Ein rosa Elefant über den Dächern von Berlin
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Flurfest beim RND.
© Quelle: Thumbnail_Flurfest
Liebe Leserin, lieber Leser,
möglicherweise haben Sie es auf unserer Website oder in der gedruckten Zeitung gesehen: In dieser Woche hatten wir beim RND die Bude voll. Nach zwei Jahren Pause wegen Corona konnten wir endlich wieder zum Flurfest über den Dächern von Berlin einladen. Unsere Büros liegen in der siebten Etage der Bundespressekonferenz, von wo aus wir zum Hauptbahnhof und zum Kanzleramt schauen können.
Der Blick von oben hat den vielen Spitzenleuten der Ampelkoalition, die bei uns zu Gast waren, aber auch nicht dabei geholfen, den rosa Elefanten beiseitezuschieben, der in Form des Streits über die Atompolitik im Raum stand. Bei einem solchen Empfang werden Konflikte nicht offen angesprochen. Wenn es ans Eingemachte geht, trifft man sich hinter verschlossenen Türen. Aber an der nonverbalen Kommunikation oder an achtlos dahingesagten Bemerkungen konnte man sehr wohl ablesen, dass das Verhältnis insbesondere zwischen Grünen und FDP zurzeit einfach mies ist.
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Christian Lindner soll sich angesichts der vielen Niederlagen zunehmend abkapseln, sagen Beobachter.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Der Streit um den Streckbetrieb der Atommeiler hat es in sich: Die Liberalen halten es für nicht verantwortlich, in einer Energiekrise wie dieser nur zwei der drei noch in Betrieb befindlichen Meiler in den Streckbetrieb zu nehmen. Sie sind für eine grundsätzliche Laufzeitverlängerung, was auch den Einsatz neuer Brennstäbe bedeuten würde. Die Grünen hingegen halten es nicht für verantwortlich, mehr als zwei Meiler in den Streckbetrieb zu nehmen. Sie sollen statt – wie ursprünglich geplant zum Jahresende – nun zum 31. März vom Netz gehen. Ironie des politischen Streits: Wenn Finanzminister Lindner weiter die Verordnung für den Streckbetrieb blockiert, gilt die Atomausstiegsregelung weiter und alle Atomkraftwerke werden zum Jahresende stillgelegt. Das riecht nach noch ziemlich viel Ärger in der Ampelkoalition.
Zumal die Liberalen als Partei in einer schwierigen Situation sind. Seit dem Schließen des Bündnisses haben sie nun vier Landtagswahlen verloren, sind aus zwei Regierungen gefallen und haben zweimal den Einzug in den Landtag verpasst. Parteichef Lindner, dem nachgesagt wird, dass er sich angesichts der Kritik von außen zunehmend abkapselt, hat nach der Wahl in Niedersachsen die Devise ausgegeben, seine Partei müsse nun die „Positionslichter“ einschalten. Man fragt sich aber, ob die Liberalen damit nicht exakt den Fehler machen, den die SPD jahrelang immer wieder begangen hat. Nach jeder Wahlniederlage wurde ein „Jetzt erst recht“ beschlossen und verbissen durchgesetzt, was man für SPD pur hielt. Seitdem die SPD sich von diesem Politikstil verabschiedet hat, läuft es besser. Nun droht die FDP eben in diese Falle zu gehen. Im Fall einer Wahlniederlage muss man sich doch fragen: Was müssen wir anders machen? Anstatt das bisherige Konzept einfach nur umso offensiver einzufordern.
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Buntes Treiben auf dem RND-Flurfest 2022.
© Quelle: photothek
Jedenfalls mussten die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen und FDP unseren Empfang recht zeitig verlassen. Es war noch ein gemeinsames Abendessen angesetzt. Das sei bereits seit Januar geplant gewesen und einige Male verschoben worden, hieß es. Nun aber fand man, dass es dringend Zeit ist, tatsächlich miteinander zu reden.
Die Ministerinnen und Minister, die uns an diesem Abend besucht haben, waren übrigens sehr viel entspannter. Im Kabinett sei die Stimmung nach wie vor gut, versicherten sie. Wahrscheinlich stimmt das auch. Denn an dem großen ovalen Holztisch im Kanzleramt wird eigentlich nicht diskutiert. Die Tagesordnung wird vor dem Treffen fein säuberlich ausgekungelt. Es steht auch immer schon fest, wer zu welchem Thema vorträgt. Alle sind höflich zueinander – und wegen der Anschlusstermine nach der Sitzung am Vormittag hat auch niemand Interesse daran, die Veranstaltung mit Nachfragen in die Länge zu ziehen.
Machtpoker
Ich appelliere an die Länder, die Verantwortung auch wahrzunehmen.
Karl Lauterbach,
Gesundheitsminister, am Mittwoch im Bundestag
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Karl Lauterbach mahnt im Bundestag, die Pandemie ernst zu nehmen.
© Quelle: Getty Images
Die Corona-Infektionszahlen steigen wieder, und die Klinikbetten füllen sich. Angesichts der vielen anderen Krisen, mit denen Deutschland zurzeit beschäftigt ist, nimmt aber kaum jemand diese gerade wiederaufflammende Pandemie wirklich ernst. Die Bundesländer haben zum Beispiel die Möglichkeit, in Innenräumen wieder die Maskenpflicht einzuführen. Lauterbach forderte die Länder am Mittwoch im Bundestag dazu auf, eben diese Möglichkeiten umzusetzen.
Wie Demoskopen auf die Lage schauen
Das Umfrageinstitut Forsa wollte in dieser Woche von den Bürgerinnen und Bürgern wissen, wie sie zu den gegen Russland verhängten Sanktionen stehen. Auf die Frage, wem diese mehr schadeten, nannten 57 Prozent Deutschland und nur 21 Prozent Russland. Eine Mehrheit von 63 Prozent ist dennoch der Ansicht, dass die Sanktionen gegen Russland beibehalten (33) oder sogar verschärft werden sollten (30). Nach der Annexion ostukrainischer Gebiete durch Russland sehen der Forsa-Umfrage zufolge 45 Prozent eine gestiegene Gefahr für ein Überspringen des Kriegs auf andere europäische Länder oder sogar für den Einsatz atomarer Waffen. 49 Prozent meinen, die Gefahr sei unverändert.
Die Schwierigkeiten der Ampelkoalition, in dieser vielschichtigen Krisenlage rasch geeinte Lösungen zu präsentieren, sorgen vor allem bei SPD und FDP für anhaltend schlechte Umfragewerte:
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Die Sonntagsfrage.
© Quelle: Datawrapper
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