SPD-Spitzenkandidatur

Nancy Faesers riskanter Ausflug in die hessische Landespolitik

Nancy Faeser (links), damals Fraktionsvorsitzende der SPD, spricht bei der Sondersitzung des hessischen Landtags zum Corona-Sondervermögen des Landes.

Nancy Faeser (links), damals Fraktionsvorsitzende der SPD, spricht bei der Sondersitzung des hessischen Landtags zum Corona-Sondervermögen des Landes.

Also doch: Nancy Faser wird SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Hessen am 8. Oktober. Dabei will die 52-jährige, im Taunus geborene Politikerin aber in jedem Fall Bundesinnenministerin bleiben. Auf dem Hessengipfel der Partei am 3. Februar in Friedewald wird sie offiziell verkünden, dass sie antritt. Mit von der Partie sind dann die sozialdemokratischen Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz und Anke Rehlinger aus dem Saarland.

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Ihre Festlegung, im Kabinett von Olaf Scholz zu verbleiben, birgt ein gewisses Risiko. Anders als CDU-Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der seit 2009 in der hessischen Landespolitik in verschiedenen Funktionen aktiv ist, könnte sie als eine Kandidatin „auf der Durchreise“ wahrgenommen werden, die sich nur im Fall eines Wahlerfolgs im Land engagiert. „Wenn die Wählerinnen und Wähler sich anders entscheiden, werde ich weiterhin als Bundesinnenministerin meiner Verantwortung gerecht werden“, sagt sie im „Spiegel“-Gespräch.

Ließ 2012 seine Zukunft offen, als er sich um das Amt des Ministerpräsidenten in NRW bewarb: Norbert Röttgen. Die Wähler wollten Klarheit – und schickten ihn zurück nach Berlin, wo er allerdings seinen Ministerposten im Merkel-Kabinett trotzdem verlor.

Ließ 2012 seine Zukunft offen, als er sich um das Amt des Ministerpräsidenten in NRW bewarb: Norbert Röttgen. Die Wähler wollten Klarheit – und schickten ihn zurück nach Berlin, wo er allerdings seinen Ministerposten im Merkel-Kabinett trotzdem verlor.

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In ähnlichen Konstellationen scheiterten beispielsweise Renate Künast oder Norbert Röttgen. Der wollte 2012 als Bundesumweltminister Ministerpräsident in Düsseldorf werden und wurde deshalb von führenden Sozialdemokraten heftig kritisiert – als Mann, der sich nicht traut (NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft). Die Attacken auf die Teilzeit-Innenministerin werden vermutlich nicht lange auf sich warten lassen.

Es sind jetzt nicht die Zeiten, um Wahlkampf zu machen. Wir haben einen furchtbaren Krieg in Europa, die Bedrohungslagen sind groß.

Nancy Fraeser (SPD),

Bundesinnenministerin

Gleichzeitig betonte Faeser im „Spiegel“, einen eher zurückhaltenden Wahlkampf in Hessen führen zu wollen. „Es sind jetzt nicht die Zeiten, um Wahlkampf zu machen. Wir haben einen furchtbaren Krieg in Europa, die Bedrohungslagen sind groß“, so die Bundesinnenministerin. Das sei auch gar nicht nötig, denn „die Menschen in Hessen kennen mich. Ich habe 18 Jahre lang Landespolitik gemacht.“

Das kritisierte der grüne Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz scharf: „In solchen Zeiten darf man politisch nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen“, sagte er „T-Online“.

Viel Arbeit für eine Innenministerin

Dabei sind die Aufgaben, die in Berlin auf sie warten, tatsächlich gewaltig: Russlands Krieg gegen die Ukraine wird von erhöhten Spionageaktivitäten gegen westliche Staaten flankiert, Cyberangriffen zum Beispiel. Zudem steigen die Zahlen der Geflüchteten aus der Ukraine. In Deutschland müssen Hunderttausende Menschen verteilt werden. Nicht nur das: 2022 kamen rund 220.000 Asylsuchende aus anderen Staaten, auch hier werden im Frühjahr und Sommer steigende Zahlen erwartet. Faeser hat nach dem Messerattentat im schleswig-holsteinischen Brokstedt versprochen, die Abschiebung mutmaßlicher Gewalttäter zu erleichtern.

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Es gibt rechtsextreme Aktivitäten, im Sommer beginnt der Prozess im Zusammenhang mit der Razzia gegen „Reichsbürger“, regelmäßig werden Anschläge islamistischer Gefährder vereitelt, die Clankriminalität beschäftigt die Öffentlichkeit.

Faeser bei Umfragen nur mäßig beliebt

In der öffentlichen Wahrnehmung rangiert sie im Ranking der Beliebtheitswerte eher im unteren Bereich der Politikprominenz. Im jüngsten ZDF-Politbarometer lag Faeser (minus 0,1 Sympathiepunkte auf einer Skala von +5 bis -5) hinter CSU-Chef Markus Söder auf Platz sieben nur knapp vor CDU-Chef Friedrich Merz. In den letzten Umfragen in Hessen hatte die CDU die Nase vorn.

Schon vor ihrer Erklärung am Donnerstag war Kritik in FDP, CDU und Grünen an einer möglichen Doppelrolle Faesers laut geworden. Die Funktionen ließen sich nicht miteinander vereinbaren, hieß es. Aus der CDU gab es bereits Forderungen, sie möge umgehend ihren Posten als Bundesinnenministerin aufgeben.

Als Amtsinhaber noch ein Newcomer: Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU).

Als Amtsinhaber noch ein Newcomer: Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU).

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Vor fünf Jahren wurde die hessische CDU unter dem damaligen Ministerpräsidenten Volker Bouffier mit 27 Prozent stärkste Partei – weit vor Grünen und SPD, die auf je 18,9 Prozent Stimmenanteil kamen. CDU und Grüne setzten daraufhin ihre 2014 begonnene Zusammenarbeit fort. Im Mai 2022 übernahm der damalige Landtagspräsident Rhein von Bouffier, der sich zurückzog, das Amt des Ministerpräsidenten.

Beide stellen sich erstmals Wählervotum

Rhein und Faeser stellen sich somit als Spitzenkandidaten erstmals dem Wählervotum, anders als Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, der grüne Spitzenkandidat. In der hessischen SPD ist Faeser bestens vernetzt. Seit den 1990er-Jahren ist sie Mitglied des Kreistags im Main-Taunus-Kreis und seit 2006 Stadtverordnete in ihrer Heimatstadt Schwalbach am Taunus.

Im hessischen Landtag saß sie von 2003 bis 2021, zuletzt als Fraktionsvorsitzende. Von Februar 2014 bis 2019 war sie Generalsekretärin der hessischen SPD. Die Niederlagen ihrer Parteifreunde Andrea Ypsilanti und Thorsten Schäfer-Gümbel hat sie aus nächster Nähe erleben müssen.

Nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke profilierte sich Faeser vor allem im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Im Mai 2021 erhielt sie Drohbriefe, unterschrieben mit „NSU 2.0“. Als Bundesinnenministerin wird ihr über Parteigrenzen hinweg im Kabinett eine ordentliche Bilanz beschieden.

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RND/dpa/AP/stu

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