Ukraine-Konflikt: Wie teuer Erdgas nun werden könnte
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Teurer Dreh am Heizkörpergriff: Die Gaspreise für private Haushalte sind so hoch wie nie.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Frankfurt. Die Ukraine-Krise könnte eine teure Angelegenheit werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet, dass die ohnehin schon hohen Gaspreise weiter steigen werden. Wir erläutern, welche Rolle Russland dabei spielt und was auf die Verbraucher zukommen könnte.
Wie teuer ist Gas für private Haushalte im Moment?
Für private Haushalte ist es so teuer wie nie. Nach Berechnungen des Vergleichsportals Check24 zahlt ein Musterhaushalt (Verbrauch: 20.000 Kilowattstunden im Jahr) für einen neu abgeschlossenen Vertrag derzeit rund 2600 Euro in zwölf Monaten. Das ist mehr als doppelt so viel wie vor einem Jahr.
Was treibt die Preise in die Höhe?
Mehrere Faktoren kommen zusammen: Global steigt die Nachfrage wegen der wirtschaftlichen Erholung zum Ende der Pandemie. Die Füllstände der Gasspeicher in der EU liegen niedriger als in den Vorjahren. Russland hat über Pipelines deutlich weniger Erdgas gen Westen gepumpt. Dies wurde zwar durch die Einfuhr von verflüssigtem Gas (LNG) ausgeglichen. Dieses ist aber teurer als der leicht flüchtige Brennstoff, der durch die Rohrleitungen kommt.
Welche Auswirkungen hat die Eskalation im Ukraine-Konflikt?
An den Energiebörsen ist der Preis seit Montag um mehr als 15 Prozent gestiegen. Damit liegen die Notierungen zwar unter dem Wert vom Dezember 2021, aber mehr als viermal so hoch wie vor einem Jahr. Dabei handelt es sich aber um einen Großhandelspreis für die kurzfristige Lieferung. Stadtwerke und andere Versorger kaufen hingegen zeitlich gestaffelt ein. Sie haben längerfristige Verträge abgeschlossen, wodurch sie Erdgas zu günstigeren Preisen erhalten.
Werden sich die Preisgefüge dennoch verändern?
Der Stadtwerkeverband VKU rechnet mit spürbaren Ausschlägen. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing spricht von einem aktuell sehr hohen Preisniveau. „Davon kann sich niemand abkoppeln“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Er betont: „Selbst bei konservativer Beschaffungsstrategie müssen Stadtwerke daher sukzessive teurer einkaufen. Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht fundamental ändern, werden das die Verbraucherinnen und Verbraucher im Jahresverlauf auch bei Wärme- und Stromrechnungen spüren.“
Wie hoch können die Preise noch steigen?
Prognosen sind extrem schwer. Alles hängt derzeit von der weiteren Entwicklung des Ukraine-Konflikts und vom Verhalten Russlands ab. Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat in einem Tweet damit gedroht, dass Europäer „bald 2000 Euro für 1000 Kubikmeter Gas bezahlen werden“. Dies würde umgerechnet etwa 200 Euro für eine Megawattstunde entsprechen. Im Großhandel an der Londoner Energiebörse ICE kostete die Megawattstunde am Mittwoch um die 86 Euro.
Wie realistisch sind die Drohungen von russischer Seite?
Auch dies ist völlig unklar. Medwedews Ansage könnte eintreten, wenn Russland seine Gaslieferungen in die EU komplett stoppt. Der aktuelle Präsident Wladimir Putin hat hingegen angekündigt, dass die Gaslieferungen fortgesetzt werden.
Wie können Verbraucher vor einer Preisexplosion geschützt werden?
Liebing betont, es sei jetzt umso wichtiger, „dass die Politik dort eingreift, wo sie es kann“. Rund 40 Prozent der Energiepreise seien staatlich veranlasst. „Hier kann mit verschiedenen Maßnahmen die allgemeine Entwicklung wirksam gedämpft werden“, so der VKU-Chef. Habeck betonte in einem Interview, die Bundesregierung werde „sozialpolitisch gegenhalten“. Konkret nannte er die Abschaffung der EEG-Umlage, die mit der Stromrechnung erhoben wird.
Was wären die Folgen eines kompletten Lieferstopps?
Es gibt einerseits eine Reihe von Vorkehrungen, die sicherstellen, dass hierzulande private Haushalte in jedem Fall weiter beliefert werden. Analysen der Brüsseler Denkfabrik Bruegel zufolge würde es generell mit der Gasversorgung zwar eng, die EU könnte sich aber zumindest bis zum Ende der Heizperiode durchhangeln – mit mehr LNG, mehr Gas aus Norwegen, den Niederlanden und Großbritannien. Begünstigend kommt hinzu, dass extreme Kälte in diesem Winter ausgeblieben ist. Das hat die Füllstände der EU-Gasspeicher zumindest etwas erhöht. Zudem rückt mit jedem Tag das Ende des Winters näher.
Wie lassen sich Energiekrisen künftig vermeiden?
Die aktuelle Situation lehre uns, so Liebing, „dass wir unsere Energiequellen weiter diversifizieren müssen“. Das gelte für die noch benötigten fossilen Energieträger, vor allem aber für den Ausbau der Erneuerbaren. „Sie bieten die beste Voraussetzung für langfristig stabile und erschwingliche Energiepreise.“ Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, empfiehlt zudem, dass die vom russischen Monopolisten Gazprom hierzulande genutzten Gasspeicher zurückgekauft und künftig staatlich betrieben werden, „damit wir uns ausreichend versorgen können“.