„Das meiste ist Aberglaube“

Wahrheit oder Mythos: Wie sinnvoll ist das Gärtnern nach Mondphasen?

Der Juni-Vollmond wird auch „Erdbeermond“ genannt.

Der Juni-Vollmond wird auch „Erdbeermond“ genannt.

Schon Plinius der Ältere, der im ersten Jahrhundert nach Christus lebte, empfahl, Pflanzen mit oberirdischen Früchten kurz vor Vollmond zu ernten, Knollen und Wurzelfrüchte dagegen erst danach. In den 1960er-Jahren war es schließlich die Anthroposophin Maria Thun, die das Konzept des Mondgärtnerns für sich entdeckte und bekannt machte.

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„Das meiste ist Aberglaube“

Passend dazu zeigen diverse Mondkalender, an welchen Daten welche Früchte am besten gesät, gesetzt, geschnitten oder geerntet werden sollten. Für Gartenliebhaber und -liebhaberinnen ist dabei oft nicht ganz ersichtlich, wie viel Wahrheit und wie viel Mythos hinter all dem steckt. Der Agrarwissenschaftler Dr. Hartmut Spieß von dem in Darmstadt ansässigen Forschungsring für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise ist dem im Rahmen seiner Habilitationsarbeit auf den Grund gegangen. „Das meiste ist Aberglaube“, sagt er. Das betrifft insbesondere Kalender, die auf dem sogenannten siderischen Mondumlauf basieren. Sie orientierten sich an der Zeit, die der Himmelskörper braucht, um einmal komplett um die Erde zu wandern, sodass ein Zyklus etwa 27 Tage hat.

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Anders sieht das bei dem synodischen Umlauf aus, der den Stand des Mondes zur Sonne mit einbezieht. Ein Zyklus beschreibt hier die Zeit zwischen zwei gleichen Phasen – beispielsweise von Vollmond zu Vollmond –, demnach 29,5 Tage. „Den Einfluss durch die Mondphasen konnten wir wissenschaftlich bestätigen“, sagt der Agrarwissenschaftler Spieß.

Der Einfluss des Mondes: wissenschaftlich bewiesen, aber gering

Bei seiner Untersuchung säte er mehrere Jahre in Folge Buschbohnen, Radieschen, Karotten und andere Kulturen aus und beobachtete deren Wachstum. Im Jahresvergleich ergab sich, dass Aussaaten vor Vollmond im Allgemeinen zu höheren Erträgen und besserer Pflanzenqualität führten. Zudem fand Spieß heraus, dass eine kürzere Entfernung zwischen Mond und Erde oftmals die Erträge steigerte. Diese Erdnähe tritt einmal im Monat auf und lässt sich in speziellen Kalendern nachvollziehen.

Dass es überhaupt zu Erdnähe und Erdferne kommt, liegt an der elliptischen Bahn, die der Mond um die Erde zieht. Bekannt ist das Phänomen vor allem durch den Begriff „Supermond“, bei dem Erdnähe und Vollmond auf einen Tag fallen. Doch auch wenn der Planet von unserem Standpunkt aus als Sichel oder Neumond zu sehen ist, kann er erdnah sein. „Der Mond beeinflusst die Pflanzen dabei vor allem bei einer möglichst kleinen Entfernung zur Erde“, sagt Hartmut Spieß.

Dass die verschiedenen Mondphasen, vor allem der Vollmond, die Pflanzen beeinflussen, erklärt er mit dem vom Mond reflektierten Sonnenlicht, das so verstärkt auf die Erde trifft. Anderen wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge wirkten hier zudem die Gravitationskraft sowie elektromagnetische Kräfte.

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Dabei reagieren verschiedene Gewächse unterschiedlich stark auf diese Einflüsse. Für Spieß liegt daher die Vermutung nahe, dass sie sich in sogenannte lunarperiodische Reaktionstypen einteilen ließen. Das Prinzip könnte dabei ähnlich sein wie die Einteilung in photoperiodische Reaktionstypen, die beschreiben, wie sich die Tageslänge auf die Pflanzenentwicklung auswirkt.

Beste Ergebnisse bei kurz vor Vollmond ausgesäten Karotten

Eine Sorte, bei der Spieß einen großen Einfluss der Mondphasen nachweisen konnte, war die Karotte: Ein bis drei Tage vor Vollmond ausgesät, brachte sie besonders hohe Erträge. Dagegen war bei Kartoffeln die Erdnähe entscheidender, genau wie bei Buschbohnen und Radieschen.

Der Effekt der beschriebenen Kräfte sei jedoch äußerst gering. „Der Einfluss der Hauptfaktoren wie Wasser, Nährstoffe, Licht, Wärme ist weitaus größer“, sagt Spieß. Zudem beschränke sich der nachgewiesene Effekt des Mondes auf Nutzpflanzen allein auf die Aussaat. Andere Gartenarbeiten wie das Ernten, Schneiden oder Jäten sind davon entsprechend nicht betroffen, anders als so manch moderner Mondkalender es einem weismachen möchte.

Allen, die dennoch gern das Konzept ausprobieren wollen, rät der Agrarwissenschaftler Hartmut Spieß: „Zunächst sollte man schauen, was die optimale empfohlene Saatzeit ist. Vor dem Säen sollte man den Bodenzustand begutachten. Etwa wenn es vorher geregnet hat und der Boden komplett nass ist, ergibt die Aussaat keinen Sinn.“ Des Weiteren müsse die richtige Bodentemperatur vorherrschen und Düngemittel entsprechend den Pflanzenbedürfnissen und der Bodenbeschaffenheit ausgewählt werden.

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Wenn sonst alles passt, auch auf den Mond achten

So zählen beispielsweise Kartoffeln, Tomaten und Zucchini zu den Starkzehrern und haben entsprechend einen hohen Nährstoffbedarf. Die Nährstoffe, insbesondere Stickstoff, müssen also zu Genüge im Boden vorhanden sein oder in Form eines Düngemittels zugegeben werden. „Passen all diese Bedingungen, kann man sich zusätzlich am Mond orientieren“, sagt der Agrarwissenschaftler.

Seine Schlussfolgerung: Für größere landwirtschaftliche Gebiete eignet sich das Arbeiten nach Mondrhythmen weniger – denn hier stehen Effizienz und Planbarkeit im Vordergrund. Im eigenen grünen Reich geht es aber ja mehr um die Freude am Gärtnern. Insofern dürfen sich bekennende Mondgärtner und -gärtnerinnen weiterhin auf die Wirkung des Himmelskörpers verlassen, ohne jedoch alle anderen Einflussfaktoren aus den Augen zu verlieren.

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