Scheuer bleibt stur: Verkehrsminister will bei Pkw-Maut alles richtig gemacht haben
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Andreas Scheuer (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, hat bei der Maut keine Fehler gemacht – sagt er.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer weist auch bei seiner zweiten Befragung vor dem Mautuntersuchungsausschuss alle gegen ihn gerichteten Vorwürfe zurück. Er habe einen klaren Auftrag und gute Gründe gehabt, den Vertrag über die Pkw-Maut noch Ende 2018 abzuschließen.
Scheuer war Anfang Oktober ein erstes Mal im Ausschuss befragt worden. Damals stand die Frage im Mittelpunkt, ob es möglich gewesen wäre, bei Vertragsabschlüssen mit den Betreibern bis zu einem anstehenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu warten. „Es gab keinen Anlass, zu zögern.“
Mit der Umsetzung der beschlossenen Pkw-Maut habe Scheuer ein „geprüftes Projekt, das hohe dreistellige Millioneneinnahmen“ einspielen sollte, abgeschlossen. Dagegen stand ein „minimales Restrisiko“. Doch der EuGH erklärte die Maut im Juni 2019 für rechtswidrig.
Die Opposition wirft Scheuer Versäumnisse und Verstöße zulasten der Steuerzahler vor. Die ursprünglich vorgesehenen Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der Bund die Verträge direkt nach dem Urteil gekündigt hatte. Dazu läuft ein Schiedsverfahren.
Selbstkritik war von Scheuer nur indirekt zu hören. „Die Entwicklungen lassen mich nicht unberührt“ sagte er. „Ich nehme die Kritik ernst, solange sie sachlich ist.“
Scheuer „bleibt bei seiner Erinnerung“ – doch die ist lückenhaft
Erneut bestritt Scheuer, dass die Betreiber angeboten hatten, den Vertrag erst nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu unterzeichnen – dann aber zu einem weit höheren Preis: drei Milliarden Euro statt zwei Milliarden. Im Oktober hatten die Zeugen aus dem Betreiberkonsortium sich in diesem Punkt festgelegt.
Unter anderem Klaus-Peter Schulenberg, Chef des Ticketvertreibers CTS Eventim, bestätigte vor dem Ausschuss, dass er Scheuer angeboten habe, die Vertragsunterzeichnung bis nach dem EuGH-Urteil zu verschieben. Das sei auf einem Treffen mit Scheuer am 29. November 2018 geschehen.
„Die abweichenden Darstellungen nehme ich zur Kenntnis“, sagte Scheuer bei seiner erneuten Befragung schmallippig. „Aber ich bleibe bei meiner Erinnerung.“ Diese Erinnerung bestand bei seinem ersten Auftritt im Ausschuss aber vorrangig aus Lücken.
Scheuer ist der letzte Zeuge, den der Ausschuss befragt. Nach einem Jahr Ausschussarbeit und ungezählten Rücktrittsforderungen der Opposition ist Scheuer nach wie vor im Amt.
Die Opposition ist sich sicher: Scheuer muss zurücktreten – und zwar schon längst. „Minister Scheuer hat sich mit seinen Vertuschereien, Halbwahrheiten und Lügen in eine enge Sackgasse manövriert. Er ist als Minister untragbar“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Er schuldet dem Land und den Bürgerinnen und Bürgern jetzt mindestens Offenheit und Transparenz, denn er hat den Bundeshaushalt ohne Not mit mehreren Hundert Millionen Euro belastet. Dafür muss er endlich alle Fakten auf den Tisch packen.“
Ein Seitenhieb gegen die Opposition
Scheuer reagierte auf die andauernden Rücktrittsforderungen besonders von Grünen und FDP mit einer Gegenattacke. Bei den letztlich gescheiterten Verhandlungen zur Jamaika-Koalition hätten die damaligen Verkehrsexperten Hofreiter für die Grünen und Michael Theurer für die FDP die Mautpläne abgenickt. „Hätte es Jamaika gegeben, hätte es auch genau diese Maut gegeben“, legte sich Scheuer fest.
Theurer widersprach sofort. Dem RND sagte er: “Herr Scheuer hat ja nicht zum ersten Mal Probleme mit der Erinnerung. Er war ja nicht einmal mit am Tisch. Die Maut war nicht beschlossene Sache, sondern im Gegenteil komplett vom Tisch. Die einzige neue Abgabe, der die FDP in den Jamaika-Sondierungen zugestimmt hat, war die legale Abgabe von Cannabis.”
Der Koalitionspartner SPD hat bisher keine Rücktrittsforderung an die Adresse Scheuers gerichtet. SPD-Obfrau Kirsten Lühmann sagte im Vorfeld, der Minister habe mehrfach festgestellt, er habe keine Fehler gemacht und werde daher auch nicht zurücktreten. Ob Scheuer angesichts des Vertrauensverlustes in der Öffentlichkeit noch im Amt tragbar sei, müsse CSU-Chef Markus Söder entscheiden. Mit Blick auf die gegensätzlichen Aussagen zum vermeintlichen Betreiberangebot sagte Lühmann: „Wir werden es nicht klären können, so sehr auch die Opposition darauf herumhackt.“ Dem Minister sei eine Lüge nicht nachzuweisen.
Es habe aber „organisierte Verantwortungslosigkeit“ im Ministerium gegeben. “Jeder schiebt es auf den anderen, und keiner will es gewesen sein.” Nach Scheuers Befragung beginnt der Untersuchungsausschuss mit dem Abschlussbericht, der im Mai oder Juni fertig sein soll.