Ukrainische Cherson-Offensive: Militärhistoriker befürchtet „blutige Schlacht“
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Freiwillige Soldaten nehmen an einer militärischen Übung außerhalb von Kiew teil. (Symbolbild)
© Quelle: Andrew Kravchenko/AP/dpa
Osnabrück. Laut des Militärhistorikers Bastian Matteo Scianna könnte sich die ukrainische Offensive im Süden des Landes zu einer „blutigen Schlacht“ um Cherson entwickeln. „Im Zweifel werden dann die russischen Verbände, die nicht hinter den Fluss Dnepr zurückgelangen, in Cherson eine blutige Schlacht liefern“, sagte der Wissenschaftler der Universität Potsdam im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Grund sei, dass die Ukraine gezielt versuchen werde, die Stärkung und Aufrüstung russischer Truppen in der Region zu stören.
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Scianna berichtet, dass das ukrainische Militär nach einer „akribischen“ Vorbereitung der Offensive bereits seit Wochen Nachschubwege, wichtige Infrastruktur und die russische Artillerie attackiert. Die Streitkräfte würden dabei „Tausende Nadelstiche“ setzen, „statt eine große Hurra-Offensive zu starten, wie man das vielleicht aus Filmen kennt“, so der Historiker.
Selenskyj brät sich mit Armee-Chef
Auch der deutsche Militärexperte Carlo Masala stufte erst kürzlich die ukrainischen Angriffe in Cherson als Vorbereitung der Gegenoffensive ein. „Wir haben eine sehr, sehr unklare Lage. Ich würde noch nicht von einer großen Gegenoffensive sprechen“, sagte Masala im Interview mit Bayern 2-radioWelt am Dienstag.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte sich zuletzt binnen weniger Tage zum zweiten Mal mit den Chefs von Armee, Geheimdienst und Polizei beraten. Die Militärs hätten Bericht erstattet zur Entwicklung an der Front, sagte Selenskyj am Mittwochabend in Kiew. Details wolle er nicht nennen. „Ich sage nur eins: Ich möchte im Namen unserer Aufklärung all unseren Leuten danken, die uns im Süden des Landes kräftig unterstützen, vor allem auf der Krim.“ Der Geheimdienst sei dankbar für die Hinweise und wolle sie maximal nutzen, sagte er in seiner abendlichen Videoansprache.
Ukraine startet Gegenoffensive im Süden des Landes
Nach Beginn der seit langem erwarteten Gegenoffensive im Süden der Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj russische Soldaten zum Rückzug gedrängt.
© Quelle: Reuters
Friedensgespräche noch kein Thema
Nach Sciannas Einschätzung würde die Ukraine nun in einer ersten Phase versuchen, bis an den wichtigen Fluss Dnepr vorzustoßen, um in diesem Zuge womöglich direkt Cherson zurückzuerobern. Je nachdem wie erfolgreich dieser Plan funktioniere, könnte die Armee auch zunächst versuchen, die Stadt abzuschneiden und die russischen Verbände dort zu isolieren.
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Putin und das Gas: Er drückt wieder den Angstknopf
Erneut setzt Russland die ohnehin schon gedrosselten Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 ganz aus. Für ein paar Tage nur, versichert Moskau. Doch in Deutschland und Europa wächst die Sorge, dass die Energieversorgung ins Wanken gerät. Dabei hat der Kremlherr nicht alles in der Hand.
Es sei aber gänzlich offen, ob die Ukraine mit dieser Offensive tatsächlich eine Kriegswende einleiten könne. „Das wird wesentlich von weiteren westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine und der russischen Fähigkeit, neue Truppen und neues Material an die Front zu bringen, abhängen“, macht der Wissenschaftler deutlich und verweist auf wichtige Faktoren, Lehren zu ziehen sowie die Moral in der Truppe zu erhalten. Seine Einschätzung: „Bisher scheint es keiner Seite zu gelingen, den Krieg auf dem Schlachtfeld zu entscheiden, und auf der politischen Ebene gibt es keine ernsthaften Initiativen für einen Waffenstillstand – von Frieden traut man sich ja gar nicht zu sprechen.“
RND/jst mit dpa