Antiwestlicher Hassprediger und Putins „Gehirn“ – das ist Alexander Dugin
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Alexander Dugin, russischer Ideologe, Politikwissenschaftler und ehemaliger Professor an der Staatlichen Universität Moskau.
© Quelle: Mikko Stig/Lehtikuva/dpa
Moskau. Der Tod von Darja Dugina, Tochter des rechtsnationalistischen Ideologen Alexander Dugin, hat helles Entsetzen in Russland ausgelöst – vor allem bei den Kriegspropagandisten rund um Kremlchef Wladimir Putin. Das Fahrzeug mit der 29-Jährigen am Steuer ging in der Nähe von Moskau nach der Explosion einer Autobombe in Flammen auf.
Und obwohl die Ermittlungen wegen des mutmaßlichen Mordanschlags laufen und nichts bewiesen ist, beeilte sich die russische Staatspropaganda, „ukrainischen Terroristen“ das Attentat anzulasten. Der Anschlag soll laut russischer Staatspropaganda Alexander Dugin selbst gegolten haben, der als „Gehirn“ oder „Einflüsterer“ Putins gilt. Der Vater der 29-Jährigen ist ein prominenter Vertreter des Ideologiekonzepts der „russischen Welt“ und ein vehementer Unterstützer der Entsendung russischer Soldaten in die Ukraine.
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USA verhängten Sanktionen gegen Dugina
Dugina hatte ähnliche Ansichten bekundet und war als Kommentatorin im nationalistischen TV-Sender Zargrad aufgetreten. Die USA hatten Sanktionen gegen Dugina wegen ihrer Tätigkeit für die Website United World International (UWI) verhängt, der die USA die Verbreitung von Desinformation vorwerfen. Bei der Bekanntgabe der Sanktionen war auf einen UWI-Artikel von diesem Jahr verwiesen worden, in dem erklärt wurde, die Ukraine werde „untergehen“, wenn sie in das Militärbündnis Nato aufgenommen werde. Die Getötete habe wie ihr Vater stets an vorderster Front der Konfrontation mit dem Westen gestanden, erklärte der Sender am Sonntag.
Die Journalistin Darja Dugina, Tochter von Alexander Dugin, wurde durch eine Autobombe getötet.
© Quelle: via REUTERS
Alexander Dugin: Sein Weg in die Politik
Die USA, die auch den 60-jährigen Alexander Dugin auf ihrer Sanktionsliste haben, sehen den Ideologen als Ideenstifter des am 24. Februar von Putin befohlenen Einmarschs in die Ukraine. Er hat, wie Journalisten in Kiew am Sonntag nach der Explosion berichteten, offen zur Tötung von Ukrainerinnen und Ukrainern aufgerufen. Und auch von seiner Tochter Darja ist dieser Satz überliefert: „Ukrainer sind Unmenschen!“ Dugin, der viele Bücher geschrieben hat, gilt als antiwestlicher Hassprediger, Ideengeber für die Neuen Rechten in Russland und Kämpfer für die Idee einer slawischen Supermacht.
Dugin wurde am 7. Januar 1962 in Moskau geboren und ist der Sohn eines Soldaten. Wie sein Vater wollte er Karriere beim Militär machen, musste sein Studium am staatlichen Luftfahrtinstitut in Moskau allerdings abbrechen. Die genauen Gründe sind unklar. Seit den 1980er-Jahren galt er als Antikommunist und wurde aufgrund seiner Aktivitäten vom KGB (bis 1991 der sowjetische In- und Auslandsgeheimdienst) beobachtet. Seinen Unterhalt verdiente Dugin als Straßenreiniger. Gerüchten zufolge soll er nach dem Abbruch seines Studiums selbst beim KGB aktiv gewesen sein.
Gleichzeitig startete Dugin seine politische Laufbahn. Er beschäftigte sich mehr und mehr mit rechtsradikalen und neofaschistischen Theorien und wurde 1987 Mitglied der radikal-nationalistischen und antisemitischen Gruppierung Pamjat. Seit den 80er-Jahren arbeitete er zudem als Verleger und Autor von rechten Büchern und Zeitschriften. Erst in den 90er-Jahren erlangte er größere Bekanntheit, als er über Radio und Fernsehen seine Ideologie verbreitete. So erreichte er vor allem junge Menschen und Studenten. Immer wieder war Dugin auch Mitglied von rechten esoterischen und okkulten Zirkeln.
1993 war er Mitbegründer der Nationalbolschewistischen Partei Russlands (NBP), bei der er von 1994 bis 1998 Co-Vorsitzender war. Wegen des Mangels an Interesse an seinen Ansichten verließ er die Partei, die später wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen verboten wurde. Daraufhin schloss er sich der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF) an, wo er Gennadi Selesnjow, Sprecher der Duma (1996 bis 2003), kennenlernte. Dugin wurde Selesnjows Berater, machte sich einen Namen in der russischen Politik und soll seit 2001 auch Kontakt zum russischen Präsidenten Wladimir Putin gehabt haben. Dugin dementierte vor einigen Jahren, Putin persönlich zu kennen.
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Alexander Dugin hält vor der Flagge der von ihm gegründeten Nationalbolschewistischen Partei Russlands (NBP) eine Rede. Das Foto entstand zwischen 1993 und 1998.
© Quelle: imago/Russian Look
Dugin gründete 2002 die globalisierungsfeindliche Eurasische Partei und ist seitdem ihr Vorsitzender. 2010 wurde er Professor an der renommierten Lomonossow-Universität in Moskau, nachdem er einige Abschlüsse nachgeholt hatte. Dort leitete er den Lehrstuhl für Soziologie der internationalen Beziehungen an der soziologischen Fakultät. Wegen seiner politischen Position wurde sein Vertrag 2014 aber nicht mehr verlängert.
Seine Ansichten machte er anlässlich des Ukraine-Kriegs im Jahr 2014 in einem Interview noch einmal deutlich. „Töten, töten, töten, das ist meine Meinung als Professor“, sagte er damals. Er rief dazu auf, die „schrecklichen Leute“, die in Kiew an der Macht seien, zu töten. Tote Russen seien „mit dem Blut der Kiewer Junta“ zu vergelten.
Dugin propagiert eine antiamerikanische Weltordnung
Dugin ist ein Gegner des Liberalismus und der westlichen Werte. Für seine heutigen Ansichten greift er auf deutsche Philosophen wie Friedrich Nietzsche, Karl Haushofer, Carl Schmitt und Martin Heidegger zurück. Dugin veröffentlichte 2011 das Buch „Heidegger: Die Möglichkeit der russischen Philosophie“, auf das auch der deutsche Publizist Jürgen Elsässer aufmerksam wurde.
Dugins Philosophie ist die sogenannte „Vierte politische Theorie“, begründet in der geopolitischen „Eurasischen Idee“. In einem Interview mit Elsässer von 2013 erzählte Dugin, warum er seine Theorie propagiere: „Weil es sich dabei um ein Konzept handelt, welches den Herausforderungen Russlands und der russischen Gesellschaft begegnet“, erklärte er. Gleichwertige Alternativen gebe es nicht.
„Es gibt den westlich-liberalen Kosmopolitismus, doch die russische Gesellschaft wird diese Idee niemals akzeptieren. Dann gibt es den Nationalismus, der sich für das multiethnische Russland ebenfalls nicht eignet. Auch der Sozialismus eignet sich nicht als tragendes Ideal für Russland, im Prinzip hat er auch in der Vergangenheit dort nie wirklich funktioniert. Die eurasische Idee ist daher ein realistisches und idealistisches Konzept. Es ist nicht nur irgendeine romantische Idee, es ist ein technisches, geopolitisches und strategisches Konzept, welches von all jenen Russen unterstützt wird, die verantwortungsbewusst denken“, führte Dugin aus.
Geopolitisch propagiert Dugin eine antiamerikanische Weltordnung. Seine Überlegungen konzentrieren sich auf Russlands Rolle, die „Vorherrschaft der Vereinigten Staaten in der Welt“ zu beenden. Er spricht von einem „großrussischen Reich, von Dublin bis Wladiwostok“ unter Russlands Führung. Dugin behauptete, dass der „russische Geist“ durch den Krieg in der Ukraine wiedererweckt worden sei und nennt die Zeit einen „russischen Frühling“.
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Alexander Dugin trat immer wieder als Redner auf rechten Veranstaltungen auf.
© Quelle: imago/ITAR-TASS
Verhältnis zu Putin unklar
Die exakten Verbindungen Alexander Dugins zum russischen Präsidenten Wladimir Putin sind unklar, doch spiegeln Äußerungen des Kreml immer wieder die Rhetorik aus Schriften und Auftritten Dugins im Staatsfernsehen wider. Er half, das Konzept „Noworossija“ („Neurussland“) zu verbreiten, das Russland benutzte, um die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und die Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine zu rechtfertigen.
Dugins Haltung zu Putin war wegen zeitweiliger liberaler Anwandlungen kritisch. Dugin prognostizierte 2014 in seinem Buch „Eurasian Mission – An Introduction to Neo-Eurasianism“: „Wenn er an die Macht zurückkehrt, wird er gezwungen sein, zu seiner früheren antiwestlichen Politik zurückzukehren, weil unsere Gesellschaft von Natur aus antiwestlich ist. Russland hat eine lange Tradition der Rebellion gegen ausländische Invasoren und der Hilfe für andere, die sich gegen Ungerechtigkeit wehren, und das russische Volk sieht die Welt durch diese Brille. Es wird sich nicht mit einem Herrscher zufriedengeben, der nicht im Einklang mit dieser Tradition regiert.“
Bilder und Videos zeigen erschütterten Dugin
Nach dem Bombenanschlag vom 20. August, bei dem seine Tochter starb, machten in den sozialen Netzwerken Videos von dem brennenden Autowrack die Runde – und von einem erschütterten Dugin, der am Samstag zum Tatort eilte und, wie auf Fotos zu sehen ist, die Hände über den Kopf zusammenschlug. Die Fahnder veröffentlichten auch ein Video von der Spurensuche. Ermittelt werde wegen eines Auftragsmordes in verschiedene Richtungen.
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Ermittler stehen an der Stelle, wo die Autobombe explodierte und die 29-jährige Tochter von Alexander Dugin tötete.
© Quelle: IMAGO/SNA
Überzeugt sind jedenfalls viele, dass Alexander Dugin selbst das Ziel des Anschlags war. Russische Medien berichteten, er habe mit seiner Tochter am Samstag das patriotische Festival „Tradition“ besucht. Dugin war dort als Redner angekündigt. Seine Tochter, die ihn begleitete, stellte das Auto auf einem Parkplatz für besonders wichtige Gäste ab. Die Bombe könnte dort eingebaut worden sein. Eine Videoüberwachung gab es wohl nicht. Medien zufolge hatten Vater und Tochter dann gemeinsam wegfahren wollen. Aber Dugin blieb noch.
Mit Material der dpa und AP
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