetzesform zu gießen“, warnte die Grünen-Politikerin.

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