Inflation, Energiekrise, Klimawandel: So antwortet Olaf Scholz auf Bürgerfragen
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht in der ZDF-Sendung mit der Moderatorin Maybrit Illner (rechts).
© Quelle: Svea Pietschmann/ZDF/dpa
Der Krieg in der Ukraine zieht immer größere Kreise nach sich. Bei den Menschen in Deutschland macht sich das vor allem im Portemonnaie bemerkbar. Die monatlichen Inflationsraten jagen einen Rekordwert nach dem nächsten, die anstehenden Preisexplosionen bei Strom und Gas tun ihr Übriges. Und dann sind da auch noch Corona und der Klimawandel. Die Krisen türmen sich, die Unsicherheit der Bevölkerung wächst. In der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am Donnerstag (Ausstrahlung um 22.25 Uhr) stellt sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Problemen eingeladener Bürgerinnen und Bürger.
Den Intensivpfleger Ralf Berning bereiten als werdender Vater vor allem die Preisexplosionen „große Sorgen“. Vom Kanzler will er wissen, was noch auf die Menschen zukommt und konkret: „Lohnt es sich für mich überhaupt noch, voll zu arbeiten?“ Scholz blickt ihn verdutzt an, ehe sein viel zitiertes Lächeln die Mimik übernimmt. „Unbedingt“, sagt er und unterstreicht mit Bezug auf die gesamte Bevölkerung, dass sonst „alles zusammenbrechen“ würde.
Der Kanzler räumt aber ein: „Man muss sich das Leben leisten können“, und verweist auf die staatlichen Entlastungen wie Familienbonus, Energiepauschale, 9-Euro-Ticket und Tankrabatt. Weitere Hilfen seien das Ziel – auch das der von ihm ins Leben gerufenen konzertierten Aktion. Er bittet dennoch um Geduld: „Ich kann niemandem seriös versprechen, dass die Probleme von dem einen auf den anderen Tag verschwinden werden.“
Scholz: „Deutschland steht vor keinem Staatsbankrott“
Keine guten Nachrichten für das Bäckerehepaar Cornelia und Steffen Stiebling. Der Ehemann berichtet, die bisherigen Entlastungen würden nicht reichen. Energie- und Rohstoffkosten seien „explodiert“, die Zukunft der bald 100-jährigen Bäckerei stünde auf dem Spiel – so wie die vieler anderer Mittelstandsbetriebe. „Da muss etwas Grundsätzliches her“, so der klare Appell. Scholz betont deutlich. „Wir werden nicht alle Preise runtersubventionieren können“. Aber: „Wir sind fest entschlossen, niemanden alleine zu lassen.“ Der Bäcker ist nicht zufrieden: „Das kann kein Zustand sein.“
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© Quelle: Reuters
Auch die Studentin Rifka Lambrecht geht mit dem Kanzler hart ins Gericht. Bei ihr sei von den Entlastungen bislang nur das 9-Euro-Ticket angekommen. Sie befürchte, dass die jungen Menschen als Verlierer aus den Krisen hervorgehen werden. Dabei zählt sie die Klimakrise, das Rentensystem und die Staatsschulden auf. „Deutschland steht vor keinem Staatsbankrott“, so Scholz. Im Gegenteil. Man sei auf dem bestem Wege, das Wirtschaftsniveau aus der Zeit vor Corona wieder zu erreichen. Im Vergleich zu „vielen anderen Ländern“ sei Deutschland in einer guten Position.
Illner wird ungeduldig mit dem Kanzler
Die ukrainische Verlegerin Kateryna Mishchenko, die vor dem Krieg nach Deutschland geflüchtet ist, lobt die gesellschaftliche Solidarität hierzulande mit ihrem Volk. Diese sei auch die Basis für die politische Unterstützung mit ihrem Land gewesen. Doch wie reagiert die Regierung, sollte die Solidarität in der Bevölkerung abnehmen?
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Der Kanzler flüchtet sich mit einer Lobeshymne auf die Hilfsbereitschaft der Deutschen, wird dafür aber von Illner auf den Pott gesetzt. „Wie lange wird die Regierung standhaft bleiben?“, fragt die Moderatorin erneut. Scholz bleibt unkonkret, Illner wird ungeduldig. „Wie lange kann Politik gegen eine Stimmung im Land gemacht werden?“ Nun hat sie Scholz. „Ich glaube, dass man immer nur mit der Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger agieren kann“, so der Kanzler. „Aber ich glaube, dass das sehr lange möglich sein wird, und dass wir so lange wie es notwendig ist, die Solidarität mit der Ukraine aus Deutschland heraus aufrecht erhalten können.“
Scholz begründet auch warum: „Wir können nicht akzeptieren, dass ein Land seinen Nachbarn überfällt und sagt: ‚Ich klaue mir ein Stück von der Fläche, die gehört jetzt mir.‘“ Deutschland sei allein deshalb zu Solidarität verpflichtet, weil in der Ukraine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verteidigt würden.
Diskussion um Deutschlands Gasversorgung
Bäcker Stiebling versteht nicht, dass die Regierung mit ihren Sanktionen riskiert, dass das Land „komplett gegen die Wand gefahren“ werde. Immerhin sei man in Sachen Energie maßgeblich von Russland abhängig. Scholz verweist darauf, dass die EU kein Gasembargo verhängt habe. Russland habe die Lieferungen aus nicht nachvollziehbaren Gründen zurückgefahren. Der nun im Raum stehende Engpass sei zwar möglich, aber noch lange nicht sicher.
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Sollte das Gas tatsächlich knapp werden, spricht sich Krankenpfleger Berning dafür aus, dass die Industrie den Haushalten vorgezogen werde. Dies sei „sinnvoll“, damit Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auch noch arbeiten könnten. Auch er zeigt Unverständnis für die aktuelle Situation: „Dass wir überhaupt in diese Situation gekommen sind …“ Scholz wird jedoch nicht müde, zu betonen, dass sich Deutschland schon deutlich früher als andere Staaten auf eine potenzielle Mangellage vorbereitet habe.
Berning scheint nicht zufrieden. Er fordert vom Kanzler eine klarere Kommunikation – „wie Habeck“. Die kürzlich viral gegangene Nö-Antwort des Kanzlers, ob er Tipps zum Energiesparen habe, schmeckt dem Krankenpfleger überhaupt nicht. Klartext: „Da fühlt sich der Bürger veräppelt.“
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Und täglich grüßt das „Nö“
So fühlt sich auch die Studentin in der Runde. Sie kritisiert, dass die Regierung – entgegen der Wahlversprechen – wieder vermehrt auf fossile Energien zurückgreife. Als Beispiel nennt sie die Gasinvestition in den Senegal. Dies sei eine „Täuschung der Öffentlichkeit“. Weiter fordert sie die Verkehrswende, die aber von der FDP blockiert werde. „Warum hauen sie nicht mal auf den Tisch?“, fragt sie Scholz direkt. Illner legt nach: „Lassen sie sich abkochen?“ Scholz: „Nö. Tun wir nicht.“ Da ist er wieder.
Scholz betont Deutschlands Ziel, als erste Industrienation klimaneutral zu werden. Entgegen des Protests Lambrechts zur EU-Taxonomie-Entscheidung, Atomkraft und Erdgas als grün einzustufen, entgegnete der Kanzler, er habe dagegen gestimmt, das Vorgehen jedoch nicht mehr aufhalten können.
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Nach einer hitzigen Debatte im EU-Parlament gibt es nun eine Entscheidung: Atomkraft und Erdgas werden künftig EU-weit als klimafreundlich eingestuft.
© Quelle: dpa
Scholz sieht keine Möglichkeit für Steuererhöhungen
Am Ende geht es noch um das Thema Steuern. Bäcker Stiebling empört sich, dass internationale Großunternehmen in Deutschland kaum zur Kasse gebeten würden, während der Mittelstand abdrücken müsse. Dies müsse sich ändern. Scholz macht klar: „Wir haben keine Gesetzgebungsmehrheit für Steuererhöhungen.“ Mit Blick auf die FDP fügt er hinzu: „Das ist etwas, wo unterschiedliche Überzeugungen existieren.“ Er selbst sei für ein gerechteres Steuersystem, wie es auch im SPD-Programm für die Bundestagswahl im vergangenen Jahr verankert gewesen sei.