Warum die Abrams für die Ukraine jetzt nutzlos wären – aber ein guter Bluff sind
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Ein M1 Abrams Kampfpanzer bei einer Übung.
© Quelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com | U.S. Army
Das Unverständnis in der Ukraine ist groß. Man wolle keine Alleingänge machen, hieß es von der deutschen Bundesregierung, deshalb liefere man keine Kampfpanzer. Doch nachdem Großbritannien nun den Kampfpanzer Challenger 2 an die Ukraine abtreten will, weigert sich Berlin weiterhin gleichzuziehen. „Kann mir das jemand erklären?“, fragte der ukrainische Vizeaußenminister und Ex-Botschafter Andrij Melnyk. Bundeskanzler Olaf Scholz will nun erst Leopard-Panzer abgeben, wenn die USA ihrerseits der Ukraine eigene Abrams-Kampfpanzer zur Verfügung stellen.
Schon länger schaut Scholz bei der Frage, ob er grünes Licht für deutsche Kampfpanzer geben soll, in die USA. Ohne Washington rollt kein deutscher Leopard in die Ukraine, so der Eindruck, der sich mehr und mehr manifestiert. Bereits vor mehr als einer Woche hatte das US-Magazin „Politico“ berichtet, dass Scholz’ Position stark von US-Präsident Joe Biden abhänge. Beide Staatschefs würden sich in enger Abstimmung befinden. Ukrainische Beamte sollen laut dem Bericht sogar vorgeschlagen haben, dass die USA nur eine Handvoll Abrams-Panzer liefert, um Deutschland unter Zugzwang zu setzen. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte Abrams-Panzer. Eine solche Lieferung hätte vor allem symbolischen Wert und wäre ein cleverer Schachzug, um Deutschlands Entscheidungsspielraum beim Leopard-Panzer endgültig auf null zu drücken.
Polen könnte US-Kampfpanzer Abrams abgeben
Eine einfache Möglichkeit für die Lieferung von Abrams an die Ukraine liegt auf der Hand: Die USA hatten Polen im April 250 Abrams verkauft, von denen die ersten bereits ausgeliefert wurden. Im August wurde in Polen auch eine „Abrams-Akademie“ eröffnet, in der polnische Soldaten lernen, wie man die US-Panzer bedient und wie sie sich von den sowjetischen Modellen unterscheiden. Es besteht demnach die Möglichkeit, dass Polen mit Genehmigung der USA einige Abrams-Panzer an die Ukraine abgibt und in Polen auch die Ausbildung ukrainischer Soldatinnen und Soldaten an den US-Kampfpanzern stattfinden könnte. Das Pentagon stellte am Mittwoch jedoch klar, dass man Kiew keine M1-Abrams-Kampfpanzer liefern werde. Auf die Möglichkeit, Polen eine Freigabe für den Export von Abrams zu erteilen, ging man jedoch nicht ein.
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Im Gegensatz zum Leopard-Panzer würden die amerikanischen Abrams der Ukraine zunächst auch kaum Vorteile im Kriegsgeschehen verschaffen. Das hat gleich mehrere Gründe. Verteidigungsstaatssekretär Colin Kahl machte deutlich, dass die Abrams ein „sehr komplizierter“ Panzer seien. Die Ausbildung dauere sehr lange, die Handhabung sei kompliziert und mit seinem Turbinenantrieb sei der Treibstoffverbrauch (Kerosin statt Diesel) des Abrams-Panzers sehr hoch.
Der Grund, warum überhaupt Gasturbinenmotoren verwendet werden: Sie haben mehr Leistung, ohne den Panzer dadurch viel schwerer zu machen. Das leichte, leistungsstarke Triebwerk sorgt dafür, dass der Ambrams schneller fahren und besser manövrieren kann als die meisten vergleichbaren Kampfpanzer. Außerdem sind die Motoren kleiner, sodass im Panzer mehr Platz für andere Dinge bleibt. Hinzu kommt die komplizierte Wartung des Kampfpanzers. Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte zuvor mehrfach erklärt, die USA wollten den Ukrainerinnen und Ukrainern keine Waffen liefern, „die sie nicht selbst reparieren und unterhalten können“.
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© Quelle: Reuters
Neue Logistikketten für Abrams in der Ukraine nötig
Tatsächlich ist der Abrams-Kampfpanzer aufgrund der komplizierten Wartung und Logistik, die in der Ukraine erst einmal von Grund auf neu aufgebaut werden müsste, nicht die erste Wahl. Die ukrainischen Streitkräfte stehen vor großen logistischen Herausforderungen und sind daher primär auf Waffensysteme angewiesen, die keinen überdimensionierten Spritverbrauch haben (in diesem Fall Flugbenzin) oder Ersatzteile und spezielle Schmiermittel benötigen, die nur schwer zu bekommen sind. Der Leopard-Kampfpanzer wäre deshalb besser geeignet.
„Drei oder vier Kampfpanzertypen gleichzeitig im Feld zu operieren, bedarf einer logistischen Meisterleistung und wird die Massierung von Kräften für offensive Operationen sehr schwierig machen“, sagt der Militärexperte Franz-Stefan Gady vom International Institute for Strategic Studies (IISS). Wären Challenger 2, Leopard 2, M1 Abrams und T-72-Kampfpanzer in der ukrainischen Armee im Einsatz, würde das „enorme militärische Ressourcen verbrauchen und die operative Flexibilität der Ukraine verringern“. Und da nun auch Frankreich erwägt, eigene Leclerc-Kampfpanzer in die Ukraine zu schicken, könnte die Zahl der verschiedenen Typen noch auf fünf steigen. Derzeit setze die Ukraine Kampfpanzer vor allem zur indirekten Feuerunterstützung ein.
Leopard-Panzer statt Abrams
Militärexperte Gady schlägt vor, sich von Anfang an auf einen bestimmten Typen der Leopard-Panzer zu konzentrieren und die politischen und logistischen Grundlagen für die Lieferung über viele Monate zu schaffen. Von ihnen gibt es mehr als 2000 in den europäischen Armeen und viele Ersatzteile. Wartung und Logistik sind auch einfacher, zumal der Leopard viel spritsparender als andere Kampfpanzer ist.
Forderungen nach dem Leopard kamen am Donnerstag auch aus Kiew. Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow und Außenminister Dmytro Kuleba erklärten in einem gemeinsamen Statement, dass die Challenger-Zusage aus Großbritannien nicht ausreiche, um die operativen Ziele der Ukraine zu erreichen. „Daher richten wir unseren Appell an die Staaten, die Leopard-2-Panzer im Einsatz haben“, so die beiden Minister in der Erklärung, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Sie appellierten an die Länder, „sich der Initiative zur Bildung einer internationalen Panzerkoalition zur Unterstützung der Ukraine anzuschließen“. Polen und Finnland hatten bereits zugesagt, sich der Initiative anzuschließen und Leopard-2-Kampfpanzer abzugeben. Deutschland blockiert dies jedoch weiterhin. Nun erwägt Polen, nicht mehr auf grünes Licht aus Deutschland zu warten und selbst die Initiative zu ergreifen.
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Der Chef der berüchtigten Söldnertruppe Wagner sieht „Verräter ihres Volkes und ihres Landes“ im Umfeld von Kreml-Chef Wladimir Putin.
© Quelle: dpa