Schwesig und die langen Gazprom-Schatten
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Die Causa Klimastiftung setzt Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD) unter Druck.
© Quelle: Stefan Sauer
Schwerin. Es gibt politische Skandale, die jahrelang vor sich hin glimmen, obwohl der Lauf der Welt und die politischen Karrieren der Beteiligten sich längst weit davon entfernt haben. Manchmal verlischt den Funke der Empörung dann irgendwann. Bei Olaf Scholz und dem Cum-ex-Skandal könnte das so ablaufen.
Manchmal facht aber ein Detail das Feuer erst recht wieder an. Bei Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und den Vorgängen um die vom russischen Gaskonzern Gazprom ferngesteuerte Umwelt- und Klimastiftung waren es ganz reale Flammen: Eine Finanzbeamtin hat vermutlich drei Steuererklärungen der Stiftung in Panik in einem Kamin verbrannt.
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Das Klingelschild der Stiftung Klima- und Umweltschutz am Eingang eines Wohn- und Geschäftshauses. Die Klimastiftung MV – ersonnen zur Umgehung angedrohter US-Sanktionen beim Bau der Ostsee-Erdgasleitung Nord Stream 2 – lastet auf der Regierung von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Schwesig.
© Quelle: Jens Büttner/dpa
Seither schauen alle noch einmal ganz genau hin, welche Ungereimtheiten es im Zusammenhang mit der Stiftung gab, die vordergründig Umweltprojekte fördern, real aber als zwischengeschaltete Instanz die am Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 beteiligte Unternehmen vor US-Sanktionen bewahren sollte.
Schwesig muss nun sogar das Erinnerungsvermögen von Stiftungsvorstand Erwin Sellering fürchten, ihrem Förderer und Vorgänger in der Staatskanzlei. CDU-Chef Friedrich Merz forderte vor Tagen schon einmal ihren Rücktritt. Dieser sei längst überfällig.
„Was da passiert ist, ist ein unfassbarer Vorgang, bei dem aber alle Details nur schrittweise an die Öffentlichkeit kommen“, hatte Merz gesagt. Jede Veröffentlichung mache die Sache nur schlimmer.
Innenminister Pegel weist Vorwürfe zurück
Ob Merz da schon einen Hinweis auf die neuesten Enthüllungen der „Welt am Sonntag“ bekommen hatte? Das Blatt will „verräterische Spuren in der Stiftungssatzung“ entdeckt haben. Danach spielte das Gazprom-Tochterunternehmen Nord Stream 2 AG möglicherweise eine größere Rolle als bislang angenommen. Die Zeitung bezieht sich auf einen ihr vorliegenden digitalen Datensatz zum Satzungsentwurf. In den Metadaten des Dokuments finde sich als Autor niemand aus der Landesregierung, sondern der Name einer Wirtschaftskanzlei, die mehrfach für das vom Kreml gesteuerte Unternehmen tätig gewesen sei.
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) wies die Vorwürfe am Samstag zurück. „Landtag und Landesregierung haben eine eigene, unbeeinflusste Entscheidung für die Gründung der Klima- und Umweltschutzstiftung getroffen.“ Es habe keine Beeinflussung der eigenständigen Entscheidung von Landtag und Landesregierung durch Nord Stream 2 gegeben.
Der Merz-Vertraute und CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Die rührende Geschichte von Frau Schwesig und Herrn Pegel, dass die Landesregierung das Konstrukt der Stiftung erdacht und Gazprom lediglich um Prüfung gebeten hat, gerät mächtig ins Wanken. Die Kernfrage ist doch: War Gazprom der Koch und Schwesig nur die Kellnerin? Wenn ihr Minister nicht plausibel erklären kann, wie die Metadaten einer mit Gazprom verbundenen Kanzlei in Dokumente der Landesregierung kommen, scheint man in Schwerin jedenfalls vollkommen den Überblick über die Lage verloren zu haben.“
Amthor: Pegel hat den Überblick verloren
Pegel bleibt bei seiner Darstellung: „Die Endfassung der Satzung ist weitgehend durch mich selbst in Vorbereitung der politischen Entscheidung über die Stiftungsgründung zusammengestellt worden“, erklärte er am Samstag. „Dabei habe ich bei der Erarbeitung der Satzung unterschiedliche Anregungen wie Formulare und Vorlagen eingesetzt, die in meinen Satzungsentwurf eingeflossen sind.“ Wie lange bekannt, habe es dabei Austausch mit Nord Stream 2 gegeben, ebenso mit dem späteren Stiftungsvorstandsvorsitzenden Erwin Sellering. Zwar sei er mit Vertretern von Nord Stream 2 in Kontakt gewesen, „mit einer Anwaltskanzlei aber im Rahmen der Stiftungsgründung zu keinem Zeitpunkt“.
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Philipp Amthor (CDU/CSU) bei seiner Rede zur Debatte „Aktuelle Stunde – Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern“ bei der 87. Sitzung des Deutschen Bundestages in Berlin.
© Quelle: IMAGO/Political-Moments
Amthor gibt sich damit nicht zufrieden. Er fragt: „Warum hat Minister Pegel seinen Satzungsentwurf ausgerechnet in einem Dokument dieser Kanzlei zusammengeführt, und welchen Inhalt hatte das Dokument vor der Bearbeitung durch die Landesregierung? Die renommierte Kanzlei ist meines Wissens kein kostenloser oder gar öffentlicher Internetmarktplatz für Musterentwürfe von Satzungen für Hobbystiftungsrechtler.“
Mit dpa