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Webasto-Chef Holger Engelmann: „Ich bin jetzt nachdenklicher“

„Wir wussten, dass wir sehr schnell sein müssen, um die Lage in den Griff zu bekommen“: Holger Engelmann, Vorstandsvorsitzender von Webasto.

„Wir wussten, dass wir sehr schnell sein müssen, um die Lage in den Griff zu bekommen“: Holger Engelmann, Vorstandsvorsitzender von Webasto.

Herr Engelmann, wann haben Sie zum ersten Mal von dem neuartigen Virus gehört?

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Das muss Mitte Dezember gewesen sein. Da hatte ich erste Berichte dazu gelesen und mich mit Kollegen in China ausgetauscht, denn wir planten mit Eigentümern, Aufsichtsrat und Vorständen Mitte Januar den Besuch mehrerer chinesischer Standorte.

Und wann war klar, dass es Ihnen nach Stockdorf gefolgt ist, dass es bei Ihnen also die ersten Patienten in Deutschland gab?

Am Morgen des 27. Januar habe ich erfahren, dass eine chinesische Kollegin positiv auf Corona getestet wurde. Sie war vom 19. bis 22. Januar bei uns in Deutschland, hatte sich nach ihrer Rückkehr krank gefühlt und war in Shanghai zum Arzt gegangen. Diese Kollegin hatte ich eine gute Woche vorher bei meiner China-Reise getroffen – und dann in Stockdorf.

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War Ihnen sofort klar, wie gefährlich dieses Virus ist?

Ich fand die Berichterstattung aus Wuhan zu den Krankheitsverläufen sehr beunruhigend. Am 20. Januar hat die chinesische Regierung dann bestätigt, dass eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung möglich ist, und sehr drastische Maßnahmen ergriffen. Wir hatten unsere Mitarbeiter schon aufgefordert, auf Geschäftsreisen nach Wuhan zu verzichten und bei Grippesymptomen einen Arzt aufzusuchen. Uns war zu diesem Zeitpunkt bereits bewusst, dass die Gesundheit unserer Mitarbeiter in ernster Gefahr war, aber nicht, wie aggressiv das Virus wirklich ist.

Wie sind Sie dann vorgegangen?

Wir wussten, dass wir sehr schnell sein müssen, um die Lage in den Griff zu bekommen. Wir bildeten an jenem Montag sofort einen Krisenstab und informierten das zuständige Gesundheitsamt in Starnberg. Dann haben wir sehr viel parallel angepackt: Kontaktlisten erstellt, Tests organisiert, Reiseregelungen angepasst, Hygienestandards verschärft und Homeoffice ab dem nächsten Tag angeordnet.

Ihre Belegschaft hat sofort mitgezogen?

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Die Infektionskette konnten wir unterbrechen, weil wir die Unterstützung aller Mitarbeiter hatten. Wir pflegen eine offene und vertrauensvolle Unternehmenskultur. Deshalb haben wir nicht nur die betroffenen Kolleginnen und Kollegen – in derselben Woche kamen mehrere dazu – gebeten, uns ihre Kontakte mitzuteilen, sondern ihre Namen auch intern bekannt gemacht, um weitere mögliche Kontakte zu finden. Das Einverständnis der infizierten Mitarbeiter hatten wir selbstverständlich vorab eingeholt.

Insgesamt haben sich neun Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter infiziert. Wie geht es ihnen heute?

Alle waren in stationärer Behandlung im Krankenhaus, die meisten hatten vergleichsweise milde Symptome. Ende Februar waren sie alle gesund und wieder zu Hause. Wir haben individuelle Regelungen dazu getroffen, wann sie ihre Arbeit wieder aufnehmen. Heute geht es glücklicherweise allen gut, nur wenige leiden unter leichten Spätfolgen wie Müdigkeit oder Atemwegsproblemen.

Wissen Sie auch, wie es der chinesischen Mitarbeiterin ergangen ist?

Natürlich – wir waren während ihres Krankenhausaufenthalts in sehr engem Kontakt. Sie hatte schwere Grippesymptome, ist aber relativ schnell gesundet und erfreut sich heute bester Gesundheit. Ihre Kooperation und Mithilfe waren sehr wertvoll. Sie hat unseren Behörden und Wissenschaftlern genauestens ihre Symptome im zeitlichen Ablauf beschrieben. Durch sie haben wir in Deutschland Erkenntnisse über Corona gewonnen, die uns bis heute in der Pandemiebekämpfung nützen.

Es gab Berichte, dass Ihre Mitarbeiter angefeindet worden seien.

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Ja, das stimmt, und nein, das war nur eine kurze, wenn auch für einige Mitarbeiter heftige Phase. Das liegt sicher daran, dass wir seit Monaten mit der Pandemie leben und sehr viele Menschen Angehörige oder Freunde haben, die erkrankt sind oder waren. Aber ich denke auch, dass es sich ausgezahlt hat, dass wir das Thema öffentlich angesprochen haben und uns in unserer offenen Kommunikation nicht haben beirren lassen. Viele verbinden mit Webasto heute ein gutes Corona-Management.

Eines Ihrer Werke steht in Wuhan. Wie war die Situation dort?

Als sich Corona im Januar in China rasant ausbreitete, hat die chinesische Regierung erst einmal die nationalen Ferien zum Neujahrsfest verlängert. Alle unsere Standorte blieben – behördlich angeordnet – für Wochen geschlossen. Unsere Kolleginnen und Kollegen waren zwei Monate gar nicht im Werk. Dann lief die Produktion langsam wieder an. Inzwischen sind wir längst wieder im Normalbetrieb.

Wie hat das Virus Ihr Leben verändert?

Ich bin über Nacht zum Krisenmanager geworden – das war eine enorme Herausforderung, hat mein Leben aber auch bereichert. Wegen Corona konnte ich in diesem Jahr praktisch keine Standorte, Kunden oder Veranstaltungen persönlich besuchen. Das hat mir sehr gefehlt, auch wenn virtuell vieles möglich ist. Wenn Sie mich als Privatmensch fragen: Ich bin nachdenklicher geworden, verbringe mehr Zeit mit meiner Familie und Freunden – immer in sehr kleinen Kreisen natürlich. Ich vermisse die Freiheit, spontan essen zu gehen oder Konzerte zu besuchen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir die Pandemie mit Impfstoffen bald hinter uns lassen können.

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Was lässt sich aus dem Beispiel Webasto für den Umgang mit dem Virus lernen?

Eine offene, transparente und schnelle Kommunikation ist in einer solchen Situation von zentraler Bedeutung.

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