Grüne fordern Spahn bei Corona-Hotspots zum Handeln auf: “Setzen Sie bundesweit verbindliche Vorgaben”
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Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag, ruft Jens Spahn dazu auf, das Corona-Management wieder in Berlin zu bündeln.
© Quelle: Martin Schutt/zb/dpa
Berlin. Die Bundestagsfraktion der Grünen hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dazu aufgefordert, mehr Kompetenzen für die Corona-Bekämpfung bei der Bundesregierung zu bündeln, um eine zweite Infektionswelle abzuwenden.
Grüne: Verbindliche Vorgaben würden Kreisen helfen
Der Bund müsse Ländern und Kreisen mehr konkrete Vorgaben machen und sie stärker dabei unterstützen, gegen lokale Infektionsherde vorzugehen, schreiben Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sowie die Innenpolitikerinnen Irene Mihalic und Kordula Schulz-Asche in einem Brief an Jens Spahn, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
“Klare, bundesweit einheitliche und verbindliche Vorgaben würde auch ihnen Sicherheit und Freiheit in ihren Entscheidungen zum Wohle der Bevölkerung geben und auch für die Bevölkerung leichter zu erklären sein”, schreiben sie mit Blick auf die Landkreise – und fordern Spahn auf: “Setzen Sie bundesweit verbindliche Vorgaben zum Umgang mit Corona-Hotspots.” Die Grünen böten der Bundesregierung dafür die Unterstützung ihrer Fraktion im Bundestag an.
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Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Göring-Eckart und ihre Fraktionskolleginnen kritisieren “die späte und kaum koordinierte Reaktion” auf die Vorfälle bei Tönnies in Nordrhein-Westfalen. Dies habe “eine chaotische Lage entstehen lassen, die das Vertrauen in den politischen Kurs bei der Virusbekämpfung erschüttert, enormen sozialen Unfrieden stiftet und uns einer zweiten Welle bedrohlich nahe bringt”, heißt es in dem dreiseitigen Brief, den die Grünen an diesem Freitag an Spahn geschickt haben.
“Die kritische Schwelle von 50 Infektionsfällen pro 100.000 Einwohner scheint nur auf dem Papier zu gelten”, schreiben sie darin. Nirgends sei klar vereinbart worden, welche Testquote dem jeweiligen Infektionsgeschehen entspreche, “und es gab keine klare Verpflichtung zum Handeln”. Stattdessen sei die Verantwortung fast nur an die Kommunen und Kreise vor Ort delegiert worden, heißt es weiter.
Gütersloh: Maßnahmen zu spät ergriffen
Obwohl Spahn “richtigerweise unermüdlich gemahnt (hatte), vorsichtig und umsichtig zu bleiben”, habe die Bundesregierung nicht interveniert, als dies bei den neuesten Ausbrüchen unter anderem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachen nicht geschehen sei.
Wie Spahn in seiner Regierungserklärung Anfang März betont hatte, gehe “die Sicherheit der Bevölkerung im Zweifel vor, auch vor wirtschaftlichen Interessen”. So aber hätten nach dem Ausbruch beim Fleischproduzenten Tönnies zu wenige der politisch Verantwortlichen agiert, moniert Göring-Eckart. Wissenschaftliche Empfehlungen seien ignoriert und Maßnahmen zu spät ergriffen worden. Die Grünen sehen die Ursache im “aktuellen Nebeneinander und Konkurrenzstreben vieler einzelner Akteure auf lokaler oder Länderebene”.
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Innenpolitikerin Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen)
© Quelle: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dp
Aus Sicht der Grünen-Abgeordneten muss das Bundesgesundheitsministerium bei Pandemieausbrüchen “mit Nachdruck dafür sorgen, dass gemeinsame, nachvollziehbare Handlungsoptionen zur Verfügung stehen”. Als dringlichste Schritte fordern sie:
- gemeinsame und verbindliche Pandemieschutzpläne,
- die Einberufung eines Pandemierates als festes, unabhängiges wissenschaftliches Beratergremium der Bundesregierung,
- eine Corona-Taskforce von Bund und Ländern zur schnellen Unterstützung betroffener Regionen sowie
- eine Vorgabe für zielgenaue Corona-Tests mit verbindlichen Meldekriterien über die Infektionsentwicklung und
- einheitliche Konzepte zum Schutz vor Superspreading-Ereignissen etwa in Schlachtbetrieben, die das Robert-Koch-Institut entwickeln müsse.
Zur Begründung heißt es unter anderem: “Die Festlegung auf eine kritische Schwelle von 50 Infizierten auf 100.000 Einwohner bleibt ein Formelkompromiss, solange es keine gemeinsamen und verbindlichen Kriterien gibt, für den Fall, dass diese Zahl überschritten ist oder lokal ein Hotspot mit geringerer Infektionszahl entsteht.”
Deswegen müsse der Bund zusammen mit den Ländern Pandemieschutzpläne “mit einem Set geeigneter Maßnahmen zur Eindämmung des Ausbruchsgeschehens erarbeiten und ständig weiterentwickeln”, fordern die Grünen. Federführend müsse eine Bundesbehörde sein, etwa das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut.
“Das Vertrauen und die Unterstützung der Bürger” aus der ersten Phase der Epidemie “darf nicht verspielt werden durch Nachlässigkeit und Intransparenz”, warnen Göring-Eckardt, Mihalic und Schulz-Asche. “Der Bund darf es sich nicht leisten, bei der Bekämpfung dieser Herausforderung nachzulassen und die Aufgaben nur an die Länder oder sogar einzelne Kommunen zu delegieren.”
An Spahn gerichtet schreiben die Grünen: “Wir ermutigen Sie: Kommen Sie Ihrer Verantwortung als Bundesgesundheitsminister nach und setzen Sie diese durch.”