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Kein Geschäft mit dem grünen Gold

Der grüne Sonderweg: Wieso die Cannabisfreigabe für den kommerziellen Markt scheiterte

Cannabis in zwei offenen Händen.

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Karl Lauterbach ist sicherlich nicht einer der wortgewaltigsten Minister der Ampelkoalition. Die Fähigkeit erfahrener Politiker, das eigene Scheitern als Erfolgs­geschichte zu verkaufen, besitzt der SPD-Mann jedoch. Ob der Verzicht auf den ursprünglichen Plan, Cannabis bundesweit in lizenzierten Geschäften zu verkaufen, nicht eine Niederlage sei, wird er am Mittwoch bei der Vorstellung der überarbeiteten Eckpunkte für die Legalisierung gefragt.

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Im Gegenteil, so die Antwort des Gesundheits­ministers. Schließlich bestehe nun die Chance, mithilfe von wissenschaftlich begleiteten Modell­projekten aus Deutschland heraus die Cannabis­politik in der gesamten Europäischen Union umzukrempeln. Lauterbach: „Wir treten die Flucht nach vorn an.“

Eigentlich sollte Cannabis in lizenzierten Geschäften verkauft werden

Der Reihe nach: In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP verabredet, die „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einzuführen. Genau das sahen dann auch die ersten Eckpunkte vor, die Lauterbach am Oktober 2022 vorstellte. Doch von Anfang an war klar, dass die Legalisierung an internationalem und EU-Recht scheitern könnte.

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Das machte die EU-Kommission umgehend auch Lauterbach klar, wobei sie offenbar weniger die Legalisierung an sich bemängelte, sondern die kommerziellen Aspekte in den Vordergrund rückte. Schließlich müssen im EU-Binnenmarkt überall die gleichen Regeln gelten. Deshalb lehnte die Kommission den Plan der Ampel ab, in Deutschland Unternehmen Anbau und Verkauf zu erlauben. Andernfalls wäre es wohl zu einem unerwünschten Dammbruch gekommen, schließlich hätten dann Firmen diese Rechte für den gesamten europäischen Binnenmarkt einfordern können.

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Die Ampelkoalition hat nach Einwänden aus Brüssel ihre im Oktober vorgestellten Eckwerte überarbeitet und am Mittwoch ein zweistufiges Modell vorgestellt.

Der Ausweg, den die EU-Kommission akzeptiert und der auch schon in Malta und Spanien praktiziert wird: Es gibt keinen kommerziellen Anbau und Vertrieb. Stattdessen werden private Vereine, sogenannte Cannabisclubs, erlaubt, die Cannabis anbauen und zum Selbstkostenpreis an ihre Mitglieder abgeben. Agrarminister Cem Özdemir sprach am Mittwoch von einer pragmatischen Politik. „Es macht keinen Sinn, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen“, so der Grünen-Politiker.

Neue Cannabisclubs: Vereine müssen Gras selbst anbauen

Nach den Eckpunkten gilt künftig generell, dass für über 18-Jährige der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum strafffrei ist. Zu Hause ist der Anbau von bis zu drei Pflanzen erlaubt. Cannabisclubs können maximal 500 Mitglieder haben und dürfen an diese (und nur an diese) pro Tag maximal 25 Gramm Cannabis abgeben, aber nicht mehr als 50 Gramm im Monat – steuerfrei. Zudem können sie den Mitgliedern maximal sieben Samen oder fünf Stecklinge pro Monat überlassen. Bei Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren sollen strengere Regeln gelten.

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Die Vereine müssen das Cannabis unter der Beachtung zahlreicher Sicherheits- und Qualitäts­vorschriften selbst anbauen; eine Beauftragung von kommerziellen Unternehmen ist verboten. Zulassung und Kontrolle sollen die zuständigen Landesbehörden übernehmen. Die Clubs sollen im Übrigen nicht den Charakter von „sozialen“ Vereinen haben, wie Lauterbach eigens betonte. So ist in den Räumen der Vereine der Konsum von Cannabis ausdrücklich verboten. Auch Alkohol oder Tabak dürfen dort nicht ausgegeben werden.

Diese Pflanze stammt aus dem Hanf-Museum.Eine 29-Jährige, die Cannabis illegal im großen Stil angebaut hatte, wurde vom Kieler Landgericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

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Der konkrete Gesetzentwurf für diese „erste Säule“ der Cannabis­legalisierung soll nach Angaben von Özdemir noch im April vorgelegt werden, ein Inkrafttreten sei noch für dieses Jahr geplant. Eine Zustimmung der Länder über den Bundesrat soll nicht nötig werden, auch eine Genehmigung („Notifizierung“) durch die EU-Kommission sei nicht mehr erforderlich, betonten die Minister.

Cannabisshops nur noch in Modellprojekten

Die „zweite Säule“ besteht aus kommerziellen Modell­projekten in ausgewählten Städten oder Landkreisen, die eine Laufzeit von fünf Jahren haben sollen. Dort soll regional all das ausprobiert werden, was die Koalition eigentlich für das gesamte Bundesgebiet geplant hatte, angefangen beim kommerziellen Anbau bis zum Verkauf in lizenzierten Geschäften. Nutzen dürfen das Angebot aber nur die Einwohner der jeweiligen Region. Die Auswertung der wissenschaftlichen Begleit­forschung biete dann die Gelegenheit für eine neue europäische Cannabis­politik, betonte Lauterbach. Der Gesetzentwurf für diesen Teil soll nach der Sommerpause vorgelegt werden und muss dann auch noch von der EU-Kommission abgesegnet werden.

Lauterbach und Özdemir zeigten sich überzeugt, dass es trotz der abgespeckten Variante gelingen werde, den illegalen Handel zu unterbinden. „Der Schwarzmarkt wird sich schwarzärgern“, so Özdemir. Genau das bezweifeln Kritiker allerdings.

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