Protestwelle gegen Chinas „Null-Covid“-Politik: nur ein Ausweg in Sicht
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In China kommt es derzeit zu zahlreichen großen Protesten gegen die Corona-Strategie des kommunistischen Staates.
© Quelle: Getty Images
Peking. China versucht dem Coronavirus weiter mit Lockdowns, Massentests und Quarantänepflicht beizukommen. Das hat zu den größten Protesten gegen die kommunistische Führung seit Jahrzehnten geführt. Der Unmut der meisten Demonstranten auf dem Festland und in Hongkong richtet sich gegen die Beschränkungen, die Familien seit Monaten in ihren Wohnungen einschließen. Internationale Gesundheitsexperten rügen den Ansatz Pekings als unhaltbar. Ein Überblick über Chinas „Null-Covid“-Strategie.
Chinas Politik
Zu Beginn der Pandemie setzten auch andere Länder auf Lockdowns und weitere Einschränkungen, die mit der Zeit gelockert wurden. Zunächst hatte China mit seiner strikten „Null-Covid“-Strategie auch Erfolg dabei, die Todesrate niedrig zu halten. Doch dies bedeutet nun, dass die Bevölkerung kaum Kontakt zum Virus hat. Hinzu kommt, dass China nur Impfstoffe aus heimischer Produktion nutzt, die nicht so wirksam sind wie jene, die an anderen Orten der Welt zum Einsatz kommen. Und die Zahl der Älteren mit vollem Schutz in China ist zu niedrig.
Chinas Festhalten an Lockdowns hält der renommierte US-Immunologe Anthony Fauci für „ziemlich drakonisch“. Dieser Ansatz „ergibt im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit nicht wirklich Sinn“, sagte er in der NBC-Sendung „Meet the Press“.
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Kein Plan B
China hat weitaus weniger Todesfälle durch Corona gemeldet als andere Länder mit einer großen Bevölkerung. Von 5233 Toten ist offiziell die Rede, das Gros dieser Fälle wurde demnach beim ersten Ausbruch Anfang 2020 verzeichnet. Die strikte Politik möge zwar Leben gerettet haben, lasse sich aber nicht durchhalten, sagt Ali Mokdad, Professor für Gesundheitsforschung an der Universität von Washington in Seattle. „Sie haben keinen Plan B.“ Letztlich werde Chinas Herangehensweise zu einem Anstieg von Todesfällen und einer Belastung der Krankenhäuser führen. „Sie können das Land nicht für immer abriegeln.“
Julian Tang, Virologe an der britischen Universität von Leicester, pflichtet bei. Chinas Versuch, jeden einzelnen Covid-19-Fall zu stoppen, sei „schlicht unmöglich“. Das Land werde letztlich das tun müssen, was der Rest der Welt getan habe, und lernen müssen, mit dem Virus zu leben. „Es gibt kein Endspiel für ‚Null-Covid‘“.
Chinas harte Regeln mögen zwar geholfen haben, Tausende Infektionen, Krankenhauseinweisungen und Todesfälle zu vermeiden, wie man sie im ersten Pandemiejahr im Westen beobachtet habe. Doch sei der Vorteil mit dem Aufkommen der hochinfektiösen Omikron-Variante verschwunden, sagte Tang.
Düstere Prognosen
China habe sich jetzt in eine Ecke manövriert, findet Paul Hunter, Professor für Medizin an der britischen Universität von East Anglia. Und sich aus dieser Lage zu befreien, werde schmerzhaft für das Land sein. Der Wert der Maßnahmen wie Lockdowns und der Maskenpflicht habe doch vor allem darin bestanden, so viele Infektionen wie möglich aufzuhalten, bis Vakzine verfügbar seien.
„Leider sind die Impfstoffe in China nicht sehr gut“, sagt Hunter. Das Schutzniveau der meisten anfälligen Menschen sei niedrig. Und bei jenen, die vor längerer Zeit immunisiert wurden, habe der Schutz zum größten Teil schon nachgelassen.
Hunter empfiehlt, die Beschränkungen allmählich aufzuheben, um eine Überlastung der Kliniken zu vermeiden. Andere Auflagen, etwa die Maskenpflicht, sollten beibehalten werden, um die Ausbreitung so gut wie möglich zu senken. Irgendwann werde China seine Grenzen öffnen müssen - ein Schritt, der unweigerlich zu einer Krankheitswelle führen werde. Die Zahl neuer Fälle würde sehr stark hochschnellen und auch schnell wieder sinken, prognostiziert Hunter. „Aber während sie das durchmachen, wird es furchtbar sein.“
Airfinity, ein Dienst für Gesundheitsanalysen, rechnet vor, dass für schätzungsweise bis zu zwei Millionen Menschen in China Todesgefahr bestehe, falls das Land seine „Null-Covid“-Politik aufgeben sollte. Grund seien die niedrigen Impfraten und der Mangel an natürlicher Immunität in der Bevölkerung.
Örtliche Behörden lockerten nach den jüngsten Protesten zwar einige Beschränkungen, doch ließ die Führung keine Anzeichen erkennen, von ihrer Corona-Strategie abrücken zu wollen.
Import von Impfstoff als Exit-Strategie
Bharat Pankhania, ein Experte für Infektionskrankheiten an der englischen Universität von Exeter, rät China, von Pfizer/Biontech und Moderna hergestellte Vakzine zu importieren. „Die wissenschaftliche Antwort ist ganz klar“, sagt Pankhania. Es möge politisch für China zwar eine Herausforderung sein, die Unzulänglichkeiten der heimischen Vakzine einzuräumen. Doch müsse das Land einen Weg finden, den Kurs zu ändern. „Es sollte nicht darum gehen, das Gesicht zu wahren“, erklärt Pankhania. „Die chinesische Bevölkerung hat ein Lockdown nach dem nächsten satt und der schnellste Weg raus ist es, so schnell wie möglich zu impfen.“
RND/AP