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Kommentar

Urteil gegen KZ-Wachmann: Der Antisemitismus bleibt bedrohlich

Der angeklagte ehemalige KZ-Wachmann vor der Urteilsverkündung des Landgerichts Neuruppin.

Der angeklagte ehemalige KZ-Wachmann vor der Urteilsverkündung des Landgerichts Neuruppin.

Wie gefährlich der Antisemitismus war und weiter ist, zeigte der Dienstag exemplarisch. Das Landgericht Neuruppin verurteilte einen über 100 Jahre alten Mann, weil er im Konzentrationslager Sachsenhausen gearbeitet hatte, in dem auch Juden getötet wurden. Zeitgleich wurden in Berlin steigende Zahlen über antisemitische Vorfälle der Gegenwart präsentiert. Man sieht: Der Antisemitismus ist eine Krake mit vielen Armen.

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Ein Urteil gegen einen greisen Mann mag manchem unangebracht vorkommen. Doch Alter schützt vor Verantwortung nicht. Überdies hat der Mann all die Jahre genutzt, um sich seiner Verantwortung zu entziehen. Das bleibt aus der Perspektive der Opfer selbst nach so langer Zeit unerträglich. Manche leben schließlich noch – so wie manche Täter leben.

Es gilt alter Hölderlin-Satz

Was zum Holocaust führte, ist nach wie vor virulent. Nein, heute werden keine Konzentrationslager mehr errichtet. Doch der rechtsextremistische Antisemitismus ist neu erstarkt. Auch seine islamistische Variante zieht Kreise. Besorgniserregend ist vor allem, dass sich viele Urheber einschlägiger Taten gar keinem speziellen Milieu mehr zuordnen lassen. Der Antisemitismus ist abermals Alltag geworden – trotz Schoah.

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Zwar gilt für die Auseinandersetzung damit der alte Hölderlin-Satz: „Wo Gefahr ist, da wächst das Rettende auch.“ Es gibt mehr Menschen, die sich gegen Judenfeindschaft wehren, aufseiten des Staates und der Zivilgesellschaft. Freilich haben auch staatliche Instanzen versagt, als es darum ging, dem Antisemitismus bei der Documenta in Kassel rechtzeitig Einhalt zu gebieten. Dabei müssen alle wissen: Was heute geschieht, geschieht vor dem Horizont dessen, was vor 80 Jahren geschah. Das wird bleiben.

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