Der Soli: guter Zweck, falsches Instrument
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Über die Zukunft des Solidaritätszuschlags wird vor dem Bundesfinanzhof verhandelt.
© Quelle: Roland Weihrauch/dpa
Berlin. In Demokratien passiert es der Opposition immer wieder, bei einem Wahlerfolg mit früheren Forderungen konfrontiert zu werden, die nach einer Regierungsübernahme nicht mehr so recht ins Konzept passen und daher möglichst fallen gelassen werden. Im Fall des Solidaritätszuschlags muss man der FDP allerdings ein hohes Maß an Gradlinigkeit zubilligen: Sie hat die komplette Abschaffung des Soli vor der Wahl gefordert – und sie verlangt es nach wie vor, obwohl es eine Herausforderung für Finanzminister Christian Lindner bedeuten würde, mal eben auf jährlich 10 Milliarden Euro zu verzichten. Dass das Lindner-Ministerium der Verhandlung vor dem Bundesfinanzhof fernbleibt, um dort nicht den Soli verteidigen zu müssen, ist ungewöhnlich, aber ebenfalls konsequent.
Es geht um die Glaubwürdigkeit der Politik
Es wäre aus Gründen der politischen Hygiene zu begrüßen, wenn der Bundesfinanzhof dem Versuch des Staates Grenzen setzt, für bestimmte Zwecke erhobene Abgaben immer wieder so umzuwidmen, dass sie praktisch unbegrenzt kassiert werden können. Das untergräbt die Glaubwürdigkeit von Politik und schwächt die in der Gesellschaft durchaus bestehende Bereitschaft, in Notlagen zusammen zu stehen – auch durch finanzielle Opfer.
Eine Entlastung der Spitzenverdiener ist hingegen gar nicht notwendig – und das ist das Dilemma mit dem Soli. Er ist das falsche Instrument für einen eigentlich guten Zweck. Es ist Kanzler Olaf Scholz anzulasten, dass er als Finanzminister der großen Koalition nicht einmal den Versuch unternommen hatte, den Soli geschickt in die Einkommensteuer zu integrieren, um so Einnahmen zu sichern und damit insbesondere die mittleren Einkommen zu entlasten. Dafür gab es in Teilen der Union sogar Zustimmung. Nun besteht die Gefahr, dass der Soli ersatzlos wegfällt und damit Spielräume verschwinden, um endlich eine faire Einkommensbesteuerung zu erreichen.