Die überforderte Regierung
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Regierungsbank
© Quelle: IMAGO/Political-Moments
Die Ampelregierung läuft seit Monaten auf Hochtouren, beschließt Entlastungspakete, Militärausgaben und energiepolitische Kehrtwenden fast im Wochentakt. Viele der schwierigen Entscheidungen, die Konsequenzen aus dem Krieg Putins gegen die Ukraine sind, konnten schnell und präzise getroffen werden. Und doch wirkt die Regierung hoffnungslos überfordert.
Wirtschaftsminister Habeck, der in einem TV-Talk nicht mehr nachvollziehbar erklären kann, was folgt, wenn Bäckereien wegen zu hoher Energiepreise ihren Betrieb einstellen müssen, hat das Problem der Regierung sichtbar für die ganze Nation illustriert. Auf der persönlichen Ebene: Der Minister hatte offensichtlich einen schlechten Moment. So wie Scholz einen schlechten Moment hatte, als er bei einer Pressekonferenz im Kanzleramt Palästinenserpräsident Abbas nicht widersprach. Solche Fehler passieren, wenn Menschen müde, unkonzentriert, überfordert sind. Das Problem für Scholz und Habeck ist, dass ihre Fehlleistungen besonders ins Gewicht fallen.
Keine Krise war so groß wie diese
Mehr noch: In einer derart schlimmen Krise, in der sich das Land befindet und immer mehr Menschen um ihre Existenz kämpfen, können solche Fehler das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Regierung erschüttern. Das ist fatal. Man möchte den Spitzen der Ampel nach dem 22-stündigen Verhandlungsmarathon am Wochenende zurufen: Dann schlaft euch halt mal aus und tretet dann wieder vor Kameras auf.
Die Spitzen der Ampelkoalition gehen aber nicht nur über die Grenzen ihrer persönlichen Kräfte hinaus, sie sind auch in der Sache überfordert. Eine unionsgeführte Bundesregierung wäre dies in der aktuellen Situation übrigens auch. Es liegt an der Dimension der Krise.
Der Begriff der historischen Krise ist in den vergangenen 15 Jahren häufiger genutzt worden – im Zusammenhang mit den Finanzkrisen der Nullerjahre, während des massenhaften Zuzugs von Geflüchteten im vergangenen Jahrzehnt und auch für die Corona-Pandemie. Es steht zu befürchten, dass diese Krise, in der es um Energie und Wirtschaft, um Inflation und Klimawandel sowie um die globale Sicherheit geht, schlimmer wird, als das was Deutschland seit der Jahrtausendwende bewältigen musste.
Energiekrise entfacht hitzige Debatte im deutschen Bundestag
Oppositionsführer Merz warf der Ampelkoalition in der Generaldebatte im Bundestag vor, eine Lösung der Energiekrise zu verschleppen.
© Quelle: Reuters
So emotional sieht man den Kanzler selten
Der Befund, dass die Regierung in Teilen gar nicht anders kann, als den Problemen hinterherzuregulieren, entbindet den Kanzler und sein Kabinett aber nicht davon, handwerklich solide Arbeit abzuliefern und so zu kommunizieren, dass sie die Mehrheit der Bevölkerung bei ihren Entscheidungen mitnimmt. Zugleich muss der Anspruch sein, hart an der Realität zu bleiben – weder eine Beschönigung der Lage oder vollmundige Versprechen noch das Beschreiben von Schreckensszenarien helfen weiter.
Wie blank die Nerven bei Regierung und Opposition liegen, konnte man diesen Mittwoch im Bundestag bei der Generaldebatte sehen. Man hielt sich gegenseitig die Fehler der Vergangenheit vor und immer wieder ging es um die Frage des Atomstroms, die eine wichtige ist – in der öffentlichen Debatte ihre wahre Bedeutung aber deutlich übersteigt.
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So emotional wie an diesem Mittwochmorgen im Bundestag sieht man den Kanzler selten, was daran lag, dass die Provokationen von Oppositionsführer Friedrich Merz gesessen haben. Es lag auch daran, dass die Bundesregierung mit ihrem angekündigten 65-Milliarden-Euro-Paket tatsächlich alles nach vorne geworfen hat, was innerhalb der von der FDP geforderten Schuldenbremse möglich ist. Und schon jetzt ist klar, dass die Hilfen nicht reichen werden, damit Scholz sein Versprechen „You‘ll never walk alone“ (Niemand wird zurückgelassen) einlösen kann.
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