Corona-Demo in Brandenburg: Bürgermeister von Jüterbog hält Rede vor Nazi-Banner
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Menschen demonstrieren am 31. Januar 2022 in Potsdam gegen eine Impfpflicht. Am gleichen Abend hält Jüterbogers Bürgermeister eine Rede vor einem Banner der NPD-Jugendorganisation, Junge Nationalisten (Symbolbild).
© Quelle: imago images/Martin Müller
Jüterbog. Am vergangenen Montag hat sich der Jüterboger Bürgermeister, Arne Raue (Fraktion Wir sind Jüterbog), bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen selbst an die Demonstrierenden gewandt. Während seiner Rede auf dem Jüterboger Markt sei in vorderster Zuhörerreihe ein Großplakat der NPD-Jugendorganisation Junge Nationalisten (JN) hochgehalten worden, berichtet am Montag die „Märkische Allgemeine Zeitung“ (MAZ). NPD und JN werden vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch und verfassungsfeindlich eingestuft.
Bürgermeister Raue habe das Banner registriert und seine Rede fortgesetzt. Das sagte er auf Nachfrage selbst, mit dem Hinweis, er sei sehr wohl darauf eingegangen. „Ich kommentiere hier heute nicht jedes Großbanner“, so Raue gegenüber der „MAZ“. Das ist auch auf einem von Raue selbst auf Facebook geposteten Video zu hören. Für Raue sei dies als klare Distanzierung zu verstehen. Wie im Video zu hören, fügt Raue bei: „Ich bin ein bisschen überrascht, aber das ist nicht schlimm, man darf auch überrascht werden.“ Er selbst habe es in den letzten Monaten sehr genossen, „mit Ihnen und euch gemeinsam zu laufen. Ich habe gesehen, dass ihr eure demokratischen Grundrechte wahrnehmt“, sagt der Jüterboger Bürgermeister Raue in seiner Rede vor den Demonstrierenden gegen die Corona-Maßnahmen. „Ich sehe genau in die Gesichter, und ich sehe, dass hier Bürgerinnen und Bürger, dass hier Demokraten unterwegs sind“, setzt Raue fort, „dass hier diejenigen unterwegs sind, die ihre demokratischen Grundrechte kennen und wahrnehmen, die vielleicht auch noch an 1989 Erinnerungen haben.“
Nach Angaben der „MAZ“ befinden sich in vorderster Zuhörerreihe jedoch Menschen mit einem Banner der Jugendorganisation, Junge Nationalisten. Die offizielle Jugendorganisation der NPD wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Jungen Nationaldemokraten bekennen sich laut Angaben der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung zum Grundsatzprogramm der NPD, treten in Wort und Tat jedoch aggressiver auf. Das Banner, das am Abend des 31. Januar während Bürgermeister Raues Rede hochgehalten wurde, habe nach „MAZ“-Recherchen den Schriftzug „Sie wollen keine Wellen brechen, sondern Euch“ getragen. Darunter die Webadresse „schuelersprecher.info“, die erst im Impressum auf die Website der Jungen Nationalisten verlinkt oder die Jugendorganisation überhaupt erwähnt.
Arne Raue kommentiert in seiner Rede auf dem Jüterboger Markt darüber hinaus die Corona-Politik der Bundesregierung und Medienberichterstattung: Politik und Medien würden die Bevölkerung einschüchtern, sie in ein schlechtes Licht stellen, ihnen Attribute [Anm. d. Red.] geben, die in Raues Augen einfach unverschämt seien. Im von ihm veröffentlichten Video ist Applaus aus der Menge zu hören.
Kritik aus dem Stadtrat
Grundsätzlich haben die Stadtverordneten laut Recherchen der „MAZ“ kein Problem mit Demonstrationen und Meinungsbekundungen zur aktuellen Corona-Politik. Auch dass der Bürgermeister daran teilnimmt, sei sein gutes Recht, finden einige. Allerdings gebe es dabei Grenzen, so der Stadtverordnetenvorsitzende von Jüterbog, Danny Eichelbaum (CDU/BV): „Ich hätte mir gewünscht, dass sich der Bürgermeister von den anwesenden Vertretern der Jugendorganisation der NPD distanziert hätte.“ Eichelbaum stelle fest, dass rechte Gruppierungen wie die Jungen Nationalisten zunehmend versuchten, die Corona-Versammlungen zu ihren Zwecken zu missbrauchen, unwahre Behauptungen zu verbreiten und gegen den Staat zu hetzen.
Weiterhin findet Gabriele Dehn (SPD): „Als Bürgermeister gemeinsam mit der NPD zu demonstrieren, das ist eine Grenzüberschreitung und kein gutes Außenbild für Jüterbog als Wirtschaftsstandort.“ Die Linkenfraktion und das Bürgerbündnis Jüterbog (BBJ) fordern darüber hinaus eine offizielle Stellungnahme mit klarer Distanzierung von Rechtsextremisten wie den JN. „Von führenden demokratisch gewählten und der Demokratie verpflichteten Volksvertretern erwarten wir eine klare Distanzierung von demokratiefeindlichen Kräften“, so das Bürgerbündnis gegenüber der „MAZ“.
RND/hyd