Grünen-Mitglieder machen gegen Boris Palmer mobil – der rechtfertigt sich
Stuttgart. Nach umstrittenen Äußerungen zum Umgang mit Corona-Patienten fordern Dutzende Grüne den Parteiausschluss des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer. Palmers parteischädigende Äußerungen zeigten, dass die Grünen "längst nicht mehr seine politische Heimat" seien, heißt es in einem offenen Brief, in dem der baden-württembergische Landesvorstand und der Kreisvorstand Tübingen aufgefordert werden, ein Parteiordnungsverfahren oder Parteiausschlussverfahren gegen Palmer anzustrengen. Die Vorstände müssten als zuständige Organe alle Möglichkeiten ausschöpfen, "um diesen politischen Geisterfahrer alsbald aufzuhalten". Zunächst hatte der "Tagesspiegel" darüber berichtet.
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Palmer fühlt sich falsch dargestellt
Palmer hatte zur Corona-Krise gesagt: “Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.” Damit hatte er parteiübergreifend für Empörung gesorgt - und sich später entschuldigt, falls er sich “da missverständlich oder forsch ausgedrückt” habe. Am Sonntag sagte er der Deutschen Presse-Agentur, dass es im leid tue, dass er mit seinen Aussagen Menschen verletzt habe.
Er fühle sich aber falsch dargestellt. Ihm sei es bei den Aussagen um armutsbedrohte Kinder vor allem in Entwicklungsländern gegangen, deren Leben durch die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns bedroht seien. Seine Äußerungen stünden in voller Übereinstimmung mit den grünen Grundwerten. Die Grünen hätten sich immer für Entwicklungsländer verantwortlich gefühlt. “Hingegen widerspricht die Absicht, Diskussionen durch Parteiausschluss zu beenden, dem Geist und der Satzung unserer Partei.”
“Propaganda gegen Schwächere”
Der offene Brief gegen Palmer ist von besonders vielen Grünen-Mitgliedern aus Berlin unterzeichnet. "Mit seinen Äußerungen spaltet er die Gesellschaft, simplifiziert gesellschaftliche Probleme und betreibt immer wieder Propaganda gegen Schwächere", heißt es darin. Palmer sei "unbelehrbar".
Auch der baden-württembergische Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner kritisierte Palmer und legte ihm einen Parteiaustritt nahe. “Boris Palmers Aussagen spalten und sprechen indirekt Risikogruppen das Recht auf Behandlung und Schutz ab – wohl wissend, dass damit dunkle Geister beschworen werden”, sagte Ebner dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). “Das mag manchem gefallen, ganz sicher widerspricht es aber zutiefst der Haltung der Grünen. Für die Grünen sprechen kann er daher nicht, und er muss sich fragen lassen, ob er noch in der richtigen Partei ist.”
RND/dpa