E-Paper

Streit um Rechtsstaatlichkeit: EU-Parlament will EU-Kommission verklagen

Flaggen der Europäischen Union wehen im Wind vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission.

Flaggen der Europäischen Union wehen im Wind vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission.

Brüssel. Der Streit um die Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union spitzt sich zu. An diesem Mittwoch will das Europaparlament eine Klage gegen die EU-Kommission von Ursula von der Leyen auf den Weg bringen. Der Vorwurf der Abgeordneten lautet: Die Kommission sei untätig und gehe nicht zügig genug gegen Staaten wie Ungarn und Polen vor, die gegen rechtsstaatliche Normen verstoßen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Seit 1. Januar hat die EU-Kommission mit der sogenannten Rechtsstaatsklausel ein neues Instrument zur Verfügung. Erstmals in der Geschichte der EU müssen Mitgliedsländer, die gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen, mit dem Entzug von Fördermitteln aus Brüssel rechnen. Derzeit könnte das vor allem Ungarn und Polen treffen.

Kommission lässt Ultimatum des Parlaments verstreichen

Doch während es die Abgeordneten eilig haben, lässt es die Kommission nach Ansicht der Parlamentarier zu ruhig angehen. Ein Ultimatum des Parlaments, wonach der Mechanismus bis spätestens 1. Juni aktiviert werden müsse, ließ die Brüsseler Behörde einfach verstreichen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Daraufhin riss dem Parlament der Geduldsfaden. Nach langen Verhandlungen einigten sich die fünf proeuropäischen Fraktionen jetzt darauf, die Klage wegen Untätigkeit der Kommission auf den Weg zu bringen. Das ist in der Geschichte der EU erst zweimal zuvor geschehen und würde Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in eine schwierige Lage bringen.

Die Niedersächsin muss einerseits die Beschlüsse des EU-Gipfels vom vergangenen Dezember im Blick haben. Damals legten die Staats- und Regierungschefs fest, dass der neue Mechanismus erst aktiviert werden sollte, wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Klagen betroffener Staaten gegen das Instrument entschieden hat. Polen und Ungarn haben inzwischen die Klageschriften in Luxemburg eingereicht. Bis zu einem Urteil könnten allerdings noch Monate vergehen.

Europaparlament übt enormen Druck auf von der Leyen aus

Andererseits übt das Europaparlament seit Jahresbeginn enormen Druck auf von der Leyen aus. Die Parlamentarier argumentieren, dass der Beschluss der Staats- und Regierungschefs rechtlich nicht bindend ist. Deswegen müsse von der Leyen sofort die Rechtsstaatsverfahren gegen die betroffenen Regierungen einleiten.

Der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Die EU-Kommission hat den Schutz des Rechtsstaats in Europa bislang nicht ernst genommen. Dabei werden in Polen und Ungarn jeden Tag Fakten geschaffen. Es kann nicht sein, dass Viktor Orbán ohne jedwede Sanktion Ungarn zu einer Diktatur umbaut. Wir haben einen wirksamen Sanktionsmechanismus, der einfach nicht zum Einsatz gebracht wird.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Das Europaparlament habe der Kommission mit dem 1. Juni ein klares Ultimatum gesetzt. „Das hat sie verstreichen lassen. Das ist für uns nicht akzeptabel“, sagte Freund. „Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss sich jetzt entscheiden: Entweder sie kämpft mit uns für den Rechtsstaat – oder sie bleibt wegen des Drucks aus Polen und Ungarn und Polen weiter untätig.“

Ähnlich äußerte sich der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner. „Die Kommission muss ihren Dornröschenschlaf endlich beenden“, sagte Körner dem RND. „Ich erwarte, dass wir der Kommission mit unserer Klage jetzt ordentlich Druck machen.“ Die Arbeiten zum Mechanismus müssten beschleunigt und nicht einfach nur das Urteil des EuGH abgewartet werden.

Kommission will EuGH-Urteil abwarten

Bislang will die Kommission das EuGH-Urteil zu den Klagen Polens und Ungarns abwarten. In Brüssel heißt es, daraus ließen sich Schlüsse ziehen, wie der Rechtsstaatsmechanismus in Zukunft gerichtsfest angewendet werden kann. Die Behörde will unter allen Umständen vermeiden, dass der EuGH künftige Strafbefehle der Kommission kassiert. Denn es ist schon heute absehbar, dass betroffene Staaten gegen jede Entscheidung der Kommission klagen werden.

Dennoch scheint der Druck aus dem Parlament bereits ein wenig Wirkung gezeigt zu haben. Die EU-Kommission will nächste Woche erste Leitlinien mit Hinweisen dazu veröffentlichen, wie sie den Rechtsstaatsmechanismus umsetzen will.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Ob das ausreicht, um das Parlament zu überzeugen, ist unklar. Es wird aber ohnehin noch mindestens vier Monate dauern, bis feststeht, ob sich der EuGH wirklich mit der Untätigkeitsklage gegen Ursula von der Leyen beschäftigen wird.

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken