Was folgt aus dem AfD-Urteil zum Verfassungsschutz?
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Der Verfassungsschutz sieht einen „guten Tag für die Demokratie“ nach dem AfD-Urteil des Verwaltungsgerichts Köln.
© Quelle: Sina Schuldt/dpa
Berlin. Knapp 30.000 Mitglieder der AfD finden nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln Eingang in den nächsten Verfassungsschutzbericht. Das Gericht hat die Einstufung der Partei als rechtsextremer Verdachtsfall bestätigt. Damit kann der Inlandsgeheimdienst auch nachrichtendienstliche Mittel gegen die AfD einsetzen, etwa Telefone abhören und Spitzel anwerben.
Das Kölner Urteil könnte nach Einschätzung des Verfassungsschutzes auch Auswirkungen auf Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst haben. Jeder Beschäftigte im öffentlichen Dienst habe sich den Zielen der Verfassung verpflichtet, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, im ZDF-„Morgenmagazin“.
„Insofern ist eine Mitgliedschaft, eine Anhängerschaft bei der AfD durchaus kritisch zu sehen.“ Er könne sich vorstellen, dass es Einzelfallprüfungen zur Frage geben werde, ob diese Beschäftigten im öffentlichen Dienst bleiben könnten.
Partei versucht, Mitglieder im Staatsdienst zu beruhigen
Bundesvorstand und Landesvorstände der AfD versuchen, ihre Mitglieder in Rundschreiben zu beruhigen, um eine Austrittswelle zu verhindern. „Wir gehen davon aus, dass der Bundesvorstand in Kürze bekanntgeben wird, in die zweite Instanz zu ziehen“, heißt es etwa in einer Rundmail von Alice Weidels Landesverband Baden-Württemberg, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
„Bitte machen Sie sich als Parteimitglied keine Sorgen um ihre berufliche Situation“, steht dort weiter. Staatsdiener müssten weder die Entlassung noch gekürzte Pensionsansprüche befürchten, „wenn sie innerhalb der Partei für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten“.
Den Wahlkampf für Landtagswahlen im Saarland am 27. März, in Schleswig-Holstein am 8. Mai und in Nordrhein-Westfalen am 15. Mai muss die AfD jetzt mit dem frischen Makel eines gerichtlich bestätigten rechtsextremen Verdachtsfalls bestreiten. Das könnte im Westen schwieriger werden als im Osten, wo die in mehreren Bundesländern bereits erfolgte Einstufung durch den Verfassungsschutz eher zu einer Trotzreaktion bei den Anhängerinnen und Anhängern führte.
Welche Folgen hat das Urteil auf die Parlamentsarbeit?
Konkrete Auswirkungen könnte die Beobachtung für die parlamentarische Arbeit im Bundestag haben. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte im ZDF-„heute journal“, die Einstufung werfe Fragen auf – „auch für den Deutschen Bundestag selbst – zum Beispiel bei der Geheimdienstkontrolle“.
Konkret geht es dabei um die Mitgliedschaft im Parlamentarischen Kontrollgremium, das die Geheimdienste kontrolliert. Dessen Vorsitzender Roderich Kiesewetter (CDU) war deutlich: „Wenn dieses Urteil letztinstanzlich bestätigt ist, ist es natürlich nicht möglich, dass eine Partei, die als Verdachtsfall eingestuft ist, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium ist.“
Zentralrat der Juden begrüßt Gerichtsurteil
Die Verdachtsfalleinstufung könnte auch Auswirkungen auf die Arbeit der parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung haben. Diese könnte im laufenden Jahr erstmals finanzielle Mittel in Millionenhöhe aus dem Staatshaushalt erhalten.
„Die AfD darf offiziell wegen ihrer völkischen Positionen vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft und überwacht werden. Sie ist also keine Partei wie jede andere. Und ihre parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung ist keine Stiftung wie jede andere – sie muss jetzt auf den Prüfstand.“ Das fordert Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, gegenüber den RND. Mendel sagte: „Die Stiftung der AfD ist aufs engste mit deren rechtsextremem Personal verwoben und darf unter keinen Umständen mit Millionen Steuergeldern finanziert werden!“
Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßt das Kölner Urteil. „Mit der Einstufung als Verdachtsfall wird das wahre Gesicht der AfD, das vielfach Züge einer rechtsextremen Fratze trägt, endgültig sichtbar werden“, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster. „Die politische wie auch rechtliche Auseinandersetzung mit der AfD darf jetzt nicht enden, sondern muss nun erst recht mit Verve geführt werden.“