Kommunen fordern Entscheidungsfreiheit

Der Tanz um Tempo 30

Für flächendeckende Tempo-30-Zonen gibt es im deutschen Gesetz zurzeit noch strenge Beschränkungen.

Für flächendeckende Tempo-30-Zonen gibt es im deutschen Gesetz zurzeit noch strenge Beschränkungen.

Berlin. Es kommt nicht oft vor, dass sich Politikerinnen und Politiker über die Parteigrenzen hinweg einig sind. So passiert es aber aktuell beim Thema Tempo 30 – jedenfalls auf kommunaler Ebene: 360 Städte und Gemeinden in Deutschland haben sich der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ angeschlossen, weil sie mehr Tempo-30-Beschränkungen einrichten wollen. Darunter sind Städte, die von Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern der Grünen, CDU, CSU, SPD, Freien Wählern und FDP regiert werden.

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Hintergrund ist, dass Kommunen zwar bereits jetzt Tempo 30 anordnen können, allerdings nur unter speziellen Bedingungen, etwa wegen der Verkehrssicherheit oder um die Anwohner vor Lärm zu schützen. „Bei der Anordnung von Höchstgeschwindigkeiten sind den Städten und Kommunen viel zu enge Grenzen gesetzt“, kritisiert die Initiative auf ihrer Website. Sie fordern, dass die Kommunen selbst darüber entscheiden dürfen, wann und wo welche Geschwindigkeiten angeordnet werden. Dafür müsste die Bundesregierung unter Federführung des Bundesverkehrsministeriums allerdings das Straßenverkehrsgesetz und die Straßenverkehrsordnung anpassen.

Nach RND-Informationen verhandelt die Ampelkoalition aktuell darüber, unter welchen Bedingungen Kommunen Tempo 30 anordnen dürfen. Im Koalitionsvertrag hatten die Ampelpartner sich geeinigt, das Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anzupassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden. Ländern und Kommunen sollten „Entscheidungsspielräume“ eröffnet werden, heißt es weiter.

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Streitpunkt sind flächendeckende Tempobeschränkungen

Ob für einzelne Nachbarschaften oder gar eine ganze Stadt flächendeckend Tempo 30 angeordnet werden darf, ist dem Vernehmen nach der Knackpunkt des Koalitionsstreits zwischen SPD und Grünen auf der einen und der FDP auf der anderen Seite. „Wir müssen den Kommunen gesetzlich mehr Spielraum geben, unter anderem damit sie auch für ganze Stadtviertel und nicht nur einzelne Straßen Tempo 30 ausweisen können, wenn die Gemeinde- und Stadträte dies beschließen“, sagte SPD-Fraktionsvize Detlef Müller dem RND.

Mehr davon: Schon 315 Kommunen bundesweit setzen sich für mehr Freiheiten bei der Einrichtung von Geschwindigkeitsbegrenzungen ein.

Mehr Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen: Bürgermeister machen Druck auf Wissing

Bisher dürfen Kommunen auf Hauptverkehrsstraßen nur in Ausnahmefällen Tempo 30 einrichten. Einige Bürgermeister, darunter auch Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay, wollen das ändern.

Auch die Grünen machen Druck auf Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). „Wir brauchen Bewegung beim Straßenverkehrsrecht, um mehr Sicherheit, Klimaschutz und Verkehrswende zu erreichen“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Stefan Gelbhaar, dem RND. „Die Kommunen brauchen keine Bevormundung durch restriktives Bundesrecht, sie sollen frei entscheiden, wo überall Tempo 30 angeordnet werden kann und soll“, forderte er.

Wissings Ministerium zeigte sich auf Nachfrage offen für „unterschiedliche Lösungsansätze und Innovationen“. Eine Sprecherin verwies auf einen Beschluss der Verkehrsministerkonferenz der Länder (VMK) vom Mai, eine länderoffene Arbeitsgruppe zum Thema „Straßenverkehrsordnung“ einzuberufen. Die Ergebnisse würden nun unter anderem rechtlich geprüft, bevor über die Umsetzung entschieden werde, fügte die Sprecherin hinzu und sagte weiter, dass das Ministerium jedoch nicht von flächendeckendem Tempo 30 oder Geschwindigkeitsbeschränkungen in Durchgangsstraßen überzeugt sei.

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Ein generelles Tempolimit lehne die FDP ab, betonte FDP-Bundestagsfraktionsvize Carina Konrad auf Anfrage. „Das gilt auch für Tempo 30.“ Allerdings wolle die FDP es für die Kommunen einfacher machen, vorhandene Tempo-Flickenteppiche auf einzelnen Straßen leichter zu beseitigen. „Es ist keinem Autofahrer zu erklären, warum sich auf einzelnen Straßen aus beispielsweise Lärmschutzgründen mehrfach die zugelassene Höchstgeschwindigkeit ändert. Eine solche Reform ist im Sinne der Autofahrer und der Anwohner“, sagte sie dem RND.

Die SPD will eine schnelle Einigung in der Koalition erreichen. „Wir brauchen eine Novellierung des Straßenverkehrsrechts. Die Gesetzesanpassung darf nicht auf die lange Bank geschoben werden, sondern muss im ersten Halbjahr 2023 passieren.“ Eine Forderung, die sicher auch die 360 Kommunen unterstreichen würden.

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